[Spaltenumbruch]Jahr MDC. biß MDCC.lig mehr ihres heilandes als ihrer selbst seyn solten/ gleichwol so gar GOttes wort und die himmlische wahrheit ver- gessen/ und so sehr der welt dienen/ daß sie fast alle die hertzen vor ihrem Baal mehr als vor dem HErrn beugen. Denn wer meinet nicht/ daß er seinem abgott auffs fleißigste dienen müsse/ dadurch er sich macht/ reichthum/ ehre/ gunst/ gnade und ruhm zu erwerben meinet. Wer verführet und reitzet nicht sich selbst anstatt der wahren liebe GOttes und des nächsten durch die eiteln lüste der welt und seines fleisches zum ver der- ben? Gewiß ich verwundere mich/ wie einer der nur seinen lüsten dienet/ und seiner seelen heil nicht achtet/ gleich- wol sich vor CHristi diener ausgeben/ und einen Christen nennen darff. Denn wir haben ja keinen frieden mit unserm GOtt/ wo wir nicht in CHristo und der liebe des Göttlichen worts leben/ und die wege des HErrn im glauben bewah- Sonder- lich des Luther- thums.ren. Anderswo in der vorrede über die 7. oration p. 451. u. f. beweiset er ausführlich/ daß der wahre- und schein-glaube derer falschen Lutheraner der aller gefährlichste irrthum bey allem äusserlichen schein- und heuchelwesen sey. Und überhaupt klagt er von dem zustand des Lutherthums Orat. I. p. 37. Unsere religi- on ist so gar biß zum höchsten grad des elendes gediehen/ daß alles zu grunde gehet/ und dasjenige nacheinander wircklich erfüllet wird/ wasLutherus Teutschland geweissaget hat.T. II. Germ. p 69. T. V. p. 183. T. VIII. p. 314.
Von dem zustand der Predi- ger.
8. Unter denen stücken und ursachen des all- gemeinen verderbnisses hat er nebenst allen an- dern verständigen die verderbte Clerisey voran- "gesetzet/ und zuförderst in der Synopsi L. VI. "Quaest. XVI. p. 689. erwiesen/ daß ein die- "ner des wortes nicht anders GOttes werck- "zeug seyn könne/ als wenn er in CHristo le- "bendig und vom neuen geboren sey und also "aus dem geist GOttesrede. Wer ihm aber "ausser dem etwas zuschreibe/ der repraesentire "den Antichrist. Jn gedachter vorrede p. 446. bricht er in folgende bittere klage aus: Man würde denen ihre blindheit noch zu gute halten/ die nach dem schnöden urtheil der welt vor arme gehalten werden: Alleine daß auch diejenigen/ die über den schaffstall gesetzet sind/ und in der kirchen über all den vorzug haben/ auch mit keinem andern titul als einer vor- trefflichen weißheit beehret seyn wol- len/ so gar ihrem amt zuwider leben/ daß sie weder die natur noch eigenschaf- ten des Christenthums aus der schrifft jemals gelernet/ das ist gar eine ab- scheuliche sache. -- Aber wenn sich je- mand um den glauben bekümmert/ und den genauen befehl des wortes GOt- tes in einfalt und brünstigkeit des gei- stes eifrig treibet/ der wird entweder verlachet/ oder zum lohn für seinepietät ein Esel geheissen. Da weist man ihm mit seinem wort GOTTes die thüre/ wenn er es nicht mitformalen larven ei- nes ungeheurensyllogismibemänteln/ [Spaltenumbruch]
und ein hauffenconsequentiasmachenJahr MDC. biß MDCC. kan. Damit will man auch die bauren und Heiden selbst bekehren etc. Und mit die- sen und dergleichen rechtmäßigen klagen hat er ihm die gröste feindschafft zugezogen/ und in dem angezogenen Wittenbergischen Responso leiden müssen/ daß man ihn vor einen Lästerer des Magdeburgischen Ministerii, der kirchen/ Universitäten und dergleichen genennet/ auch zu kirchlichen und andern straffen verdammet. Wiewol der gerechte GOtt selber das urtheil vor aller welt umgekehret und seine feinde ne- benst denen meisten Lutherischen kirchen und schulen in dem folgenden Teutschen kriege em- pfindlich gnug gestraffet/ und mit der that ihrer greuel überzeuget hat.
9. Er selbst hat sich an solche elende urtheile nicht gekehret/ sondern immer fortgefahren von der wahrheit zu zeugen/ gestalt er in specie die falsch berühmte kunst derer Schul-Theologen und Gelehrten sehr weißlich entlarvet/ wenn er zum exempel schreibet L. IV. Synopseos Quaest. IX. p. 574. Quid igitur de glossatoribus statu-Von der falschen Theolo- gie. endum erit, qui vitae christianae actiones in arti- culatas conjecerunt formulas disputabiles? Imo et ethnicismi execrabilis phrasibus ac terminis conspurcatum, aut juxta suas opiniones exor- natum reddiderunt? Vita Christiano in imi- tando & sequendo Christum, suique abnegati- one consistit, non in sophisticationibus ratioci- nativis habitualisticis. Christus ait Matth. XVI. 24. 25. 26. 27. Ecce o mortales, hic Christus non disputationis mentionem facit, qua forma quis disputaverit speculationes suas, & quibus articulis sectam suam conceperit, ut inde sit judicii sui sententiam sumpturus? Sed omnes homines & singulos ita judicaturus est, ut unicuique omnium sit secundum facta sua re- compensationem redditurus: Vae igitur illis, qui non fideliter in vestigiis Christi ambula- runt, nec in ejus vinea suas operas in sanctitate fidei & nova creatura cordis erga DEum ac pro- ximum juxta dilectionis praeceptum perfece- runt; sed potius a reali pietate & probitate vitae homines ad opinabiles disputationes speculati- onum inanium, a scopo actionum vero ad habi- tuales logomachias seduxerunt. Quid curat Christus nostrum scire, qui cordis integritatem in sui imitatione sancta requirit? Hoc enim fa- ciendum erat, quod in verbi sui praeceptis man- darat. Filiorum est fidelium, parentum jussa capessere & cum reverentia exequi: Parentis est, jubere & liberorum jussui obedientiam praestare debitam. Multa mandat parens fiVom ge- wissens- zwang. dus, an propterea filius id disputet parenti, si quid sit, quod ejus captum exsuperet? Quid prodest mandatum parenti, si filius saltem in disputatione id adversaret sibi, & speculatione sua; nunquam autem in essectum deduceret? Qua fronte perversitatem filii adspiceret pa- rens? Indulgere quidem valet poenitentiam fi- lio; sed non impune relinquet illi tantum pro- tervitatis facinus. Nihilominus Christus ne- minem cogit; nec ipsos Pharisaeos imperio aliquo & vi fortiori ad credendum sibi protru- dere voluit; Sed miraculis dicta & monita con- firmavit sua, liberum interim relinquens illis & cuique, qui credere ejus verbo vellet & offi- cio; cum credenti vere omnia sunt possibilia,
etiam
Th. III. C. IX. Von Johann Angelio Werdenhagen,
[Spaltenumbruch]Jahr MDC. biß MDCC.lig mehr ihres heilandes als ihrer ſelbſt ſeyn ſolten/ gleichwol ſo gar GOttes wort und die himmliſche wahrheit ver- geſſen/ und ſo ſehr der welt dienen/ daß ſie faſt alle die hertzen vor ihrem Baal mehr als vor dem HErꝛn beugen. Denn wer meinet nicht/ daß er ſeinem abgott auffs fleißigſte dienen muͤſſe/ dadurch er ſich macht/ reichthum/ ehre/ gunſt/ gnade und ruhm zu erwerben meinet. Wer verfuͤhret und reitzet nicht ſich ſelbſt anſtatt der wahren liebe GOttes und des naͤchſten durch die eiteln luͤſte der welt und ſeines fleiſches zum ver der- ben? Gewiß ich verwundere mich/ wie einer der nur ſeinen luͤſten dienet/ und ſeiner ſeelen heil nicht achtet/ gleich- wol ſich vor CHriſti diener ausgeben/ und einen Chriſten nennen darff. Denn wir haben ja keinen frieden mit unſerm GOtt/ wo wir nicht in CHriſto und der liebe des Goͤttlichen worts leben/ und die wege des HErꝛn im glauben bewah- Sonder- lich des Luther- thums.ren. Anderswo in der vorrede uͤber die 7. oration p. 451. u. f. beweiſet er ausfuͤhrlich/ daß der wahre- und ſchein-glaube derer falſchen Lutheraner der aller gefaͤhrlichſte irrthum bey allem aͤuſſerlichen ſchein- und heuchelweſen ſey. Und uͤberhaupt klagt er von dem zuſtand des Lutherthums Orat. I. p. 37. Unſere religi- on iſt ſo gar biß zum hoͤchſten grad des elendes gediehen/ daß alles zu grunde gehet/ und dasjenige nacheinander wircklich erfuͤllet wird/ wasLutherus Teutſchland geweiſſaget hat.T. II. Germ. p 69. T. V. p. 183. T. VIII. p. 314.
Von dem zuſtand der Predi- ger.
8. Unter denen ſtuͤcken und urſachen des all- gemeinen verderbniſſes hat er nebenſt allen an- dern verſtaͤndigen die verderbte Cleriſey voran- „geſetzet/ und zufoͤrderſt in der Synopſi L. VI. „Quæſt. XVI. p. 689. erwieſen/ daß ein die- „ner des wortes nicht anders GOttes werck- „zeug ſeyn koͤnne/ als wenn er in CHriſto le- „bendig und vom neuen geboren ſey und alſo „aus dem geiſt GOttesrede. Wer ihm aber „auſſer dem etwas zuſchreibe/ der repræſentire „den Antichriſt. Jn gedachter vorrede p. 446. bricht er in folgende bittere klage aus: Man wuͤrde denen ihre blindheit noch zu gute halten/ die nach dem ſchnoͤden urtheil der welt vor arme gehalten werden: Alleine daß auch diejenigen/ die uͤber den ſchaffſtall geſetzet ſind/ und in der kirchen uͤber all den vorzug haben/ auch mit keinem andern titul als einer vor- trefflichen weißheit beehret ſeyn wol- len/ ſo gar ihrem amt zuwider leben/ daß ſie weder die natur noch eigenſchaf- ten des Chriſtenthums aus der ſchrifft jemals gelernet/ das iſt gar eine ab- ſcheuliche ſache. — Aber wenn ſich je- mand um den glauben bekuͤmmert/ und den genauen befehl des wortes GOt- tes in einfalt und bruͤnſtigkeit des gei- ſtes eifrig treibet/ der wird entweder verlachet/ oder zum lohn fuͤr ſeinepietaͤt ein Eſel geheiſſen. Da weiſt man ihm mit ſeinem wort GOTTes die thuͤre/ wenn er es nicht mitformalen larven ei- nes ungeheurenſyllogiſmibemaͤnteln/ [Spaltenumbruch]
und ein hauffenconſequentiasmachenJahr MDC. biß MDCC. kan. Damit will man auch die bauren und Heiden ſelbſt bekehren ꝛc. Und mit die- ſen und dergleichen rechtmaͤßigen klagen hat er ihm die groͤſte feindſchafft zugezogen/ und in dem angezogenen Wittenbergiſchen Reſponſo leiden muͤſſen/ daß man ihn vor einen Laͤſterer des Magdeburgiſchen Miniſterii, der kirchen/ Univerſitaͤten und dergleichen genennet/ auch zu kirchlichen und andern ſtraffen verdammet. Wiewol der gerechte GOtt ſelber das urtheil vor aller welt umgekehret und ſeine feinde ne- benſt denen meiſten Lutheriſchen kirchen und ſchulen in dem folgenden Teutſchen kriege em- pfindlich gnug geſtraffet/ und mit der that ihrer greuel uͤberzeuget hat.
9. Er ſelbſt hat ſich an ſolche elende urtheile nicht gekehret/ ſondern immer fortgefahren von der wahrheit zu zeugen/ geſtalt er in ſpecie die falſch beruͤhmte kunſt derer Schul-Theologen und Gelehrten ſehr weißlich entlarvet/ wenn er zum exempel ſchreibet L. IV. Synopſeos Quæſt. IX. p. 574. Quid igitur de gloſſatoribus ſtatu-Von der falſchen Theolo- gie. endum erit, qui vitæ chriſtianæ actiones in arti- culatas conjecerunt formulas diſputabiles? Imo et ethniciſmi execrabilis phraſibus ac terminis conſpurcatum, aut juxta ſuas opiniones exor- natum reddiderunt? Vita Chriſtiano in imi- tando & ſequendo Chriſtum, ſuique abnegati- one conſiſtit, non in ſophiſticationibus ratioci- nativis habitualiſticis. Chriſtus ait Matth. XVI. 24. 25. 26. 27. Ecce o mortales, hic Chriſtus non diſputationis mentionem facit, qua forma quis diſputaverit ſpeculationes ſuas, & quibus articulis ſectam ſuam conceperit, ut inde ſit judicii ſui ſententiam ſumpturus? Sed omnes homines & ſingulos ita judicaturus eſt, ut unicuique omnium ſit ſecundum facta ſua re- compenſationem redditurus: Væ igitur illis, qui non fideliter in veſtigiis Chriſti ambula- runt, nec in ejus vinea ſuas operas in ſanctitate fidei & nova creatura cordis erga DEum ac pro- ximum juxta dilectionis præceptum perfece- runt; ſed potius à reali pietate & probitate vitæ homines ad opinabiles diſputationes ſpeculati- onum inanium, à ſcopo actionum vero ad habi- tuales logomachias ſeduxerunt. Quid curat Chriſtus noſtrum ſcire, qui cordis integritatem in ſui imitatione ſancta requirit? Hoc enim fa- ciendum erat, quod in verbi ſui præceptis man- darat. Filiorum eſt fidelium, parentum juſſa capeſſere & cum reverentia exequi: Parentis eſt, jubere & liberorum juſſui obedientiam præſtare debitam. Multa mandat parens fiVom ge- wiſſens- zwang. dus, an propterea filius id diſputet parenti, ſi quid ſit, quod ejus captum exſuperet? Quid prodeſt mandatum parenti, ſi filius ſaltem in diſputatione id adverſaret ſibi, & ſpeculatione ſua; nunquam autem in eſſectum deduceret? Qua fronte perverſitatem filii adſpiceret pa- rens? Indulgere quidem valet pœnitentiam fi- lio; ſed non impune relinquet illi tantum pro- tervitatis facinus. Nihilominus Chriſtus ne- minem cogit; nec ipſos Phariſæos imperio aliquo & vi fortiori ad credendum ſibi protru- dere voluit; Sed miraculis dicta & monita con- firmavit ſua, liberum interim relinquens illis & cuique, qui credere ejus verbo vellet & offi- cio; cum credenti vere omnia ſunt poſſibilia,
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Th. III. C. IX. Von Johann Angelio Werdenhagen,
lig mehr ihres heilandes als ihrer ſelbſt
ſeyn ſolten/ gleichwol ſo gar GOttes
wort und die himmliſche wahrheit ver-
geſſen/ und ſo ſehr der welt dienen/ daß
ſie faſt alle die hertzen vor ihrem Baal
mehr als vor dem HErꝛn beugen. Denn
wer meinet nicht/ daß er ſeinem abgott
auffs fleißigſte dienen muͤſſe/ dadurch er
ſich macht/ reichthum/ ehre/ gunſt/
gnade und ruhm zu erwerben meinet.
Wer verfuͤhret und reitzet nicht ſich
ſelbſt anſtatt der wahren liebe GOttes
und des naͤchſten durch die eiteln luͤſte
der welt und ſeines fleiſches zum ver der-
ben? Gewiß ich verwundere mich/ wie
einer der nur ſeinen luͤſten dienet/ und
ſeiner ſeelen heil nicht achtet/ gleich-
wol ſich vor CHriſti diener ausgeben/
und einen Chriſten nennen darff. Denn
wir haben ja keinen frieden mit unſerm
GOtt/ wo wir nicht in CHriſto und der
liebe des Goͤttlichen worts leben/ und
die wege des HErꝛn im glauben bewah-
ren. Anderswo in der vorrede uͤber die 7.
oration p. 451. u. f. beweiſet er ausfuͤhrlich/
daß der wahre- und ſchein-glaube derer falſchen
Lutheraner der aller gefaͤhrlichſte irrthum bey
allem aͤuſſerlichen ſchein- und heuchelweſen ſey.
Und uͤberhaupt klagt er von dem zuſtand des
Lutherthums Orat. I. p. 37. Unſere religi-
on iſt ſo gar biß zum hoͤchſten grad des
elendes gediehen/ daß alles zu grunde
gehet/ und dasjenige nacheinander
wircklich erfuͤllet wird/ was Lutherus
Teutſchland geweiſſaget hat. T. II. Germ.
p 69. T. V. p. 183. T. VIII. p. 314.
Jahr
MDC.
biß
MDCC.
Sonder-
lich des
Luther-
thums.
8. Unter denen ſtuͤcken und urſachen des all-
gemeinen verderbniſſes hat er nebenſt allen an-
dern verſtaͤndigen die verderbte Cleriſey voran-
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„bendig und vom neuen geboren ſey und alſo
„aus dem geiſt GOttesrede. Wer ihm aber
„auſſer dem etwas zuſchreibe/ der repræſentire
„den Antichriſt. Jn gedachter vorrede p. 446.
bricht er in folgende bittere klage aus: Man
wuͤrde denen ihre blindheit noch zu gute
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der welt vor arme gehalten werden:
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mit keinem andern titul als einer vor-
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len/ ſo gar ihrem amt zuwider leben/
daß ſie weder die natur noch eigenſchaf-
ten des Chriſtenthums aus der ſchrifft
jemals gelernet/ das iſt gar eine ab-
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ein Eſel geheiſſen. Da weiſt man ihm
mit ſeinem wort GOTTes die thuͤre/
wenn er es nicht mit formalen larven ei-
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des Magdeburgiſchen Miniſterii, der kirchen/
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zu kirchlichen und andern ſtraffen verdammet.
Wiewol der gerechte GOtt ſelber das urtheil
vor aller welt umgekehret und ſeine feinde ne-
benſt denen meiſten Lutheriſchen kirchen und
ſchulen in dem folgenden Teutſchen kriege em-
pfindlich gnug geſtraffet/ und mit der that ihrer
greuel uͤberzeuget hat.
Jahr
MDC.
biß
MDCC.
9. Er ſelbſt hat ſich an ſolche elende urtheile
nicht gekehret/ ſondern immer fortgefahren von
der wahrheit zu zeugen/ geſtalt er in ſpecie die
falſch beruͤhmte kunſt derer Schul-Theologen
und Gelehrten ſehr weißlich entlarvet/ wenn er
zum exempel ſchreibet L. IV. Synopſeos Quæſt.
IX. p. 574. Quid igitur de gloſſatoribus ſtatu-
endum erit, qui vitæ chriſtianæ actiones in arti-
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et ethniciſmi execrabilis phraſibus ac terminis
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one conſiſtit, non in ſophiſticationibus ratioci-
nativis habitualiſticis. Chriſtus ait Matth.
XVI. 24. 25. 26. 27. Ecce o mortales, hic
Chriſtus non diſputationis mentionem facit,
qua forma quis diſputaverit ſpeculationes ſuas,
& quibus articulis ſectam ſuam conceperit, ut
inde ſit judicii ſui ſententiam ſumpturus? Sed
omnes homines & ſingulos ita judicaturus eſt,
ut unicuique omnium ſit ſecundum facta ſua re-
compenſationem redditurus: Væ igitur illis,
qui non fideliter in veſtigiis Chriſti ambula-
runt, nec in ejus vinea ſuas operas in ſanctitate
fidei & nova creatura cordis erga DEum ac pro-
ximum juxta dilectionis præceptum perfece-
runt; ſed potius à reali pietate & probitate vitæ
homines ad opinabiles diſputationes ſpeculati-
onum inanium, à ſcopo actionum vero ad habi-
tuales logomachias ſeduxerunt. Quid curat
Chriſtus noſtrum ſcire, qui cordis integritatem
in ſui imitatione ſancta requirit? Hoc enim fa-
ciendum erat, quod in verbi ſui præceptis man-
darat. Filiorum eſt fidelium, parentum juſſa
capeſſere & cum reverentia exequi: Parentis
eſt, jubere & liberorum juſſui obedientiam
præſtare debitam. Multa mandat parens fi
dus, an propterea filius id diſputet parenti, ſi
quid ſit, quod ejus captum exſuperet? Quid
prodeſt mandatum parenti, ſi filius ſaltem in
diſputatione id adverſaret ſibi, & ſpeculatione
ſua; nunquam autem in eſſectum deduceret?
Qua fronte perverſitatem filii adſpiceret pa-
rens? Indulgere quidem valet pœnitentiam fi-
lio; ſed non impune relinquet illi tantum pro-
tervitatis facinus. Nihilominus Chriſtus ne-
minem cogit; nec ipſos Phariſæos imperio
aliquo & vi fortiori ad credendum ſibi protru-
dere voluit; Sed miraculis dicta & monita con-
firmavit ſua, liberum interim relinquens illis
& cuique, qui credere ejus verbo vellet & offi-
cio; cum credenti vere omnia ſunt poſſibilia,
etiam
Von der
falſchen
Theolo-
gie.
Vom ge-
wiſſens-
zwang.
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Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/102>, abgerufen am 16.07.2024.
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