Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Geburtstag.

Im Hause des Herrn Bantes pflegten viele Familienfeste gefeiert zu werden, und zwar nur von und in der Familie. Bloß am Hochzeittagsfeste des Herrn und der Frau wurden auch Fremde aus der Stadt eingeladen. Auch der alte Buchhalter, der Fabrikaufseher und Cassierer, welche die Ehre genoßen, am Tische des Herrn Bantes zu speisen, waren der Familie zugezählt, und ihre Geburtsfeste wurden förmlich begangen. Kein Wunder also, daß das Jahresfest unsers Oberlieutenants stattlich gefeiert werden mußte.

An einem solchen Tage durfte, so war's Gesetz, keine Seele im Hause dem Gefeierten eine böse Miene machen, Keiner ihm eine billige Bitte abschlagen. Jeder mußte ihm ein Geschenk bringen, es mochte groß oder klein sein. An diesem Tage war des Mittags die Mahlzeit reicher und ausgewählter; nur an diesem Tage speisete man von Silber, brannten des Abends silberne Kerzenstöcke, und der Gefeierte saß am Tische auf der Ehrenstelle, das heißt, an dem gewöhnlichen Platze des Hausvaters. Die Geschenke und Angebinde wurden jedesmal überreicht, ehe man sich zum Mittagsessen niedersetzte; dem Gefeierten allein wurden Gesundheiten mit gefüllten Gläsern zugebracht; nach aufgehobener Tafel empfing er von jedem der Anwesenden Umarmung und Kuß. Herr Bantes hatte die löbliche

Der Geburtstag.

Im Hause des Herrn Bantes pflegten viele Familienfeste gefeiert zu werden, und zwar nur von und in der Familie. Bloß am Hochzeittagsfeste des Herrn und der Frau wurden auch Fremde aus der Stadt eingeladen. Auch der alte Buchhalter, der Fabrikaufseher und Cassierer, welche die Ehre genoßen, am Tische des Herrn Bantes zu speisen, waren der Familie zugezählt, und ihre Geburtsfeste wurden förmlich begangen. Kein Wunder also, daß das Jahresfest unsers Oberlieutenants stattlich gefeiert werden mußte.

An einem solchen Tage durfte, so war's Gesetz, keine Seele im Hause dem Gefeierten eine böse Miene machen, Keiner ihm eine billige Bitte abschlagen. Jeder mußte ihm ein Geschenk bringen, es mochte groß oder klein sein. An diesem Tage war des Mittags die Mahlzeit reicher und ausgewählter; nur an diesem Tage speisete man von Silber, brannten des Abends silberne Kerzenstöcke, und der Gefeierte saß am Tische auf der Ehrenstelle, das heißt, an dem gewöhnlichen Platze des Hausvaters. Die Geschenke und Angebinde wurden jedesmal überreicht, ehe man sich zum Mittagsessen niedersetzte; dem Gefeierten allein wurden Gesundheiten mit gefüllten Gläsern zugebracht; nach aufgehobener Tafel empfing er von jedem der Anwesenden Umarmung und Kuß. Herr Bantes hatte die löbliche

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0031"/>
      <div type="chapter" n="6">
        <head>Der Geburtstag.</head>
        <p>Im Hause des Herrn Bantes pflegten viele Familienfeste gefeiert zu werden, und zwar nur von      und in der Familie. Bloß am Hochzeittagsfeste des Herrn und der Frau wurden auch Fremde aus der      Stadt eingeladen. Auch der alte Buchhalter, der Fabrikaufseher und Cassierer, welche die Ehre      genoßen, am Tische des Herrn Bantes zu speisen, waren der Familie zugezählt, und ihre      Geburtsfeste wurden förmlich begangen. Kein Wunder also, daß das Jahresfest unsers      Oberlieutenants stattlich gefeiert werden mußte.</p><lb/>
        <p>An einem solchen Tage durfte, so war's Gesetz, keine Seele im Hause dem Gefeierten eine böse      Miene machen, Keiner ihm eine billige Bitte abschlagen. Jeder mußte ihm ein Geschenk bringen,      es mochte groß oder klein sein. An diesem Tage war des Mittags die Mahlzeit reicher und      ausgewählter; nur an diesem Tage speisete man von Silber, brannten des Abends silberne      Kerzenstöcke, und der Gefeierte saß am Tische auf der Ehrenstelle, das heißt, an dem      gewöhnlichen Platze des Hausvaters. Die Geschenke und Angebinde wurden jedesmal überreicht, ehe      man sich zum Mittagsessen niedersetzte; dem Gefeierten allein wurden Gesundheiten mit gefüllten      Gläsern zugebracht; nach aufgehobener Tafel empfing er von jedem der Anwesenden Umarmung und      Kuß. Herr Bantes hatte die löbliche<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0031] Der Geburtstag. Im Hause des Herrn Bantes pflegten viele Familienfeste gefeiert zu werden, und zwar nur von und in der Familie. Bloß am Hochzeittagsfeste des Herrn und der Frau wurden auch Fremde aus der Stadt eingeladen. Auch der alte Buchhalter, der Fabrikaufseher und Cassierer, welche die Ehre genoßen, am Tische des Herrn Bantes zu speisen, waren der Familie zugezählt, und ihre Geburtsfeste wurden förmlich begangen. Kein Wunder also, daß das Jahresfest unsers Oberlieutenants stattlich gefeiert werden mußte. An einem solchen Tage durfte, so war's Gesetz, keine Seele im Hause dem Gefeierten eine böse Miene machen, Keiner ihm eine billige Bitte abschlagen. Jeder mußte ihm ein Geschenk bringen, es mochte groß oder klein sein. An diesem Tage war des Mittags die Mahlzeit reicher und ausgewählter; nur an diesem Tage speisete man von Silber, brannten des Abends silberne Kerzenstöcke, und der Gefeierte saß am Tische auf der Ehrenstelle, das heißt, an dem gewöhnlichen Platze des Hausvaters. Die Geschenke und Angebinde wurden jedesmal überreicht, ehe man sich zum Mittagsessen niedersetzte; dem Gefeierten allein wurden Gesundheiten mit gefüllten Gläsern zugebracht; nach aufgehobener Tafel empfing er von jedem der Anwesenden Umarmung und Kuß. Herr Bantes hatte die löbliche

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T14:15:44Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T14:15:44Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zschokke_gast_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zschokke_gast_1910/31
Zitationshilfe: Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zschokke_gast_1910/31>, abgerufen am 24.11.2024.