Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.

Bild:
<< vorherige Seite
Th. IV. Sect. III. Num. XVII. Antoinettae Lebenslauff.
[Spaltenumbruch]

12. Jn zwischen wird sie nach Rüssel beruf-
fen/ daß sie der mutter/ welche inletzte zügen lag/
an die hand gienge/ und abschied von ihr neh-
me. Diese hat sich über die ankunfft ihrer toch-
ter sehr gefreuet/ und GOtt hertzlich gedancket/
auch zuletzt viel und mancherley trübsahlen der
A. B. vorher verkündiget/ da sie denn bald
darauff ihre seele in GOttes hand gegeben. Als
die leichbegängniß der mutter vorbey war/
bereitete sich die Antonia wider die einsamkeit
zu suchen/ der vater aber und dessen freunde un-
terstunden sich durch beredung/ ihr Göttliche
und menschliche rechten auffzubürden/ daß sie
nemlich dem vater in der mutter haußhaltung
hülffliche hand böthe. Als sie nun durch dieser
menschen schluß-reden übertäubet worden/ be-
williget sie in des vaters hauß zu bleiben/ da sie
denn des hauß-wesens also sich angenommen/
daß sie dennoch die seele nicht verabsaumete/
welcher zu gut/ sie täglich eine gewisse zeit be-
stimmet hatte. Diese lebens-arth hat der vater
ob sie ihm gleich an seel und leib nützlich war/
dennoch nicht lange ertragen können/ denn die
lust des fleisches trieb ihn an zu einer heyrath mit
einer gewissen tochter/ welche sich zu seinem
stande mit nichten schickete. Die Antonia,
als sie einige monathe mit der stieffmutter zuge-
bracht hatte/ übergab ihr die herrschafft des
hauses. Hernach aber wurde die gute Anto-
nia
durch die unbillichkeit der neben-eingekom-
menen stiffmutter aus ihres eigenen vaters
hause gleichsam gejaget/ und das noch dazu in
der allergrösten armuth. Sintemal der vater/
wieder die staturen selbiger stadt/ die güter der
mutter einbehielte/ und der tochter alle hülffe
versagte: So gar/ daß sie ihren unterhalt
durch die arbeit ihrer hände zu suchen gezwun-
gen worden/ welches ihr auch nach wunsch ge-
lungen: Denn in dem sie mäßig lebete/ brauchte
sie weniger mittel. Und wenn sie gleich in einige
stücken mangel litte/ so trug sie es gedultig/ aus
liebe zu Gott/ welcher sie zu der zeit mit so gros-
sen tröstunge aufrichtete/ daß sie in ihrem gantze
leben keine grössere geistliche ergötzligkeit genossen
hat; sonderlich aber in der vorstadt S. Andreae,
woselbst sie einige jahr in eine kleine hause woh-
nete. Sie lebte fast allezeit zu hause. Jhre älte-
ste schwester besuchte sie jährlich einmal/ sie aber
kam zu der schwester niemals. Jhre geistliche
ergötzligkeiten waren so groß/ daß sie bey nahe
nicht wuste/ ob sie schon gestorben wäre/ oder
ob sie noch lebete/ in dem sie aller creaturen ver-
gessen hatte; ja sie fragte einsmals GOtt/ ob
auch die himmlische freude grösser seyn könte.

13. Diese ergötzlichkeiten waren dennoch
nicht so vollkommen/ daß sie nicht wären durch
einige wiederwärtigkeiten gemäßiget worden.
Denn ein unsinniger Jüngling fieng an die A.
B.
hefftig zu lieben/ als ihm aber diese wider-
stund/ verkehrte er seine liebe in einen rasenden
haß/ so gar/ daß er tag und nacht um ihr häuß-
lein lieff/ und sie auff mancherley weise vexirete/
ja hernacher gar ein falsches gerücht in der stadt
außsprengete/ wovon die Antonia doch nicht
das geringste wuste/ daß nemlich sie ihm die ehe
zugesaget hätte. Welches gerüchte/ als die A.
B.
das gegentheil bezeugete/ leichtlich ver-
schwand. Hernach ist sie durch das Frantzösi-
sche Kriegs-heer/ welches der stadt Ryssel eine
belägerung dräuete/ gezwungen worden/ die-
[Spaltenumbruch] se ihr so angenehme retirade zu verlassen/ und
sich auf manche widerwärtige reisen zu begeben/
biß sie endlich zu der Gräffin Willerval/ welche
inständigst darum bat/ verreisete/ woselbst sie so
lange ihr wesen hatte/ biß sie wiederum nach
Ryssel zu dem sterbenden Vater beruffen wur-
de. Derselbe/ (welcher durch die wiederwär-
tigkeiten der andern ehe in traurigkeit gestür-
tzet/ und gantz ausgemergelt war) wolte zu
erst die Antoniam (auff angeben der stieff-mut-
ter) nicht sehen/ dennoch hat er sie kurtz vor sei-
nem abdruck/ zu sich holen lassen/ ihr den Vä-
terlichen segen mitgetheilet/ und bald darauff
seinen geist auffgegeben. Welches geschehen
anno 1648.

14. Als der vater zur erden bestattet worden
war/ geräth die Antonia in zweiffel: Denn die
zerstreuungen/ welche entstehen würden/ wenn
sie ihr mütterliches erbtheil/ welches der vater
bißher mit unrecht besessen hatte/ zu erlangen/
bemühet seyn würde/ schrecketen sie ab von der
weiteren handhabung ihrer gerechten sache/ vor-
nemlich da sie mit wenigem vergnüget war/ und
solcher güter nicht bedurffte/ welche ihr nur zur
last werden würden. Uber dem besorgete sie/
daß sie andern ärgerniß geben möchte/ als ob sie
gleich einem hund/ den ausgewürgten schlamm
wieder hineinschluckte/ indem sie die irrdischen
güter/ welche sie vormals männlich verworffen
hatte/ nun wieder annehme. Als sie durch die-
se zweiffel umgetriebe wurde/ wird ihr von Gott
eingegeben/ sie solte ihr recht handhaben: denn
es wäre unrecht der stieff-mutter die güter zu las-
sen/ welche ihr nicht zukämen: vornemlich/
da diese derselben sich nicht zur ehre GOttes und
nutz des nächsten/ sondern zu weltlichen eitel-
keiten und ihrer schwereren verdammniß/ ge-
brauchen würde/ hierzu kam/ daß GOtt die
Antoniam versicherte/ sie würde in künfftiger zeit
ihrer güter so wol zur ehre Gottes als auch zum
heil des nächsten bedürffen. Diese und derglei-
chen ursachen wirckten/ daß die A. B. ohnerach-
tet ihrer grossen neigung zur ruhe und einsamkeit
ihr mütterliches erbtheil antrat/ und derweil/
biß die sache ihr ende erreichte/ viele und grosse
beschwerlichkeiten gedultig ertrug.

15. Wie sie hiemit noch zu thun hatte/ be-
gegnete ihr einsmals auff öffentlicher strasse
ein mann/ welcher Saint Sanlieu genennet wurde/
welcher unter einem heiligen vorwand mit vie-
len schein-gründen sie überredete/ alle ihren
fleiß/ mühe und güter zu erziehung armer wäysen/
welche schon in ein Hospital versammlet wären/
anzuwenden. Die Antonia sahe wol vorher
die unzehligen verstreuungen und beschwerlich-
keiten/ welche sie aus so verdrießlicher übung ha-
ben würde. Jndem sie aber wuste/ daß ein
Christ alle arbeit zur ehre GOttes thun solte/
so gehet sie getrost im November des 1653sten
jahres in den Hospital; woselbst sie alles in
grosser unordnung und voll unflaths findet/ da-
mit nun dieses wieder in richtigen stand gesetzet
würde/ so nimmt sie eine fast unaussprechliche
mühe und arbeit auff sich/ wobey sie dennoch
Gottes helffende gnade über ihr bitten und ver-
stehen empfand; die mägdlein/ ob sie zwar un-
wissend und plump gnug waren/ lerneten den-
noch sehr leicht lesen/ schreiben/ nehen/ spinnen
und dergleichen zu erwerbung der kost nöthige
dinge. Uber dem wurden sie unterrichtet in dem

grund
Th. IV. Sect. III. Num. XVII. Antoinettæ Lebenslauff.
[Spaltenumbruch]

12. Jn zwiſchen wird ſie nach Ruͤſſel beruf-
fen/ daß ſie der mutter/ welche inletztē zuͤgen lag/
an die hand gienge/ und abſchied von ihr neh-
me. Dieſe hat ſich uͤber die ankunfft ihrer toch-
ter ſehr gefreuet/ und GOtt hertzlich gedancket/
auch zuletzt viel und mancherley truͤbſahlen der
A. B. vorher verkuͤndiget/ da ſie denn bald
darauff ihre ſeele in GOttes hand gegeben. Als
die leichbegaͤngniß der mutter vorbey war/
bereitete ſich die Antonia wider die einſamkeit
zu ſuchen/ der vater aber und deſſen freunde un-
terſtunden ſich durch beredung/ ihr Goͤttliche
und menſchliche rechten auffzubuͤrden/ daß ſie
nemlich dem vater in der mutter haußhaltung
huͤlffliche hand boͤthe. Als ſie nun durch dieſer
menſchen ſchluß-reden uͤbertaͤubet worden/ be-
williget ſie in des vaters hauß zu bleiben/ da ſie
denn des hauß-weſens alſo ſich angenommen/
daß ſie dennoch die ſeele nicht verabſaumete/
welcher zu gut/ ſie taͤglich eine gewiſſe zeit be-
ſtimmet hatte. Dieſe lebens-arth hat der vater
ob ſie ihm gleich an ſeel und leib nuͤtzlich war/
dennoch nicht lange ertragen koͤnnen/ denn die
luſt des fleiſches trieb ihn an zu einer heyrath mit
einer gewiſſen tochter/ welche ſich zu ſeinem
ſtande mit nichten ſchickete. Die Antonia,
als ſie einige monathe mit der ſtieffmutter zuge-
bracht hatte/ uͤbergab ihr die herꝛſchafft des
hauſes. Hernach aber wurde die gute Anto-
nia
durch die unbillichkeit der neben-eingekom-
menen ſtiffmutter aus ihres eigenen vaters
hauſe gleichſam gejaget/ und das noch dazu in
der allergroͤſten armuth. Sintemal der vater/
wieder die ſtaturen ſelbiger ſtadt/ die guͤter der
mutter einbehielte/ und der tochter alle huͤlffe
verſagte: So gar/ daß ſie ihren unterhalt
durch die arbeit ihrer haͤnde zu ſuchen gezwun-
gen worden/ welches ihr auch nach wunſch ge-
lungen: Denn in dem ſie maͤßig lebete/ brauchte
ſie weniger mittel. Und wenn ſie gleich in einigē
ſtuͤcken mangel litte/ ſo trug ſie es gedultig/ aus
liebe zu Gott/ welcher ſie zu der zeit mit ſo groſ-
ſen troͤſtungē aufrichtete/ daß ſie in ihrem gantzē
lebẽ keine gꝛoͤſſeꝛe geiſtliche eꝛgoͤtzligkeit genoſſen
hat; ſonderlich aber in der vorſtadt S. Andreæ,
woſelbſt ſie einige jahr in einē kleinē hauſe woh-
nete. Sie lebte faſt allezeit zu hauſe. Jhre aͤlte-
ſte ſchweſter beſuchte ſie jaͤhrlich einmal/ ſie aber
kam zu der ſchweſter niemals. Jhre geiſtliche
ergoͤtzligkeiten waren ſo groß/ daß ſie bey nahe
nicht wuſte/ ob ſie ſchon geſtorben waͤre/ oder
ob ſie noch lebete/ in dem ſie aller creaturen ver-
geſſen hatte; ja ſie fragte einsmals GOtt/ ob
auch die himmliſche freude groͤſſer ſeyn koͤnte.

13. Dieſe ergoͤtzlichkeiten waren dennoch
nicht ſo vollkommen/ daß ſie nicht waͤren durch
einige wiederwaͤrtigkeiten gemaͤßiget worden.
Denn ein unſinniger Juͤngling fieng an die A.
B.
hefftig zu lieben/ als ihm aber dieſe wider-
ſtund/ verkehrte er ſeine liebe in einen raſenden
haß/ ſo gar/ daß er tag und nacht um ihr haͤuß-
lein lieff/ und ſie auff mancherley weiſe vexirete/
ja hernacher gar ein falſches geruͤcht in der ſtadt
außſprengete/ wovon die Antonia doch nicht
das geringſte wuſte/ daß nemlich ſie ihm die ehe
zugeſaget haͤtte. Welches geruͤchte/ als die A.
B.
das gegentheil bezeugete/ leichtlich ver-
ſchwand. Hernach iſt ſie durch das Frantzoͤſi-
ſche Kriegs-heer/ welches der ſtadt Ryſſel eine
belaͤgerung draͤuete/ gezwungen worden/ die-
[Spaltenumbruch] ſe ihr ſo angenehme retirade zu verlaſſen/ und
ſich auf manche wideꝛwaͤrtige reiſen zu begeben/
biß ſie endlich zu der Graͤffin Willerval/ welche
inſtaͤndigſt darum bat/ verreiſete/ woſelbſt ſie ſo
lange ihr weſen hatte/ biß ſie wiederum nach
Ryſſel zu dem ſterbenden Vater beruffen wur-
de. Derſelbe/ (welcher durch die wiederwaͤr-
tigkeiten der andern ehe in traurigkeit geſtuͤr-
tzet/ und gantz ausgemergelt war) wolte zu
erſt die Antoniam (auff angeben der ſtieff-mut-
ter) nicht ſehen/ dennoch hat er ſie kurtz vor ſei-
nem abdruck/ zu ſich holen laſſen/ ihr den Vaͤ-
terlichen ſegen mitgetheilet/ und bald darauff
ſeinen geiſt auffgegeben. Welches geſchehen
anno 1648.

14. Als der vater zur erden beſtattet worden
war/ geraͤth die Antonia in zweiffel: Denn die
zerſtreuungen/ welche entſtehen wuͤrden/ wenn
ſie ihr muͤtterliches erbtheil/ welches der vater
bißher mit unrecht beſeſſen hatte/ zu erlangen/
bemuͤhet ſeyn wuͤrde/ ſchrecketen ſie ab von der
weiteren handhabung ihrer gerechten ſache/ vor-
nemlich da ſie mit wenigem vergnuͤget war/ und
ſolcher guͤter nicht bedurffte/ welche ihr nur zur
laſt werden wuͤrden. Uber dem beſorgete ſie/
daß ſie andern aͤrgerniß geben moͤchte/ als ob ſie
gleich einem hund/ den ausgewuͤrgten ſchlamm
wieder hineinſchluckte/ indem ſie die irꝛdiſchen
guͤter/ welche ſie vormals maͤnnlich verworffen
hatte/ nun wieder annehme. Als ſie durch die-
ſe zweiffel umgetriebē wurde/ wird ihr von Gott
eingegeben/ ſie ſolte ihr recht handhaben: denn
es waͤre unrecht der ſtieff-mutter die guͤter zu laſ-
ſen/ welche ihr nicht zukaͤmen: vornemlich/
da dieſe derſelben ſich nicht zur ehre GOttes und
nutz des naͤchſten/ ſondern zu weltlichen eitel-
keiten und ihrer ſchwereren verdammniß/ ge-
brauchen wuͤrde/ hierzu kam/ daß GOtt die
Antoniam veꝛſicherte/ ſie wuͤꝛde in kuͤnfftiger zeit
ihrer guͤter ſo wol zur ehre Gottes als auch zum
heil des naͤchſten beduͤrffen. Dieſe und derglei-
chen urſachen wirckten/ daß die A. B. ohnerach-
tet ihreꝛ groſſen neigung zur ruhe und einſamkeit
ihr muͤtterliches erbtheil antrat/ und derweil/
biß die ſache ihr ende erreichte/ viele und groſſe
beſchwerlichkeiten gedultig ertrug.

15. Wie ſie hiemit noch zu thun hatte/ be-
gegnete ihr einsmals auff oͤffentlicher ſtraſſe
ein mann/ welcher Saint Sanlieu geneñet wurde/
welcher unter einem heiligen vorwand mit vie-
len ſchein-gruͤnden ſie uͤberredete/ alle ihren
fleiß/ muͤhe uñ guͤter zu erziehung armer waͤyſen/
welche ſchon in ein Hoſpital verſammlet waͤren/
anzuwenden. Die Antonia ſahe wol vorher
die unzehligen verſtreuungen und beſchwerlich-
keiten/ welche ſie aus ſo verdrießlicher uͤbung ha-
ben wuͤrde. Jndem ſie aber wuſte/ daß ein
Chriſt alle arbeit zur ehre GOttes thun ſolte/
ſo gehet ſie getroſt im November des 1653ſten
jahres in den Hoſpital; woſelbſt ſie alles in
groſſer unordnung und voll unflaths findet/ da-
mit nun dieſes wieder in richtigen ſtand geſetzet
wuͤrde/ ſo nimmt ſie eine faſt unausſprechliche
muͤhe und arbeit auff ſich/ wobey ſie dennoch
Gottes helffende gnade uͤber ihr bitten und ver-
ſtehen empfand; die maͤgdlein/ ob ſie zwar un-
wiſſend und plump gnug waren/ lerneten den-
noch ſehr leicht leſen/ ſchreiben/ nehen/ ſpinnen
und dergleichen zu erwerbung der koſt noͤthige
dinge. Uber dem wurden ſie unterrichtet in dem

grund
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="3">
          <pb facs="#f1048" n="740"/>
          <fw place="top" type="header">Th. <hi rendition="#aq">IV. Sect. III. Num. XVII. Antoinettæ</hi> Lebenslauff.</fw><lb/>
          <cb/>
          <p>12. Jn zwi&#x017F;chen wird &#x017F;ie nach Ru&#x0364;&#x017F;&#x017F;el beruf-<lb/>
fen/ daß &#x017F;ie der mutter/ welche inletzt&#x0113; zu&#x0364;gen lag/<lb/>
an die hand gienge/ und ab&#x017F;chied von ihr neh-<lb/>
me. Die&#x017F;e hat &#x017F;ich u&#x0364;ber die ankunfft ihrer toch-<lb/>
ter &#x017F;ehr gefreuet/ und GOtt hertzlich gedancket/<lb/>
auch zuletzt viel und mancherley tru&#x0364;b&#x017F;ahlen der<lb/>
A. B. vorher verku&#x0364;ndiget/ da &#x017F;ie denn bald<lb/>
darauff ihre &#x017F;eele in GOttes hand gegeben. Als<lb/>
die leichbega&#x0364;ngniß der mutter vorbey war/<lb/>
bereitete &#x017F;ich die <hi rendition="#aq">Antonia</hi> wider die ein&#x017F;amkeit<lb/>
zu &#x017F;uchen/ der vater aber und de&#x017F;&#x017F;en freunde un-<lb/>
ter&#x017F;tunden &#x017F;ich durch beredung/ ihr Go&#x0364;ttliche<lb/>
und men&#x017F;chliche rechten auffzubu&#x0364;rden/ daß &#x017F;ie<lb/>
nemlich dem vater in der mutter haußhaltung<lb/>
hu&#x0364;lffliche hand bo&#x0364;the. Als &#x017F;ie nun durch die&#x017F;er<lb/>
men&#x017F;chen &#x017F;chluß-reden u&#x0364;berta&#x0364;ubet worden/ be-<lb/>
williget &#x017F;ie in des vaters hauß zu bleiben/ da &#x017F;ie<lb/>
denn des hauß-we&#x017F;ens al&#x017F;o &#x017F;ich angenommen/<lb/>
daß &#x017F;ie dennoch die &#x017F;eele nicht verab&#x017F;aumete/<lb/>
welcher zu gut/ &#x017F;ie ta&#x0364;glich eine gewi&#x017F;&#x017F;e zeit be-<lb/>
&#x017F;timmet hatte. Die&#x017F;e lebens-arth hat der vater<lb/>
ob &#x017F;ie ihm gleich an &#x017F;eel und leib nu&#x0364;tzlich war/<lb/>
dennoch nicht lange ertragen ko&#x0364;nnen/ denn die<lb/>
lu&#x017F;t des flei&#x017F;ches trieb ihn an zu einer heyrath mit<lb/>
einer gewi&#x017F;&#x017F;en tochter/ welche &#x017F;ich zu &#x017F;einem<lb/>
&#x017F;tande mit nichten &#x017F;chickete. Die <hi rendition="#aq">Antonia,</hi><lb/>
als &#x017F;ie einige monathe mit der &#x017F;tieffmutter zuge-<lb/>
bracht hatte/ u&#x0364;bergab ihr die her&#xA75B;&#x017F;chafft des<lb/>
hau&#x017F;es. Hernach aber wurde die gute <hi rendition="#aq">Anto-<lb/>
nia</hi> durch die unbillichkeit der neben-eingekom-<lb/>
menen &#x017F;tiffmutter aus ihres eigenen vaters<lb/>
hau&#x017F;e gleich&#x017F;am gejaget/ und das noch dazu in<lb/>
der allergro&#x0364;&#x017F;ten armuth. Sintemal der vater/<lb/>
wieder die <hi rendition="#aq">&#x017F;tatur</hi>en &#x017F;elbiger &#x017F;tadt/ die gu&#x0364;ter der<lb/>
mutter einbehielte/ und der tochter alle hu&#x0364;lffe<lb/>
ver&#x017F;agte: So gar/ daß &#x017F;ie ihren unterhalt<lb/>
durch die arbeit ihrer ha&#x0364;nde zu &#x017F;uchen gezwun-<lb/>
gen worden/ welches ihr auch nach wun&#x017F;ch ge-<lb/>
lungen: Denn in dem &#x017F;ie ma&#x0364;ßig lebete/ brauchte<lb/>
&#x017F;ie weniger mittel. Und wenn &#x017F;ie gleich in einig&#x0113;<lb/>
&#x017F;tu&#x0364;cken mangel litte/ &#x017F;o trug &#x017F;ie es gedultig/ aus<lb/>
liebe zu Gott/ welcher &#x017F;ie zu der zeit mit &#x017F;o gro&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en tro&#x0364;&#x017F;tung&#x0113; aufrichtete/ daß &#x017F;ie in ihrem gantz&#x0113;<lb/>
leb&#x1EBD; keine g&#xA75B;o&#x0364;&#x017F;&#x017F;e&#xA75B;e gei&#x017F;tliche e&#xA75B;go&#x0364;tzligkeit geno&#x017F;&#x017F;en<lb/>
hat; &#x017F;onderlich aber in der vor&#x017F;tadt <hi rendition="#aq">S. Andreæ,</hi><lb/>
wo&#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ie einige jahr in ein&#x0113; klein&#x0113; hau&#x017F;e woh-<lb/>
nete. Sie lebte fa&#x017F;t allezeit zu hau&#x017F;e. Jhre a&#x0364;lte-<lb/>
&#x017F;te &#x017F;chwe&#x017F;ter be&#x017F;uchte &#x017F;ie ja&#x0364;hrlich einmal/ &#x017F;ie aber<lb/>
kam zu der &#x017F;chwe&#x017F;ter niemals. Jhre gei&#x017F;tliche<lb/>
ergo&#x0364;tzligkeiten waren &#x017F;o groß/ daß &#x017F;ie bey nahe<lb/>
nicht wu&#x017F;te/ ob &#x017F;ie &#x017F;chon ge&#x017F;torben wa&#x0364;re/ oder<lb/>
ob &#x017F;ie noch lebete/ in dem &#x017F;ie aller creaturen ver-<lb/>
ge&#x017F;&#x017F;en hatte; ja &#x017F;ie fragte einsmals GOtt/ ob<lb/>
auch die himmli&#x017F;che freude gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er &#x017F;eyn ko&#x0364;nte.</p><lb/>
          <p>13. Die&#x017F;e ergo&#x0364;tzlichkeiten waren dennoch<lb/>
nicht &#x017F;o vollkommen/ daß &#x017F;ie nicht wa&#x0364;ren durch<lb/>
einige wiederwa&#x0364;rtigkeiten gema&#x0364;ßiget worden.<lb/>
Denn ein un&#x017F;inniger Ju&#x0364;ngling fieng an die <hi rendition="#aq">A.<lb/>
B.</hi> hefftig zu lieben/ als ihm aber die&#x017F;e wider-<lb/>
&#x017F;tund/ verkehrte er &#x017F;eine liebe in einen ra&#x017F;enden<lb/>
haß/ &#x017F;o gar/ daß er tag und nacht um ihr ha&#x0364;uß-<lb/>
lein lieff/ und &#x017F;ie auff mancherley wei&#x017F;e vexirete/<lb/>
ja hernacher gar ein fal&#x017F;ches geru&#x0364;cht in der &#x017F;tadt<lb/>
auß&#x017F;prengete/ wovon die Antonia doch nicht<lb/>
das gering&#x017F;te wu&#x017F;te/ daß nemlich &#x017F;ie ihm die ehe<lb/>
zuge&#x017F;aget ha&#x0364;tte. Welches geru&#x0364;chte/ als die <hi rendition="#aq">A.<lb/>
B.</hi> das gegentheil bezeugete/ leichtlich ver-<lb/>
&#x017F;chwand. Hernach i&#x017F;t &#x017F;ie durch das Frantzo&#x0364;&#x017F;i-<lb/>
&#x017F;che Kriegs-heer/ welches der &#x017F;tadt Ry&#x017F;&#x017F;el eine<lb/>
bela&#x0364;gerung dra&#x0364;uete/ gezwungen worden/ die-<lb/><cb/>
&#x017F;e ihr &#x017F;o angenehme retirade zu verla&#x017F;&#x017F;en/ und<lb/>
&#x017F;ich auf manche wide&#xA75B;wa&#x0364;rtige rei&#x017F;en zu begeben/<lb/>
biß &#x017F;ie endlich zu der Gra&#x0364;ffin Willerval/ welche<lb/>
in&#x017F;ta&#x0364;ndig&#x017F;t darum bat/ verrei&#x017F;ete/ wo&#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ie &#x017F;o<lb/>
lange ihr we&#x017F;en hatte/ biß &#x017F;ie wiederum nach<lb/>
Ry&#x017F;&#x017F;el zu dem &#x017F;terbenden Vater beruffen wur-<lb/>
de. Der&#x017F;elbe/ (welcher durch die wiederwa&#x0364;r-<lb/>
tigkeiten der andern ehe in traurigkeit ge&#x017F;tu&#x0364;r-<lb/>
tzet/ und gantz ausgemergelt war) wolte zu<lb/>
er&#x017F;t die Antoniam (auff angeben der &#x017F;tieff-mut-<lb/>
ter) nicht &#x017F;ehen/ dennoch hat er &#x017F;ie kurtz vor &#x017F;ei-<lb/>
nem abdruck/ zu &#x017F;ich holen la&#x017F;&#x017F;en/ ihr den Va&#x0364;-<lb/>
terlichen &#x017F;egen mitgetheilet/ und bald darauff<lb/>
&#x017F;einen gei&#x017F;t auffgegeben. Welches ge&#x017F;chehen<lb/><hi rendition="#aq">anno</hi> 1648.</p><lb/>
          <p>14. Als der vater zur erden be&#x017F;tattet worden<lb/>
war/ gera&#x0364;th die Antonia in zweiffel: Denn die<lb/>
zer&#x017F;treuungen/ welche ent&#x017F;tehen wu&#x0364;rden/ wenn<lb/>
&#x017F;ie ihr mu&#x0364;tterliches erbtheil/ welches der vater<lb/>
bißher mit unrecht be&#x017F;e&#x017F;&#x017F;en hatte/ zu erlangen/<lb/>
bemu&#x0364;het &#x017F;eyn wu&#x0364;rde/ &#x017F;chrecketen &#x017F;ie ab von der<lb/>
weiteren handhabung ihrer gerechten &#x017F;ache/ vor-<lb/>
nemlich da &#x017F;ie mit wenigem vergnu&#x0364;get war/ und<lb/>
&#x017F;olcher gu&#x0364;ter nicht bedurffte/ welche ihr nur zur<lb/>
la&#x017F;t werden wu&#x0364;rden. Uber dem be&#x017F;orgete &#x017F;ie/<lb/>
daß &#x017F;ie andern a&#x0364;rgerniß geben mo&#x0364;chte/ als ob &#x017F;ie<lb/>
gleich einem hund/ den ausgewu&#x0364;rgten &#x017F;chlamm<lb/>
wieder hinein&#x017F;chluckte/ indem &#x017F;ie die ir&#xA75B;di&#x017F;chen<lb/>
gu&#x0364;ter/ welche &#x017F;ie vormals ma&#x0364;nnlich verworffen<lb/>
hatte/ nun wieder annehme. Als &#x017F;ie durch die-<lb/>
&#x017F;e zweiffel umgetrieb&#x0113; wurde/ wird ihr von Gott<lb/>
eingegeben/ &#x017F;ie &#x017F;olte ihr recht handhaben: denn<lb/>
es wa&#x0364;re unrecht der &#x017F;tieff-mutter die gu&#x0364;ter zu la&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en/ welche ihr nicht zuka&#x0364;men: vornemlich/<lb/>
da die&#x017F;e der&#x017F;elben &#x017F;ich nicht zur ehre GOttes und<lb/>
nutz des na&#x0364;ch&#x017F;ten/ &#x017F;ondern zu weltlichen eitel-<lb/>
keiten und ihrer &#x017F;chwereren verdammniß/ ge-<lb/>
brauchen wu&#x0364;rde/ hierzu kam/ daß GOtt die<lb/>
Antoniam ve&#xA75B;&#x017F;icherte/ &#x017F;ie wu&#x0364;&#xA75B;de in ku&#x0364;nfftiger zeit<lb/>
ihrer gu&#x0364;ter &#x017F;o wol zur ehre Gottes als auch zum<lb/>
heil des na&#x0364;ch&#x017F;ten bedu&#x0364;rffen. Die&#x017F;e und derglei-<lb/>
chen ur&#x017F;achen wirckten/ daß die <hi rendition="#aq">A. B.</hi> ohnerach-<lb/>
tet ihre&#xA75B; gro&#x017F;&#x017F;en neigung zur ruhe und ein&#x017F;amkeit<lb/>
ihr mu&#x0364;tterliches erbtheil antrat/ und derweil/<lb/>
biß die &#x017F;ache ihr ende erreichte/ viele und gro&#x017F;&#x017F;e<lb/>
be&#x017F;chwerlichkeiten gedultig ertrug.</p><lb/>
          <p>15. Wie &#x017F;ie hiemit noch zu thun hatte/ be-<lb/>
gegnete ihr einsmals auff o&#x0364;ffentlicher &#x017F;tra&#x017F;&#x017F;e<lb/>
ein mann/ welcher <hi rendition="#aq">Saint Sanlieu</hi> genen&#x0303;et wurde/<lb/>
welcher unter einem heiligen vorwand mit vie-<lb/>
len &#x017F;chein-gru&#x0364;nden &#x017F;ie u&#x0364;berredete/ alle ihren<lb/>
fleiß/ mu&#x0364;he un&#x0303; gu&#x0364;ter zu erziehung armer wa&#x0364;y&#x017F;en/<lb/>
welche &#x017F;chon in ein Ho&#x017F;pital ver&#x017F;ammlet wa&#x0364;ren/<lb/>
anzuwenden. Die Antonia &#x017F;ahe wol vorher<lb/>
die unzehligen ver&#x017F;treuungen und be&#x017F;chwerlich-<lb/>
keiten/ welche &#x017F;ie aus &#x017F;o verdrießlicher u&#x0364;bung ha-<lb/>
ben wu&#x0364;rde. Jndem &#x017F;ie aber wu&#x017F;te/ daß ein<lb/>
Chri&#x017F;t alle arbeit zur ehre GOttes thun &#x017F;olte/<lb/>
&#x017F;o gehet &#x017F;ie getro&#x017F;t im November des 1653&#x017F;ten<lb/>
jahres in den Ho&#x017F;pital; wo&#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ie alles in<lb/>
gro&#x017F;&#x017F;er unordnung und voll unflaths findet/ da-<lb/>
mit nun die&#x017F;es wieder in richtigen &#x017F;tand ge&#x017F;etzet<lb/>
wu&#x0364;rde/ &#x017F;o nimmt &#x017F;ie eine fa&#x017F;t unaus&#x017F;prechliche<lb/>
mu&#x0364;he und arbeit auff &#x017F;ich/ wobey &#x017F;ie dennoch<lb/>
Gottes helffende gnade u&#x0364;ber ihr bitten und ver-<lb/>
&#x017F;tehen empfand; die ma&#x0364;gdlein/ ob &#x017F;ie zwar un-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;end und plump gnug waren/ lerneten den-<lb/>
noch &#x017F;ehr leicht le&#x017F;en/ &#x017F;chreiben/ nehen/ &#x017F;pinnen<lb/>
und dergleichen zu erwerbung der ko&#x017F;t no&#x0364;thige<lb/>
dinge. Uber dem wurden &#x017F;ie unterrichtet in dem<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">grund</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[740/1048] Th. IV. Sect. III. Num. XVII. Antoinettæ Lebenslauff. 12. Jn zwiſchen wird ſie nach Ruͤſſel beruf- fen/ daß ſie der mutter/ welche inletztē zuͤgen lag/ an die hand gienge/ und abſchied von ihr neh- me. Dieſe hat ſich uͤber die ankunfft ihrer toch- ter ſehr gefreuet/ und GOtt hertzlich gedancket/ auch zuletzt viel und mancherley truͤbſahlen der A. B. vorher verkuͤndiget/ da ſie denn bald darauff ihre ſeele in GOttes hand gegeben. Als die leichbegaͤngniß der mutter vorbey war/ bereitete ſich die Antonia wider die einſamkeit zu ſuchen/ der vater aber und deſſen freunde un- terſtunden ſich durch beredung/ ihr Goͤttliche und menſchliche rechten auffzubuͤrden/ daß ſie nemlich dem vater in der mutter haußhaltung huͤlffliche hand boͤthe. Als ſie nun durch dieſer menſchen ſchluß-reden uͤbertaͤubet worden/ be- williget ſie in des vaters hauß zu bleiben/ da ſie denn des hauß-weſens alſo ſich angenommen/ daß ſie dennoch die ſeele nicht verabſaumete/ welcher zu gut/ ſie taͤglich eine gewiſſe zeit be- ſtimmet hatte. Dieſe lebens-arth hat der vater ob ſie ihm gleich an ſeel und leib nuͤtzlich war/ dennoch nicht lange ertragen koͤnnen/ denn die luſt des fleiſches trieb ihn an zu einer heyrath mit einer gewiſſen tochter/ welche ſich zu ſeinem ſtande mit nichten ſchickete. Die Antonia, als ſie einige monathe mit der ſtieffmutter zuge- bracht hatte/ uͤbergab ihr die herꝛſchafft des hauſes. Hernach aber wurde die gute Anto- nia durch die unbillichkeit der neben-eingekom- menen ſtiffmutter aus ihres eigenen vaters hauſe gleichſam gejaget/ und das noch dazu in der allergroͤſten armuth. Sintemal der vater/ wieder die ſtaturen ſelbiger ſtadt/ die guͤter der mutter einbehielte/ und der tochter alle huͤlffe verſagte: So gar/ daß ſie ihren unterhalt durch die arbeit ihrer haͤnde zu ſuchen gezwun- gen worden/ welches ihr auch nach wunſch ge- lungen: Denn in dem ſie maͤßig lebete/ brauchte ſie weniger mittel. Und wenn ſie gleich in einigē ſtuͤcken mangel litte/ ſo trug ſie es gedultig/ aus liebe zu Gott/ welcher ſie zu der zeit mit ſo groſ- ſen troͤſtungē aufrichtete/ daß ſie in ihrem gantzē lebẽ keine gꝛoͤſſeꝛe geiſtliche eꝛgoͤtzligkeit genoſſen hat; ſonderlich aber in der vorſtadt S. Andreæ, woſelbſt ſie einige jahr in einē kleinē hauſe woh- nete. Sie lebte faſt allezeit zu hauſe. Jhre aͤlte- ſte ſchweſter beſuchte ſie jaͤhrlich einmal/ ſie aber kam zu der ſchweſter niemals. Jhre geiſtliche ergoͤtzligkeiten waren ſo groß/ daß ſie bey nahe nicht wuſte/ ob ſie ſchon geſtorben waͤre/ oder ob ſie noch lebete/ in dem ſie aller creaturen ver- geſſen hatte; ja ſie fragte einsmals GOtt/ ob auch die himmliſche freude groͤſſer ſeyn koͤnte. 13. Dieſe ergoͤtzlichkeiten waren dennoch nicht ſo vollkommen/ daß ſie nicht waͤren durch einige wiederwaͤrtigkeiten gemaͤßiget worden. Denn ein unſinniger Juͤngling fieng an die A. B. hefftig zu lieben/ als ihm aber dieſe wider- ſtund/ verkehrte er ſeine liebe in einen raſenden haß/ ſo gar/ daß er tag und nacht um ihr haͤuß- lein lieff/ und ſie auff mancherley weiſe vexirete/ ja hernacher gar ein falſches geruͤcht in der ſtadt außſprengete/ wovon die Antonia doch nicht das geringſte wuſte/ daß nemlich ſie ihm die ehe zugeſaget haͤtte. Welches geruͤchte/ als die A. B. das gegentheil bezeugete/ leichtlich ver- ſchwand. Hernach iſt ſie durch das Frantzoͤſi- ſche Kriegs-heer/ welches der ſtadt Ryſſel eine belaͤgerung draͤuete/ gezwungen worden/ die- ſe ihr ſo angenehme retirade zu verlaſſen/ und ſich auf manche wideꝛwaͤrtige reiſen zu begeben/ biß ſie endlich zu der Graͤffin Willerval/ welche inſtaͤndigſt darum bat/ verreiſete/ woſelbſt ſie ſo lange ihr weſen hatte/ biß ſie wiederum nach Ryſſel zu dem ſterbenden Vater beruffen wur- de. Derſelbe/ (welcher durch die wiederwaͤr- tigkeiten der andern ehe in traurigkeit geſtuͤr- tzet/ und gantz ausgemergelt war) wolte zu erſt die Antoniam (auff angeben der ſtieff-mut- ter) nicht ſehen/ dennoch hat er ſie kurtz vor ſei- nem abdruck/ zu ſich holen laſſen/ ihr den Vaͤ- terlichen ſegen mitgetheilet/ und bald darauff ſeinen geiſt auffgegeben. Welches geſchehen anno 1648. 14. Als der vater zur erden beſtattet worden war/ geraͤth die Antonia in zweiffel: Denn die zerſtreuungen/ welche entſtehen wuͤrden/ wenn ſie ihr muͤtterliches erbtheil/ welches der vater bißher mit unrecht beſeſſen hatte/ zu erlangen/ bemuͤhet ſeyn wuͤrde/ ſchrecketen ſie ab von der weiteren handhabung ihrer gerechten ſache/ vor- nemlich da ſie mit wenigem vergnuͤget war/ und ſolcher guͤter nicht bedurffte/ welche ihr nur zur laſt werden wuͤrden. Uber dem beſorgete ſie/ daß ſie andern aͤrgerniß geben moͤchte/ als ob ſie gleich einem hund/ den ausgewuͤrgten ſchlamm wieder hineinſchluckte/ indem ſie die irꝛdiſchen guͤter/ welche ſie vormals maͤnnlich verworffen hatte/ nun wieder annehme. Als ſie durch die- ſe zweiffel umgetriebē wurde/ wird ihr von Gott eingegeben/ ſie ſolte ihr recht handhaben: denn es waͤre unrecht der ſtieff-mutter die guͤter zu laſ- ſen/ welche ihr nicht zukaͤmen: vornemlich/ da dieſe derſelben ſich nicht zur ehre GOttes und nutz des naͤchſten/ ſondern zu weltlichen eitel- keiten und ihrer ſchwereren verdammniß/ ge- brauchen wuͤrde/ hierzu kam/ daß GOtt die Antoniam veꝛſicherte/ ſie wuͤꝛde in kuͤnfftiger zeit ihrer guͤter ſo wol zur ehre Gottes als auch zum heil des naͤchſten beduͤrffen. Dieſe und derglei- chen urſachen wirckten/ daß die A. B. ohnerach- tet ihreꝛ groſſen neigung zur ruhe und einſamkeit ihr muͤtterliches erbtheil antrat/ und derweil/ biß die ſache ihr ende erreichte/ viele und groſſe beſchwerlichkeiten gedultig ertrug. 15. Wie ſie hiemit noch zu thun hatte/ be- gegnete ihr einsmals auff oͤffentlicher ſtraſſe ein mann/ welcher Saint Sanlieu geneñet wurde/ welcher unter einem heiligen vorwand mit vie- len ſchein-gruͤnden ſie uͤberredete/ alle ihren fleiß/ muͤhe uñ guͤter zu erziehung armer waͤyſen/ welche ſchon in ein Hoſpital verſammlet waͤren/ anzuwenden. Die Antonia ſahe wol vorher die unzehligen verſtreuungen und beſchwerlich- keiten/ welche ſie aus ſo verdrießlicher uͤbung ha- ben wuͤrde. Jndem ſie aber wuſte/ daß ein Chriſt alle arbeit zur ehre GOttes thun ſolte/ ſo gehet ſie getroſt im November des 1653ſten jahres in den Hoſpital; woſelbſt ſie alles in groſſer unordnung und voll unflaths findet/ da- mit nun dieſes wieder in richtigen ſtand geſetzet wuͤrde/ ſo nimmt ſie eine faſt unausſprechliche muͤhe und arbeit auff ſich/ wobey ſie dennoch Gottes helffende gnade uͤber ihr bitten und ver- ſtehen empfand; die maͤgdlein/ ob ſie zwar un- wiſſend und plump gnug waren/ lerneten den- noch ſehr leicht leſen/ ſchreiben/ nehen/ ſpinnen und dergleichen zu erwerbung der koſt noͤthige dinge. Uber dem wurden ſie unterrichtet in dem grund

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/1048
Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 740. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/1048>, abgerufen am 02.05.2024.