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Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.

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Th. IV. Sect. III. Num. XVI. Acta Peter Moritzens zu Hall.
[Spaltenumbruch] fuͤr den frommen/ ein verfuͤhrer fuͤr den gott-
loſen. Worfuͤr hielten Caiphas und ſeine
geiſtloſe Chriſtum? fuͤr einen Samariter und
verfuͤhrer; worfuͤr hielten ihn Nicodemus/
Joſephus und andere gottſelige hertzen? fuͤr ei-
nen wahrhafftigen. Du redeſt und predigeſt
nach der wahrheit des rechten erkaͤntniß/ wie
man nicht auff den ſchein der aͤuſſerlichen wercke
oder ceremonien ſehen/ ſondern Chriſto im le-
bendigen glauben nachfolgen ſoll. Fromme her-
tzen erkennen die krafft der wahrheit und lobens;
was ſagen die Phariſeer darzu? Er iſt ein ketzer/
er verfuͤhret die leute/ richtet auff ruhr an im ge-
wiſſen. Heiſſet das nicht GOtt gelaͤſtert? aus
licht finſterniß/ aus wahrheit luͤgen/ aus Chriſto
Satanam/ oder einen Samariter gemacht/ und
aus GOtt einen teuffel? Was wunder! wer die
wahrheit Goͤttlicher lehre loben ſoll/ muß ſie lie-
ben/ wer ſie lieben ſoll/ muß ſie kennen/ wer ſie
kennen ſoll/ muß erleuchtet ſeyn vom H. Geiſte
GOttes. Wie ein blinder von der farbe/ ſo rich-
tet ein unerleuchteter lehrer von der lehre. Jener
ſoll wohl ſchwartz blau/ weiß gruͤne nennen; ſo
nennet dieſer boͤſe/ was gut iſt/ und kaͤtzerey was
wahrheit iſt. Wie kan aber der Gottes licht und
Geiſt haben/ der vom fuͤrſten der finſterniß durch
geitz/ neid/ hochmuth verblendet/ JEſum das
licht der welt in ſeinen gliedern haſſet und ver-
folget? Du verwahreſt ja/ was du koͤſtliches haſt
nicht an einem unſauberm orthe/ ſolte dann
Gott wohl ſein licht und gnade in ein ſtinckend
gefaͤſe/ in eine unreine ſeele legen? Wie moͤ-
gen licht und finſterniß/ Chriſtus und Belial/
GOtt und teuffel bey emander wohnen in einem
hertzen/ und gleiche herrſchafft haben? Laß dichs
nicht kraͤncken/ wann ſie dich einen ketzer/ ver-
fuͤhrer ſchelten/ die vom teuffel beſeſſen ſind/ und
JEſum und die wahrheit nicht kennen. Wer
hat ſie zu richtern reiner lehre geſetzet? die werck-
zeuge des unſaubern geiſtes/ die woͤlffe in
ſchaafs-beltzen/ die teuffel in engel des licht ver-
ſtellet? Kan der auch wohl riechen und ſchmaͤ-
cken/ der ſtarcken fluß oder ſchnuppen hat? die
ſauffen das unrecht in ſich wie waſſer/ ihr hertze
quillet boßheit/ als ein voller brunn/ darum
ſchmaͤcket ihnen bitter was ſuͤſſe/ und heiſſen aͤr-
gerlich was beſſerlich/ luͤgen was wahrheit iſt.
Sie ſeynd ſchon verſtocket wie Pharao/ und
verhaͤrtet/ und verhaͤrtē ſich im̃er mehr und mehr
in ihrem ſtoltzen ſinn. Man muß ſie Gott befeh-
len/ recht muß doch recht bleiben/ und dem wer-
den alle fromme hertzen anhangen; darzu beſiehe
das 152. Cap. allda/ das von der abgoͤtterey der
maul-chriſten handelt/ da wird man ſehen/ was
ich auch geſehen habe.

Heinrich Muͤller von eigenſuͤchtigen prieſtern
in erquick-ſtunden/ cap. 157. fol. 328. 343. 344.
da ſaget er alſo: Fordert man ſie zu dienſten/ iſt
die erſte frage/ wie vermoͤglich die eingepfarrete?
wie reich das ſalarium? wie viel der beicht-pfen-
nige? wie hoch die accidentia? Nach der ehre
GOttes und menſchen ſeligkeit iſt gar keine fra-
ge; an ſolchen haͤngſt du dich/ du verraͤther dei-
ner eigenen ſeele! Wann Chriſtus Petrum
zum dienſt fordern will/ machet er es auch alſo?
Mein Petre/ ſaget er/ liebſt du mich? Nicht
dich/ nicht deinen bauch/ und beutel/ ſondern
mich/ meine ehre/ meine ſchaͤflein? die ſchaͤflein/
die ich ſo theuer erkaufft habe mit meinem blu-
[Spaltenumbruch] te/ und wann Petrus ja ſaget/ ſo ſpricht er:
So weyde meine laͤmmer/ ſo ſolſt du mein hir-
te ſeyn; Chriſtus will keine miedlinge zu ſeinen
dienern haben. So uns ehr- und geld-ſucht ein-
genommen/ ſo wir den wolluͤſten nachgehen/
und mit nahrungs-ſorgen das hertze beſchwe-
ren/ kan GOtt nicht unſer theil ſeyn/ wir koͤn-
nen auch nicht Gottes prieſter ſeyn; wollen wir
das eine zum erbe haben/ das alles iſt/ ſo muͤſ-
ſen wir um des einen willen alles andere verlaſ-
ſen; Hieronymus ſchreibet gar nachdencklich/
Epiſt. zun Tit. 12. Der HERR ſpricht: wer
dem altar dienet/ ſoll vom altar leben; leben
heiſſet nicht reich werden. Mehrſoll ein predi-
ger nicht begehren von ſeinem dienſte/ als was
an nahrung und kleidung zur erhaltung des le-
bens vonnoͤthen iſt. Guͤldne worte ſetzet Chry-
ſoſtomus 25. pr. in 1. Tim.
Jch darff keck und
kuͤhnlich ſagen/ daß die prieſter nicht mehr als
nahrung und kleidung haben muͤſſen. Solte
der theure mann noch leben/ und es der geitzi-
gen kappen ſo keck und kuͤhnlich ſagen/ er wuͤr-
de ja von ihr verbrandt und verkaͤtzert werden!
Spricht man nicht/ er iſt ein ketzer? warum
dann? er nimbt kein beicht-geld. Jſts dann
nicht gnug/ daß du verfluchter Baals-pfaffe
ſelber geitzeſt/ wo nicht alle welt auch mit dir
geitzet? Behalt du dein theil auff erden/ mein
theil iſt im himmel und will doch nicht hungers
ſterben; dieſes betrachtet alle/ er ſeye im ampte
oder nicht. Wohl und ſelig deme/ der es zu her-
tzen nimmt/ und nach Chriſti edlem leben ſeines
anſtellet. Hæc Mülleri.

Johann Riſt
Compendieuſe anzeigung was er in ſei-
nem Mayen-geſpraͤche von ſich und
den andern geiſtlichen ge-
dencket.

Darvon vernehmet alſo: Es verwundern
ſich etliche meiner guten freunde/ (ſaget Riſte)
und ſagen: Warum ich mich dann jetzo ſo in-
nen und einſam hielte/ und nicht/ wie vor/ gu-
ten freunden zuſpraͤche? Reſp. Dieſes kan mir
nicht uͤbel gedeutet werden/ ſondern ſie es viel-
mehr loben muͤſſen/ angeſehen ich hierinnen
dem exempel lieber/ gottſeliger und hochver-
ſtaͤndiger perſonen etlicher maſſen nachahme;
Dann ſaget mir/ ihr meine lieben freunde/ mit
was vorleuten ſolle man wohl bey dieſer gegen-
waͤrtigen grundloſen zeit umgehen? und mit
was fuͤr art menſchē ſolte ich fuͤr mein haupt ein
recht gruͤndliche und hertzliche vertrauligkeit
pflegen? Vielleicht werdet ihr meinen/ ich ſolte
mich zu geiſtlichen ſtands-perſonen fuͤr andern
halten/ dann die wuͤrden es ja rechtſchaffen
treu/ redlich und auffrichtig mit mir meinen?
Ja wohl/ ihr lieben garten-leute/ meiner mei-
nung nach duͤrfftet ihr euch leicht betruͤgen;
dann ob ich zwar nicht laͤugne/ daß noch bis-
weilen eine auffrichtige perſon und hertz unter
ſolchen leuten zu finden/ ſo wird man hinge-
gen andere antreffen/ mit welchen gefaͤhrlicher
umzugehen/ als mit loͤwen und baͤhren/ wel-
ches ihr demjenigen/ der es hat verſuchet/ kuͤhn-
lich moͤget zutrauen. Die garten-leute ſagen
weiter/ man koͤnte doch noch wohl etliche

geiſtliche

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Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 726. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/1034>, abgerufen am 07.01.2025.