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Arnim, Achim von: Der tolle Invalide auf dem Fort Ratonneau. In: Gaben der Milde. Bd. 4. Berlin, 1818, S. 75-124.

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ihrem Kinde das Leben. Beide waren in
dem ruhigen Treiben des Kahnes einge¬
schlummert und Rosalie sah im Traume
ihre Mutter von innerlichen Flammen durch¬
leuchtet und verzehrt und fragte sie: War¬
um sie so leide? Da war's als ob eine laute
Stimme ihr in die Ohren rief: Mein Fluch
brennt mich wie dich, und kannst du ihn
nicht lösen, so bleib ich eigen allem Bösen.
Sie wollte noch mehr sprechen, aber Rosa¬
lie war schon aufgeschreckt, sah über sich
den Bündel Leuchtkugeln im höchsten Glanze,
hörte neben sich einen Schiffer rufen: Steu¬
ert links, wir fahren sonst ein Boot in den
Grund, worin ein Weib mit einem Kinde
sitzt. Und schon rauscht die vordere Spitze
eines grossen Flußschiffes wie ein geöffneter
Wallfischrachen hinter ihr, da wandte er
sich links, aber ihr Nachen wurde doch seit¬
wärts nachgerissen. Helft meinem armen
Kinde! rief sie und der Haken eines Stan¬
genruders verband sie mit dem großen
Schiffe das bald darauf Ancker warf. Wäre
das Feuerwerk auf dem Fort Ratonneau

ihrem Kinde das Leben. Beide waren in
dem ruhigen Treiben des Kahnes einge¬
ſchlummert und Roſalie ſah im Traume
ihre Mutter von innerlichen Flammen durch¬
leuchtet und verzehrt und fragte ſie: War¬
um ſie ſo leide? Da war’s als ob eine laute
Stimme ihr in die Ohren rief: Mein Fluch
brennt mich wie dich, und kannſt du ihn
nicht löſen, ſo bleib ich eigen allem Böſen.
Sie wollte noch mehr ſprechen, aber Roſa¬
lie war ſchon aufgeſchreckt, ſah über ſich
den Bündel Leuchtkugeln im höchſten Glanze,
hörte neben ſich einen Schiffer rufen: Steu¬
ert links, wir fahren ſonſt ein Boot in den
Grund, worin ein Weib mit einem Kinde
ſitzt. Und ſchon rauſcht die vordere Spitze
eines groſſen Flußſchiffes wie ein geöffneter
Wallfiſchrachen hinter ihr, da wandte er
ſich links, aber ihr Nachen wurde doch ſeit¬
wärts nachgeriſſen. Helft meinem armen
Kinde! rief ſie und der Haken eines Stan¬
genruders verband ſie mit dem großen
Schiffe das bald darauf Ancker warf. Wäre
das Feuerwerk auf dem Fort Ratonneau

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[109/0041] ihrem Kinde das Leben. Beide waren in dem ruhigen Treiben des Kahnes einge¬ ſchlummert und Roſalie ſah im Traume ihre Mutter von innerlichen Flammen durch¬ leuchtet und verzehrt und fragte ſie: War¬ um ſie ſo leide? Da war’s als ob eine laute Stimme ihr in die Ohren rief: Mein Fluch brennt mich wie dich, und kannſt du ihn nicht löſen, ſo bleib ich eigen allem Böſen. Sie wollte noch mehr ſprechen, aber Roſa¬ lie war ſchon aufgeſchreckt, ſah über ſich den Bündel Leuchtkugeln im höchſten Glanze, hörte neben ſich einen Schiffer rufen: Steu¬ ert links, wir fahren ſonſt ein Boot in den Grund, worin ein Weib mit einem Kinde ſitzt. Und ſchon rauſcht die vordere Spitze eines groſſen Flußſchiffes wie ein geöffneter Wallfiſchrachen hinter ihr, da wandte er ſich links, aber ihr Nachen wurde doch ſeit¬ wärts nachgeriſſen. Helft meinem armen Kinde! rief ſie und der Haken eines Stan¬ genruders verband ſie mit dem großen Schiffe das bald darauf Ancker warf. Wäre das Feuerwerk auf dem Fort Ratonneau

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Zitationshilfe: Arnim, Achim von: Der tolle Invalide auf dem Fort Ratonneau. In: Gaben der Milde. Bd. 4. Berlin, 1818, S. 75-124, hier S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnima_invalide_1818/41>, abgerufen am 28.03.2024.