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[Zschokke, Heinrich]: Geister und Geisterseher oder Leben und frühes Ende eines Nekromantisten. Küstrin, 1789.

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Wilhelm Walter.
hin, tändelte ein Weilchen mit ihrer Busen-
schleife, dann mit ihrem Fächer, endlich sagte
sie zu dem hermetischen Weltweisen: "Mein
Herr, Sie sind ganz in ihren Fantasien ver-
tieft; sie mögen freilich sehr schön sein, aber
erlauben Sie, daß ich Sie ein paar Minu-
ten in denselben störe."

Walter hatte sie noch nicht bemerkt, und
fuhr zusammen, da er sie gewahr ward.

"Ei warhaftig, ich sollte fast glauben,
sagte das mutwillige Mädchen, Sie fürch-
teten sich vor mir; bin ich denn so gar
häslich?"

Walter fand nichts weniger, als dies
an dem Mädchen, vielmehr schien es in sei-
nen Augen das Gegentheil. Sein trüber
Humor ward auf einmal heiterer; seine
mürrische Philosophenlaune wandelte sich zur
galanten Gefälligkeit um; vielleicht hoffte er
bei dieser Schönen neue Karakterzüge und
geheime Falten des menschlichen Herzens zu
entdekken, durch welche er zu dem grossen
Urquell der allgemeinen Sympathie geleitet

würde

Wilhelm Walter.
hin, taͤndelte ein Weilchen mit ihrer Buſen-
ſchleife, dann mit ihrem Faͤcher, endlich ſagte
ſie zu dem hermetiſchen Weltweiſen: „Mein
Herr, Sie ſind ganz in ihren Fantaſien ver-
tieft; ſie moͤgen freilich ſehr ſchoͤn ſein, aber
erlauben Sie, daß ich Sie ein paar Minu-
ten in denſelben ſtoͤre.“

Walter hatte ſie noch nicht bemerkt, und
fuhr zuſammen, da er ſie gewahr ward.

„Ei warhaftig, ich ſollte faſt glauben,
ſagte das mutwillige Maͤdchen, Sie fuͤrch-
teten ſich vor mir; bin ich denn ſo gar
haͤslich?“

Walter fand nichts weniger, als dies
an dem Maͤdchen, vielmehr ſchien es in ſei-
nen Augen das Gegentheil. Sein truͤber
Humor ward auf einmal heiterer; ſeine
muͤrriſche Philoſophenlaune wandelte ſich zur
galanten Gefaͤlligkeit um; vielleicht hoffte er
bei dieſer Schoͤnen neue Karakterzuͤge und
geheime Falten des menſchlichen Herzens zu
entdekken, durch welche er zu dem groſſen
Urquell der allgemeinen Sympathie geleitet

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[60/0063] Wilhelm Walter. hin, taͤndelte ein Weilchen mit ihrer Buſen- ſchleife, dann mit ihrem Faͤcher, endlich ſagte ſie zu dem hermetiſchen Weltweiſen: „Mein Herr, Sie ſind ganz in ihren Fantaſien ver- tieft; ſie moͤgen freilich ſehr ſchoͤn ſein, aber erlauben Sie, daß ich Sie ein paar Minu- ten in denſelben ſtoͤre.“ Walter hatte ſie noch nicht bemerkt, und fuhr zuſammen, da er ſie gewahr ward. „Ei warhaftig, ich ſollte faſt glauben, ſagte das mutwillige Maͤdchen, Sie fuͤrch- teten ſich vor mir; bin ich denn ſo gar haͤslich?“ Walter fand nichts weniger, als dies an dem Maͤdchen, vielmehr ſchien es in ſei- nen Augen das Gegentheil. Sein truͤber Humor ward auf einmal heiterer; ſeine muͤrriſche Philoſophenlaune wandelte ſich zur galanten Gefaͤlligkeit um; vielleicht hoffte er bei dieſer Schoͤnen neue Karakterzuͤge und geheime Falten des menſchlichen Herzens zu entdekken, durch welche er zu dem groſſen Urquell der allgemeinen Sympathie geleitet wuͤrde

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Zitationshilfe: [Zschokke, Heinrich]: Geister und Geisterseher oder Leben und frühes Ende eines Nekromantisten. Küstrin, 1789, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zschokke_geister_1789/63>, abgerufen am 05.12.2024.