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Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.

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Th. IV. Sect. III. Num. XVII. Antoinettae Lebenslauff.
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12. Jn zwischen wird sie nach Rüssel beruf-
fen/ daß sie der mutter/ welche inletzte zügen lag/
an die hand gienge/ und abschied von ihr neh-
me. Diese hat sich über die ankunfft ihrer toch-
ter sehr gefreuet/ und GOtt hertzlich gedancket/
auch zuletzt viel und mancherley trübsahlen der
A. B. vorher verkündiget/ da sie denn bald
darauff ihre seele in GOttes hand gegeben. Als
die leichbegängniß der mutter vorbey war/
bereitete sich die Antonia wider die einsamkeit
zu suchen/ der vater aber und dessen freunde un-
terstunden sich durch beredung/ ihr Göttliche
und menschliche rechten auffzubürden/ daß sie
nemlich dem vater in der mutter haußhaltung
hülffliche hand böthe. Als sie nun durch dieser
menschen schluß-reden übertäubet worden/ be-
williget sie in des vaters hauß zu bleiben/ da sie
denn des hauß-wesens also sich angenommen/
daß sie dennoch die seele nicht verabsaumete/
welcher zu gut/ sie täglich eine gewisse zeit be-
stimmet hatte. Diese lebens-arth hat der vater
ob sie ihm gleich an seel und leib nützlich war/
dennoch nicht lange ertragen können/ denn die
lust des fleisches trieb ihn an zu einer heyrath mit
einer gewissen tochter/ welche sich zu seinem
stande mit nichten schickete. Die Antonia,
als sie einige monathe mit der stieffmutter zuge-
bracht hatte/ übergab ihr die herrschafft des
hauses. Hernach aber wurde die gute Anto-
nia
durch die unbillichkeit der neben-eingekom-
menen stiffmutter aus ihres eigenen vaters
hause gleichsam gejaget/ und das noch dazu in
der allergrösten armuth. Sintemal der vater/
wieder die staturen selbiger stadt/ die güter der
mutter einbehielte/ und der tochter alle hülffe
versagte: So gar/ daß sie ihren unterhalt
durch die arbeit ihrer hände zu suchen gezwun-
gen worden/ welches ihr auch nach wunsch ge-
lungen: Denn in dem sie mäßig lebete/ brauchte
sie weniger mittel. Und wenn sie gleich in einige
stücken mangel litte/ so trug sie es gedultig/ aus
liebe zu Gott/ welcher sie zu der zeit mit so gros-
sen tröstunge aufrichtete/ daß sie in ihrem gantze
leben keine grössere geistliche ergötzligkeit genossen
hat; sonderlich aber in der vorstadt S. Andreae,
woselbst sie einige jahr in eine kleine hause woh-
nete. Sie lebte fast allezeit zu hause. Jhre älte-
ste schwester besuchte sie jährlich einmal/ sie aber
kam zu der schwester niemals. Jhre geistliche
ergötzligkeiten waren so groß/ daß sie bey nahe
nicht wuste/ ob sie schon gestorben wäre/ oder
ob sie noch lebete/ in dem sie aller creaturen ver-
gessen hatte; ja sie fragte einsmals GOtt/ ob
auch die himmlische freude grösser seyn könte.

13. Diese ergötzlichkeiten waren dennoch
nicht so vollkommen/ daß sie nicht wären durch
einige wiederwärtigkeiten gemäßiget worden.
Denn ein unsinniger Jüngling fieng an die A.
B.
hefftig zu lieben/ als ihm aber diese wider-
stund/ verkehrte er seine liebe in einen rasenden
haß/ so gar/ daß er tag und nacht um ihr häuß-
lein lieff/ und sie auff mancherley weise vexirete/
ja hernacher gar ein falsches gerücht in der stadt
außsprengete/ wovon die Antonia doch nicht
das geringste wuste/ daß nemlich sie ihm die ehe
zugesaget hätte. Welches gerüchte/ als die A.
B.
das gegentheil bezeugete/ leichtlich ver-
schwand. Hernach ist sie durch das Frantzösi-
sche Kriegs-heer/ welches der stadt Ryssel eine
belägerung dräuete/ gezwungen worden/ die-
[Spaltenumbruch] se ihr so angenehme retirade zu verlassen/ und
sich auf manche widerwärtige reisen zu begeben/
biß sie endlich zu der Gräffin Willerval/ welche
inständigst darum bat/ verreisete/ woselbst sie so
lange ihr wesen hatte/ biß sie wiederum nach
Ryssel zu dem sterbenden Vater beruffen wur-
de. Derselbe/ (welcher durch die wiederwär-
tigkeiten der andern ehe in traurigkeit gestür-
tzet/ und gantz ausgemergelt war) wolte zu
erst die Antoniam (auff angeben der stieff-mut-
ter) nicht sehen/ dennoch hat er sie kurtz vor sei-
nem abdruck/ zu sich holen lassen/ ihr den Vä-
terlichen segen mitgetheilet/ und bald darauff
seinen geist auffgegeben. Welches geschehen
anno 1648.

14. Als der vater zur erden bestattet worden
war/ geräth die Antonia in zweiffel: Denn die
zerstreuungen/ welche entstehen würden/ wenn
sie ihr mütterliches erbtheil/ welches der vater
bißher mit unrecht besessen hatte/ zu erlangen/
bemühet seyn würde/ schrecketen sie ab von der
weiteren handhabung ihrer gerechten sache/ vor-
nemlich da sie mit wenigem vergnüget war/ und
solcher güter nicht bedurffte/ welche ihr nur zur
last werden würden. Uber dem besorgete sie/
daß sie andern ärgerniß geben möchte/ als ob sie
gleich einem hund/ den ausgewürgten schlamm
wieder hineinschluckte/ indem sie die irrdischen
güter/ welche sie vormals männlich verworffen
hatte/ nun wieder annehme. Als sie durch die-
se zweiffel umgetriebe wurde/ wird ihr von Gott
eingegeben/ sie solte ihr recht handhaben: denn
es wäre unrecht der stieff-mutter die güter zu las-
sen/ welche ihr nicht zukämen: vornemlich/
da diese derselben sich nicht zur ehre GOttes und
nutz des nächsten/ sondern zu weltlichen eitel-
keiten und ihrer schwereren verdammniß/ ge-
brauchen würde/ hierzu kam/ daß GOtt die
Antoniam versicherte/ sie würde in künfftiger zeit
ihrer güter so wol zur ehre Gottes als auch zum
heil des nächsten bedürffen. Diese und derglei-
chen ursachen wirckten/ daß die A. B. ohnerach-
tet ihrer grossen neigung zur ruhe und einsamkeit
ihr mütterliches erbtheil antrat/ und derweil/
biß die sache ihr ende erreichte/ viele und grosse
beschwerlichkeiten gedultig ertrug.

15. Wie sie hiemit noch zu thun hatte/ be-
gegnete ihr einsmals auff öffentlicher strasse
ein mann/ welcher Saint Sanlieu genennet wurde/
welcher unter einem heiligen vorwand mit vie-
len schein-gründen sie überredete/ alle ihren
fleiß/ mühe und güter zu erziehung armer wäysen/
welche schon in ein Hospital versammlet wären/
anzuwenden. Die Antonia sahe wol vorher
die unzehligen verstreuungen und beschwerlich-
keiten/ welche sie aus so verdrießlicher übung ha-
ben würde. Jndem sie aber wuste/ daß ein
Christ alle arbeit zur ehre GOttes thun solte/
so gehet sie getrost im November des 1653sten
jahres in den Hospital; woselbst sie alles in
grosser unordnung und voll unflaths findet/ da-
mit nun dieses wieder in richtigen stand gesetzet
würde/ so nimmt sie eine fast unaussprechliche
mühe und arbeit auff sich/ wobey sie dennoch
Gottes helffende gnade über ihr bitten und ver-
stehen empfand; die mägdlein/ ob sie zwar un-
wissend und plump gnug waren/ lerneten den-
noch sehr leicht lesen/ schreiben/ nehen/ spinnen
und dergleichen zu erwerbung der kost nöthige
dinge. Uber dem wurden sie unterrichtet in dem

grund
Th. IV. Sect. III. Num. XVII. Antoinettæ Lebenslauff.
[Spaltenumbruch]

12. Jn zwiſchen wird ſie nach Ruͤſſel beruf-
fen/ daß ſie der mutter/ welche inletztē zuͤgen lag/
an die hand gienge/ und abſchied von ihr neh-
me. Dieſe hat ſich uͤber die ankunfft ihrer toch-
ter ſehr gefreuet/ und GOtt hertzlich gedancket/
auch zuletzt viel und mancherley truͤbſahlen der
A. B. vorher verkuͤndiget/ da ſie denn bald
darauff ihre ſeele in GOttes hand gegeben. Als
die leichbegaͤngniß der mutter vorbey war/
bereitete ſich die Antonia wider die einſamkeit
zu ſuchen/ der vater aber und deſſen freunde un-
terſtunden ſich durch beredung/ ihr Goͤttliche
und menſchliche rechten auffzubuͤrden/ daß ſie
nemlich dem vater in der mutter haußhaltung
huͤlffliche hand boͤthe. Als ſie nun durch dieſer
menſchen ſchluß-reden uͤbertaͤubet worden/ be-
williget ſie in des vaters hauß zu bleiben/ da ſie
denn des hauß-weſens alſo ſich angenommen/
daß ſie dennoch die ſeele nicht verabſaumete/
welcher zu gut/ ſie taͤglich eine gewiſſe zeit be-
ſtimmet hatte. Dieſe lebens-arth hat der vater
ob ſie ihm gleich an ſeel und leib nuͤtzlich war/
dennoch nicht lange ertragen koͤnnen/ denn die
luſt des fleiſches trieb ihn an zu einer heyrath mit
einer gewiſſen tochter/ welche ſich zu ſeinem
ſtande mit nichten ſchickete. Die Antonia,
als ſie einige monathe mit der ſtieffmutter zuge-
bracht hatte/ uͤbergab ihr die herꝛſchafft des
hauſes. Hernach aber wurde die gute Anto-
nia
durch die unbillichkeit der neben-eingekom-
menen ſtiffmutter aus ihres eigenen vaters
hauſe gleichſam gejaget/ und das noch dazu in
der allergroͤſten armuth. Sintemal der vater/
wieder die ſtaturen ſelbiger ſtadt/ die guͤter der
mutter einbehielte/ und der tochter alle huͤlffe
verſagte: So gar/ daß ſie ihren unterhalt
durch die arbeit ihrer haͤnde zu ſuchen gezwun-
gen worden/ welches ihr auch nach wunſch ge-
lungen: Denn in dem ſie maͤßig lebete/ brauchte
ſie weniger mittel. Und wenn ſie gleich in einigē
ſtuͤcken mangel litte/ ſo trug ſie es gedultig/ aus
liebe zu Gott/ welcher ſie zu der zeit mit ſo groſ-
ſen troͤſtungē aufrichtete/ daß ſie in ihrem gantzē
lebẽ keine gꝛoͤſſeꝛe geiſtliche eꝛgoͤtzligkeit genoſſen
hat; ſonderlich aber in der vorſtadt S. Andreæ,
woſelbſt ſie einige jahr in einē kleinē hauſe woh-
nete. Sie lebte faſt allezeit zu hauſe. Jhre aͤlte-
ſte ſchweſter beſuchte ſie jaͤhrlich einmal/ ſie aber
kam zu der ſchweſter niemals. Jhre geiſtliche
ergoͤtzligkeiten waren ſo groß/ daß ſie bey nahe
nicht wuſte/ ob ſie ſchon geſtorben waͤre/ oder
ob ſie noch lebete/ in dem ſie aller creaturen ver-
geſſen hatte; ja ſie fragte einsmals GOtt/ ob
auch die himmliſche freude groͤſſer ſeyn koͤnte.

13. Dieſe ergoͤtzlichkeiten waren dennoch
nicht ſo vollkommen/ daß ſie nicht waͤren durch
einige wiederwaͤrtigkeiten gemaͤßiget worden.
Denn ein unſinniger Juͤngling fieng an die A.
B.
hefftig zu lieben/ als ihm aber dieſe wider-
ſtund/ verkehrte er ſeine liebe in einen raſenden
haß/ ſo gar/ daß er tag und nacht um ihr haͤuß-
lein lieff/ und ſie auff mancherley weiſe vexirete/
ja hernacher gar ein falſches geruͤcht in der ſtadt
außſprengete/ wovon die Antonia doch nicht
das geringſte wuſte/ daß nemlich ſie ihm die ehe
zugeſaget haͤtte. Welches geruͤchte/ als die A.
B.
das gegentheil bezeugete/ leichtlich ver-
ſchwand. Hernach iſt ſie durch das Frantzoͤſi-
ſche Kriegs-heer/ welches der ſtadt Ryſſel eine
belaͤgerung draͤuete/ gezwungen worden/ die-
[Spaltenumbruch] ſe ihr ſo angenehme retirade zu verlaſſen/ und
ſich auf manche wideꝛwaͤrtige reiſen zu begeben/
biß ſie endlich zu der Graͤffin Willerval/ welche
inſtaͤndigſt darum bat/ verreiſete/ woſelbſt ſie ſo
lange ihr weſen hatte/ biß ſie wiederum nach
Ryſſel zu dem ſterbenden Vater beruffen wur-
de. Derſelbe/ (welcher durch die wiederwaͤr-
tigkeiten der andern ehe in traurigkeit geſtuͤr-
tzet/ und gantz ausgemergelt war) wolte zu
erſt die Antoniam (auff angeben der ſtieff-mut-
ter) nicht ſehen/ dennoch hat er ſie kurtz vor ſei-
nem abdruck/ zu ſich holen laſſen/ ihr den Vaͤ-
terlichen ſegen mitgetheilet/ und bald darauff
ſeinen geiſt auffgegeben. Welches geſchehen
anno 1648.

14. Als der vater zur erden beſtattet worden
war/ geraͤth die Antonia in zweiffel: Denn die
zerſtreuungen/ welche entſtehen wuͤrden/ wenn
ſie ihr muͤtterliches erbtheil/ welches der vater
bißher mit unrecht beſeſſen hatte/ zu erlangen/
bemuͤhet ſeyn wuͤrde/ ſchrecketen ſie ab von der
weiteren handhabung ihrer gerechten ſache/ vor-
nemlich da ſie mit wenigem vergnuͤget war/ und
ſolcher guͤter nicht bedurffte/ welche ihr nur zur
laſt werden wuͤrden. Uber dem beſorgete ſie/
daß ſie andern aͤrgerniß geben moͤchte/ als ob ſie
gleich einem hund/ den ausgewuͤrgten ſchlamm
wieder hineinſchluckte/ indem ſie die irꝛdiſchen
guͤter/ welche ſie vormals maͤnnlich verworffen
hatte/ nun wieder annehme. Als ſie durch die-
ſe zweiffel umgetriebē wurde/ wird ihr von Gott
eingegeben/ ſie ſolte ihr recht handhaben: denn
es waͤre unrecht der ſtieff-mutter die guͤter zu laſ-
ſen/ welche ihr nicht zukaͤmen: vornemlich/
da dieſe derſelben ſich nicht zur ehre GOttes und
nutz des naͤchſten/ ſondern zu weltlichen eitel-
keiten und ihrer ſchwereren verdammniß/ ge-
brauchen wuͤrde/ hierzu kam/ daß GOtt die
Antoniam veꝛſicherte/ ſie wuͤꝛde in kuͤnfftiger zeit
ihrer guͤter ſo wol zur ehre Gottes als auch zum
heil des naͤchſten beduͤrffen. Dieſe und derglei-
chen urſachen wirckten/ daß die A. B. ohnerach-
tet ihreꝛ groſſen neigung zur ruhe und einſamkeit
ihr muͤtterliches erbtheil antrat/ und derweil/
biß die ſache ihr ende erreichte/ viele und groſſe
beſchwerlichkeiten gedultig ertrug.

15. Wie ſie hiemit noch zu thun hatte/ be-
gegnete ihr einsmals auff oͤffentlicher ſtraſſe
ein mann/ welcher Saint Sanlieu geneñet wurde/
welcher unter einem heiligen vorwand mit vie-
len ſchein-gruͤnden ſie uͤberredete/ alle ihren
fleiß/ muͤhe uñ guͤter zu erziehung armer waͤyſen/
welche ſchon in ein Hoſpital verſammlet waͤren/
anzuwenden. Die Antonia ſahe wol vorher
die unzehligen verſtreuungen und beſchwerlich-
keiten/ welche ſie aus ſo verdrießlicher uͤbung ha-
ben wuͤrde. Jndem ſie aber wuſte/ daß ein
Chriſt alle arbeit zur ehre GOttes thun ſolte/
ſo gehet ſie getroſt im November des 1653ſten
jahres in den Hoſpital; woſelbſt ſie alles in
groſſer unordnung und voll unflaths findet/ da-
mit nun dieſes wieder in richtigen ſtand geſetzet
wuͤrde/ ſo nimmt ſie eine faſt unausſprechliche
muͤhe und arbeit auff ſich/ wobey ſie dennoch
Gottes helffende gnade uͤber ihr bitten und ver-
ſtehen empfand; die maͤgdlein/ ob ſie zwar un-
wiſſend und plump gnug waren/ lerneten den-
noch ſehr leicht leſen/ ſchreiben/ nehen/ ſpinnen
und dergleichen zu erwerbung der koſt noͤthige
dinge. Uber dem wurden ſie unterrichtet in dem

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[740/1048] Th. IV. Sect. III. Num. XVII. Antoinettæ Lebenslauff. 12. Jn zwiſchen wird ſie nach Ruͤſſel beruf- fen/ daß ſie der mutter/ welche inletztē zuͤgen lag/ an die hand gienge/ und abſchied von ihr neh- me. Dieſe hat ſich uͤber die ankunfft ihrer toch- ter ſehr gefreuet/ und GOtt hertzlich gedancket/ auch zuletzt viel und mancherley truͤbſahlen der A. B. vorher verkuͤndiget/ da ſie denn bald darauff ihre ſeele in GOttes hand gegeben. Als die leichbegaͤngniß der mutter vorbey war/ bereitete ſich die Antonia wider die einſamkeit zu ſuchen/ der vater aber und deſſen freunde un- terſtunden ſich durch beredung/ ihr Goͤttliche und menſchliche rechten auffzubuͤrden/ daß ſie nemlich dem vater in der mutter haußhaltung huͤlffliche hand boͤthe. Als ſie nun durch dieſer menſchen ſchluß-reden uͤbertaͤubet worden/ be- williget ſie in des vaters hauß zu bleiben/ da ſie denn des hauß-weſens alſo ſich angenommen/ daß ſie dennoch die ſeele nicht verabſaumete/ welcher zu gut/ ſie taͤglich eine gewiſſe zeit be- ſtimmet hatte. Dieſe lebens-arth hat der vater ob ſie ihm gleich an ſeel und leib nuͤtzlich war/ dennoch nicht lange ertragen koͤnnen/ denn die luſt des fleiſches trieb ihn an zu einer heyrath mit einer gewiſſen tochter/ welche ſich zu ſeinem ſtande mit nichten ſchickete. Die Antonia, als ſie einige monathe mit der ſtieffmutter zuge- bracht hatte/ uͤbergab ihr die herꝛſchafft des hauſes. Hernach aber wurde die gute Anto- nia durch die unbillichkeit der neben-eingekom- menen ſtiffmutter aus ihres eigenen vaters hauſe gleichſam gejaget/ und das noch dazu in der allergroͤſten armuth. Sintemal der vater/ wieder die ſtaturen ſelbiger ſtadt/ die guͤter der mutter einbehielte/ und der tochter alle huͤlffe verſagte: So gar/ daß ſie ihren unterhalt durch die arbeit ihrer haͤnde zu ſuchen gezwun- gen worden/ welches ihr auch nach wunſch ge- lungen: Denn in dem ſie maͤßig lebete/ brauchte ſie weniger mittel. Und wenn ſie gleich in einigē ſtuͤcken mangel litte/ ſo trug ſie es gedultig/ aus liebe zu Gott/ welcher ſie zu der zeit mit ſo groſ- ſen troͤſtungē aufrichtete/ daß ſie in ihrem gantzē lebẽ keine gꝛoͤſſeꝛe geiſtliche eꝛgoͤtzligkeit genoſſen hat; ſonderlich aber in der vorſtadt S. Andreæ, woſelbſt ſie einige jahr in einē kleinē hauſe woh- nete. Sie lebte faſt allezeit zu hauſe. Jhre aͤlte- ſte ſchweſter beſuchte ſie jaͤhrlich einmal/ ſie aber kam zu der ſchweſter niemals. Jhre geiſtliche ergoͤtzligkeiten waren ſo groß/ daß ſie bey nahe nicht wuſte/ ob ſie ſchon geſtorben waͤre/ oder ob ſie noch lebete/ in dem ſie aller creaturen ver- geſſen hatte; ja ſie fragte einsmals GOtt/ ob auch die himmliſche freude groͤſſer ſeyn koͤnte. 13. Dieſe ergoͤtzlichkeiten waren dennoch nicht ſo vollkommen/ daß ſie nicht waͤren durch einige wiederwaͤrtigkeiten gemaͤßiget worden. Denn ein unſinniger Juͤngling fieng an die A. B. hefftig zu lieben/ als ihm aber dieſe wider- ſtund/ verkehrte er ſeine liebe in einen raſenden haß/ ſo gar/ daß er tag und nacht um ihr haͤuß- lein lieff/ und ſie auff mancherley weiſe vexirete/ ja hernacher gar ein falſches geruͤcht in der ſtadt außſprengete/ wovon die Antonia doch nicht das geringſte wuſte/ daß nemlich ſie ihm die ehe zugeſaget haͤtte. Welches geruͤchte/ als die A. B. das gegentheil bezeugete/ leichtlich ver- ſchwand. Hernach iſt ſie durch das Frantzoͤſi- ſche Kriegs-heer/ welches der ſtadt Ryſſel eine belaͤgerung draͤuete/ gezwungen worden/ die- ſe ihr ſo angenehme retirade zu verlaſſen/ und ſich auf manche wideꝛwaͤrtige reiſen zu begeben/ biß ſie endlich zu der Graͤffin Willerval/ welche inſtaͤndigſt darum bat/ verreiſete/ woſelbſt ſie ſo lange ihr weſen hatte/ biß ſie wiederum nach Ryſſel zu dem ſterbenden Vater beruffen wur- de. Derſelbe/ (welcher durch die wiederwaͤr- tigkeiten der andern ehe in traurigkeit geſtuͤr- tzet/ und gantz ausgemergelt war) wolte zu erſt die Antoniam (auff angeben der ſtieff-mut- ter) nicht ſehen/ dennoch hat er ſie kurtz vor ſei- nem abdruck/ zu ſich holen laſſen/ ihr den Vaͤ- terlichen ſegen mitgetheilet/ und bald darauff ſeinen geiſt auffgegeben. Welches geſchehen anno 1648. 14. Als der vater zur erden beſtattet worden war/ geraͤth die Antonia in zweiffel: Denn die zerſtreuungen/ welche entſtehen wuͤrden/ wenn ſie ihr muͤtterliches erbtheil/ welches der vater bißher mit unrecht beſeſſen hatte/ zu erlangen/ bemuͤhet ſeyn wuͤrde/ ſchrecketen ſie ab von der weiteren handhabung ihrer gerechten ſache/ vor- nemlich da ſie mit wenigem vergnuͤget war/ und ſolcher guͤter nicht bedurffte/ welche ihr nur zur laſt werden wuͤrden. Uber dem beſorgete ſie/ daß ſie andern aͤrgerniß geben moͤchte/ als ob ſie gleich einem hund/ den ausgewuͤrgten ſchlamm wieder hineinſchluckte/ indem ſie die irꝛdiſchen guͤter/ welche ſie vormals maͤnnlich verworffen hatte/ nun wieder annehme. Als ſie durch die- ſe zweiffel umgetriebē wurde/ wird ihr von Gott eingegeben/ ſie ſolte ihr recht handhaben: denn es waͤre unrecht der ſtieff-mutter die guͤter zu laſ- ſen/ welche ihr nicht zukaͤmen: vornemlich/ da dieſe derſelben ſich nicht zur ehre GOttes und nutz des naͤchſten/ ſondern zu weltlichen eitel- keiten und ihrer ſchwereren verdammniß/ ge- brauchen wuͤrde/ hierzu kam/ daß GOtt die Antoniam veꝛſicherte/ ſie wuͤꝛde in kuͤnfftiger zeit ihrer guͤter ſo wol zur ehre Gottes als auch zum heil des naͤchſten beduͤrffen. Dieſe und derglei- chen urſachen wirckten/ daß die A. B. ohnerach- tet ihreꝛ groſſen neigung zur ruhe und einſamkeit ihr muͤtterliches erbtheil antrat/ und derweil/ biß die ſache ihr ende erreichte/ viele und groſſe beſchwerlichkeiten gedultig ertrug. 15. Wie ſie hiemit noch zu thun hatte/ be- gegnete ihr einsmals auff oͤffentlicher ſtraſſe ein mann/ welcher Saint Sanlieu geneñet wurde/ welcher unter einem heiligen vorwand mit vie- len ſchein-gruͤnden ſie uͤberredete/ alle ihren fleiß/ muͤhe uñ guͤter zu erziehung armer waͤyſen/ welche ſchon in ein Hoſpital verſammlet waͤren/ anzuwenden. Die Antonia ſahe wol vorher die unzehligen verſtreuungen und beſchwerlich- keiten/ welche ſie aus ſo verdrießlicher uͤbung ha- ben wuͤrde. Jndem ſie aber wuſte/ daß ein Chriſt alle arbeit zur ehre GOttes thun ſolte/ ſo gehet ſie getroſt im November des 1653ſten jahres in den Hoſpital; woſelbſt ſie alles in groſſer unordnung und voll unflaths findet/ da- mit nun dieſes wieder in richtigen ſtand geſetzet wuͤrde/ ſo nimmt ſie eine faſt unausſprechliche muͤhe und arbeit auff ſich/ wobey ſie dennoch Gottes helffende gnade uͤber ihr bitten und ver- ſtehen empfand; die maͤgdlein/ ob ſie zwar un- wiſſend und plump gnug waren/ lerneten den- noch ſehr leicht leſen/ ſchreiben/ nehen/ ſpinnen und dergleichen zu erwerbung der koſt noͤthige dinge. Uber dem wurden ſie unterrichtet in dem grund

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Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 740. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/1048>, abgerufen am 22.12.2024.