Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.

Bild:
<< vorherige Seite

II. Die Schriftlehre vom Urstande.
dieser Berufserfüllung, die Entwicklung zur allseitig durchgeführten
Erdherrschaft also in lauterem kindlichen Gehorsam gegen Gottes
Gebote sowie unter Gottes Segen (s. K. 1, 28 f.; 2, 16 ff.) vor
sich gehen: eine heilige Lebensentwicklung, gleichwie der Schöpfer
heiliges Leben lebt (vgl. 3. Mos. 11, 44; 1. Petr. 1, 15.), ein
Leben nicht nach Fleisches Weise sondern nach dem Gesetze des
Geistes, des von Gott uns eingehauchten heiligen Lebensodems (vgl.
Hi. 33, 4; Sach. 12, 1; Pred. 12, 7), kurz ein Leben aus Gott
und zu Gott, ein "rechtschaffenes" Leben (janschanr: Pred. 7, 30),
ein Leben in Gerechtigkeit und Heiligkeit der Wahrheit (Eph. 4, 24).
-- Wollte man so spröde sein, die wesentliche Einheit des in Gen.
1, 26 f. direct ausgedrückten und des in Gen. 2, 7 beschriebenen
Gottbildlichkeitsbegriffes nicht anzuerkennen, die Jdee des göttlichen
Ebenbildes also, weil der betr. Ausdruck im Paradieses- und
Sündenfallsberichte nicht vorkommt, als dem Urheber dieses Berichts
gänzlich fremd darzustellen und das geistdurchhauchte Erdengebilde
mit lebendiger Seele für ein total anderes Wesen zu erklären als
das nach dem Bilde und Gleichniß Gottes geschaffene Menschenpaar:
wunderlich genug und ungeheuerlich, wie solche Meinung an sich
schon wäre, würde sie durch die neutestamentlichen Parallelen auf
das Bestimmteste wiederlegt werden. Das Neue Testament geht
durchweg von der Voraussetzung einer vollständigen Harmonie von
Gen. 1 mit Gen. 2 aus. Das nach Eph. 4, 24; Col. 3, 9
wieder zu erlangende Gottesbild ist kein anderes als das seinem
göttlichen Ursprunge nach in Gen. 2, 7 ff., seinem Verluste durch
den Sündenfall nach in Gen. 3 beschriebene, auch von [unleserliches Material - 1 Wort fehlt] selbst
einmal durch den Begriff des Gottentsprungenseins oder göttlichen
Geschlechts-Seins (Apg. 17, 29) ausgedrückt. Die Stelle 1. Cor.
11, 7 ff. verschmilzt die beiden mosaischen Relationen über die
Menschenschöpfung vollständig in Eine. Der Mann zuvörderst, um
seinetwillen aber auch das aus ihm gebildete Weib, das "Bein von
seinem Beine und Fleisch von seinem Fleische" (1. Mos. 2, 23), sie

II. Die Schriftlehre vom Urſtande.
dieſer Berufserfüllung, die Entwicklung zur allſeitig durchgeführten
Erdherrſchaft alſo in lauterem kindlichen Gehorſam gegen Gottes
Gebote ſowie unter Gottes Segen (ſ. K. 1, 28 f.; 2, 16 ff.) vor
ſich gehen: eine heilige Lebensentwicklung, gleichwie der Schöpfer
heiliges Leben lebt (vgl. 3. Moſ. 11, 44; 1. Petr. 1, 15.), ein
Leben nicht nach Fleiſches Weiſe ſondern nach dem Geſetze des
Geiſtes, des von Gott uns eingehauchten heiligen Lebensodems (vgl.
Hi. 33, 4; Sach. 12, 1; Pred. 12, 7), kurz ein Leben aus Gott
und zu Gott, ein „rechtſchaffenes‟ Leben (jāschār: Pred. 7, 30),
ein Leben in Gerechtigkeit und Heiligkeit der Wahrheit (Eph. 4, 24).
— Wollte man ſo ſpröde ſein, die weſentliche Einheit des in Gen.
1, 26 f. direct ausgedrückten und des in Gen. 2, 7 beſchriebenen
Gottbildlichkeitsbegriffes nicht anzuerkennen, die Jdee des göttlichen
Ebenbildes alſo, weil der betr. Ausdruck im Paradieſes- und
Sündenfallsberichte nicht vorkommt, als dem Urheber dieſes Berichts
gänzlich fremd darzuſtellen und das geiſtdurchhauchte Erdengebilde
mit lebendiger Seele für ein total anderes Weſen zu erklären als
das nach dem Bilde und Gleichniß Gottes geſchaffene Menſchenpaar:
wunderlich genug und ungeheuerlich, wie ſolche Meinung an ſich
ſchon wäre, würde ſie durch die neuteſtamentlichen Parallelen auf
das Beſtimmteſte wiederlegt werden. Das Neue Teſtament geht
durchweg von der Vorausſetzung einer vollſtändigen Harmonie von
Gen. 1 mit Gen. 2 aus. Das nach Eph. 4, 24; Col. 3, 9
wieder zu erlangende Gottesbild iſt kein anderes als das ſeinem
göttlichen Urſprunge nach in Gen. 2, 7 ff., ſeinem Verluſte durch
den Sündenfall nach in Gen. 3 beſchriebene, auch von [unleserliches Material – 1 Wort fehlt] ſelbſt
einmal durch den Begriff des Gottentſprungenſeins oder göttlichen
Geſchlechts-Seins (Apg. 17, 29) ausgedrückt. Die Stelle 1. Cor.
11, 7 ff. verſchmilzt die beiden moſaiſchen Relationen über die
Menſchenſchöpfung vollſtändig in Eine. Der Mann zuvörderſt, um
ſeinetwillen aber auch das aus ihm gebildete Weib, das „Bein von
ſeinem Beine und Fleiſch von ſeinem Fleiſche‟ (1. Moſ. 2, 23), ſie

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0070" n="60"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">II.</hi> Die Schriftlehre vom Ur&#x017F;tande.</fw><lb/>
die&#x017F;er Berufserfüllung, die Entwicklung zur all&#x017F;eitig durchgeführten<lb/>
Erdherr&#x017F;chaft al&#x017F;o in lauterem kindlichen Gehor&#x017F;am gegen Gottes<lb/>
Gebote &#x017F;owie unter Gottes Segen (&#x017F;. K. 1, 28 f.; 2, 16 ff.) vor<lb/>
&#x017F;ich gehen: eine heilige Lebensentwicklung, gleichwie der Schöpfer<lb/>
heiliges Leben lebt (vgl. 3. Mo&#x017F;. 11, 44; 1. Petr. 1, 15.), ein<lb/>
Leben nicht nach Flei&#x017F;ches Wei&#x017F;e &#x017F;ondern nach dem Ge&#x017F;etze des<lb/>
Gei&#x017F;tes, des von Gott uns eingehauchten heiligen Lebensodems (vgl.<lb/>
Hi. 33, 4; Sach. 12, 1; Pred. 12, 7), kurz ein Leben aus Gott<lb/>
und zu Gott, ein &#x201E;recht&#x017F;chaffenes&#x201F; Leben (<hi rendition="#aq">ja&#x0304;scha&#x0304;r</hi>: Pred. 7, 30),<lb/>
ein Leben in Gerechtigkeit und Heiligkeit der Wahrheit (Eph. 4, 24).<lb/>
&#x2014; Wollte man &#x017F;o &#x017F;pröde &#x017F;ein, die we&#x017F;entliche Einheit des in Gen.<lb/>
1, 26 f. direct ausgedrückten und des in Gen. 2, 7 be&#x017F;chriebenen<lb/>
Gottbildlichkeitsbegriffes nicht anzuerkennen, die Jdee des göttlichen<lb/>
Ebenbildes al&#x017F;o, weil der betr. Ausdruck im Paradie&#x017F;es- und<lb/>
Sündenfallsberichte nicht vorkommt, als dem Urheber die&#x017F;es Berichts<lb/>
gänzlich fremd darzu&#x017F;tellen und das gei&#x017F;tdurchhauchte Erdengebilde<lb/>
mit lebendiger Seele für ein total anderes We&#x017F;en zu erklären als<lb/>
das nach dem Bilde und Gleichniß Gottes ge&#x017F;chaffene Men&#x017F;chenpaar:<lb/>
wunderlich genug und ungeheuerlich, wie &#x017F;olche Meinung an &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;chon wäre, würde &#x017F;ie durch die neute&#x017F;tamentlichen Parallelen auf<lb/>
das Be&#x017F;timmte&#x017F;te wiederlegt werden. Das Neue Te&#x017F;tament geht<lb/>
durchweg von der Voraus&#x017F;etzung einer voll&#x017F;tändigen Harmonie von<lb/>
Gen. 1 mit Gen. 2 aus. Das nach Eph. 4, 24; Col. 3, 9<lb/>
wieder zu erlangende Gottesbild i&#x017F;t kein anderes als das &#x017F;einem<lb/>
göttlichen Ur&#x017F;prunge nach in Gen. 2, 7 ff., &#x017F;einem Verlu&#x017F;te durch<lb/>
den Sündenfall nach in Gen. 3 be&#x017F;chriebene, auch von <gap reason="illegible" unit="words" quantity="1"/> &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
einmal durch den Begriff des Gottent&#x017F;prungen&#x017F;eins oder göttlichen<lb/>
Ge&#x017F;chlechts-Seins (Apg. 17, 29) ausgedrückt. Die Stelle 1. Cor.<lb/>
11, 7 ff. ver&#x017F;chmilzt die beiden mo&#x017F;ai&#x017F;chen Relationen über die<lb/>
Men&#x017F;chen&#x017F;chöpfung voll&#x017F;tändig in Eine. Der Mann zuvörder&#x017F;t, um<lb/>
&#x017F;einetwillen aber auch das aus ihm gebildete Weib, das &#x201E;Bein von<lb/>
&#x017F;einem Beine und Flei&#x017F;ch von &#x017F;einem Flei&#x017F;che&#x201F; (1. Mo&#x017F;. 2, 23), &#x017F;ie<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[60/0070] II. Die Schriftlehre vom Urſtande. dieſer Berufserfüllung, die Entwicklung zur allſeitig durchgeführten Erdherrſchaft alſo in lauterem kindlichen Gehorſam gegen Gottes Gebote ſowie unter Gottes Segen (ſ. K. 1, 28 f.; 2, 16 ff.) vor ſich gehen: eine heilige Lebensentwicklung, gleichwie der Schöpfer heiliges Leben lebt (vgl. 3. Moſ. 11, 44; 1. Petr. 1, 15.), ein Leben nicht nach Fleiſches Weiſe ſondern nach dem Geſetze des Geiſtes, des von Gott uns eingehauchten heiligen Lebensodems (vgl. Hi. 33, 4; Sach. 12, 1; Pred. 12, 7), kurz ein Leben aus Gott und zu Gott, ein „rechtſchaffenes‟ Leben (jāschār: Pred. 7, 30), ein Leben in Gerechtigkeit und Heiligkeit der Wahrheit (Eph. 4, 24). — Wollte man ſo ſpröde ſein, die weſentliche Einheit des in Gen. 1, 26 f. direct ausgedrückten und des in Gen. 2, 7 beſchriebenen Gottbildlichkeitsbegriffes nicht anzuerkennen, die Jdee des göttlichen Ebenbildes alſo, weil der betr. Ausdruck im Paradieſes- und Sündenfallsberichte nicht vorkommt, als dem Urheber dieſes Berichts gänzlich fremd darzuſtellen und das geiſtdurchhauchte Erdengebilde mit lebendiger Seele für ein total anderes Weſen zu erklären als das nach dem Bilde und Gleichniß Gottes geſchaffene Menſchenpaar: wunderlich genug und ungeheuerlich, wie ſolche Meinung an ſich ſchon wäre, würde ſie durch die neuteſtamentlichen Parallelen auf das Beſtimmteſte wiederlegt werden. Das Neue Teſtament geht durchweg von der Vorausſetzung einer vollſtändigen Harmonie von Gen. 1 mit Gen. 2 aus. Das nach Eph. 4, 24; Col. 3, 9 wieder zu erlangende Gottesbild iſt kein anderes als das ſeinem göttlichen Urſprunge nach in Gen. 2, 7 ff., ſeinem Verluſte durch den Sündenfall nach in Gen. 3 beſchriebene, auch von _ ſelbſt einmal durch den Begriff des Gottentſprungenſeins oder göttlichen Geſchlechts-Seins (Apg. 17, 29) ausgedrückt. Die Stelle 1. Cor. 11, 7 ff. verſchmilzt die beiden moſaiſchen Relationen über die Menſchenſchöpfung vollſtändig in Eine. Der Mann zuvörderſt, um ſeinetwillen aber auch das aus ihm gebildete Weib, das „Bein von ſeinem Beine und Fleiſch von ſeinem Fleiſche‟ (1. Moſ. 2, 23), ſie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879/70
Zitationshilfe: Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879/70>, abgerufen am 25.11.2024.