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Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.

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II. Die Schriftlehre vom Urstande.
Beide sind nach Gottes Bilde gemacht und Gottes Abglanz, jener
unmittelbarer, diese mittelbarer Weise.

II. Der Gott, nach dessen Bilde der Mensch ge-
schaffen, ist der Gott der h. Schrift, der im Alten
Testamente unvollständiger, im Neuen vollkommner
geoffenbarte Dreieinige.
Es ist weder ein ins Unbestimmte
zerfließender unpersönlicher Allgeist, noch ein in abstracter Jenseitigkeit
verharrender Weltschöpfer ohne kräftiges Eingreifen in die Welt-
geschicke, der mit der Erschaffung eines ihm ebenbildlichen Menschen
sein Schöpfungswerk zum Abschlusse bringt. Weder einen ohn-
mächtigen Deistengott hoch oben jenseits der Sterne, noch einen
pantheistisch gedachten, in seiner Creatur ganz und gar aufgehenden
Universalgeist spiegelt der gottbildliche Herrscher über die niedere
Erdenwelt ab. Dem als freie Persönlichkeit seinen materiellen
Leibesorganismus regierenden und mittelst desselben seine Herrscher-
würde über die irdisch geschöpfliche Welt ausübenden Menschen wird
zwar nicht ein körperlicher, äußerlich sicht- und greifbarer Gott als
Urbild entsprechen, aber doch ein solches göttliches Geistwesen, dessen
unsichtbare Geistigkeit keine abstracte, sondern eine concrete, in sich
bestimmte und kräftig abgeschlossene, und ebendarum zur Versicht-
barung an ihre Geschöpfe fähige ist. Ein höheres Analogon zur
menschlichen Leiblichkeit muß auch in Gott vorhanden sein, eine
göttliche Natur oder Organisation als Abdruck und Entfaltung der
im verborgnen Urgrunde der Gottheit ruhenden Wesensfülle; ein
Wort, dadurch Gott zu seinen Geschöpfen redet, ein Sohn Gottes,
in welchem die Fülle der Gottheit leibhaftig wohnet. Der in seinem
Sohn, dem ewigen Ebenbilde seines Wesens und dem Ausstrahl
seiner Herrlichkeit (Hebr. 1, 3) offenbar gewordne Gott ist unser
Urbild; wir sind nicht nach einer abstracten Monas ohne inneres
geistig-persönliches Leben gebildet, sondern nach dem Gotte des Neuen
Bundes, der sich in der Sendung seines Sohnes und der Spendung
seines heiligen Geistes als den Gott der höchsten ewigen Liebe
geoffenbaret hat. Unser göttlich-schöpferisches Urbild ist die Liebe

II. Die Schriftlehre vom Urſtande.
Beide ſind nach Gottes Bilde gemacht und Gottes Abglanz, jener
unmittelbarer, dieſe mittelbarer Weiſe.

II. Der Gott, nach deſſen Bilde der Menſch ge-
ſchaffen, iſt der Gott der h. Schrift, der im Alten
Teſtamente unvollſtändiger, im Neuen vollkommner
geoffenbarte Dreieinige.
Es iſt weder ein ins Unbeſtimmte
zerfließender unperſönlicher Allgeiſt, noch ein in abſtracter Jenſeitigkeit
verharrender Weltſchöpfer ohne kräftiges Eingreifen in die Welt-
geſchicke, der mit der Erſchaffung eines ihm ebenbildlichen Menſchen
ſein Schöpfungswerk zum Abſchluſſe bringt. Weder einen ohn-
mächtigen Deiſtengott hoch oben jenſeits der Sterne, noch einen
pantheiſtiſch gedachten, in ſeiner Creatur ganz und gar aufgehenden
Univerſalgeiſt ſpiegelt der gottbildliche Herrſcher über die niedere
Erdenwelt ab. Dem als freie Perſönlichkeit ſeinen materiellen
Leibesorganismus regierenden und mittelſt deſſelben ſeine Herrſcher-
würde über die irdiſch geſchöpfliche Welt ausübenden Menſchen wird
zwar nicht ein körperlicher, äußerlich ſicht- und greifbarer Gott als
Urbild entſprechen, aber doch ein ſolches göttliches Geiſtweſen, deſſen
unſichtbare Geiſtigkeit keine abſtracte, ſondern eine concrete, in ſich
beſtimmte und kräftig abgeſchloſſene, und ebendarum zur Verſicht-
barung an ihre Geſchöpfe fähige iſt. Ein höheres Analogon zur
menſchlichen Leiblichkeit muß auch in Gott vorhanden ſein, eine
göttliche Natur oder Organiſation als Abdruck und Entfaltung der
im verborgnen Urgrunde der Gottheit ruhenden Weſensfülle; ein
Wort, dadurch Gott zu ſeinen Geſchöpfen redet, ein Sohn Gottes,
in welchem die Fülle der Gottheit leibhaftig wohnet. Der in ſeinem
Sohn, dem ewigen Ebenbilde ſeines Weſens und dem Ausſtrahl
ſeiner Herrlichkeit (Hebr. 1, 3) offenbar gewordne Gott iſt unſer
Urbild; wir ſind nicht nach einer abſtracten Monas ohne inneres
geiſtig-perſönliches Leben gebildet, ſondern nach dem Gotte des Neuen
Bundes, der ſich in der Sendung ſeines Sohnes und der Spendung
ſeines heiligen Geiſtes als den Gott der höchſten ewigen Liebe
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[61/0071] II. Die Schriftlehre vom Urſtande. Beide ſind nach Gottes Bilde gemacht und Gottes Abglanz, jener unmittelbarer, dieſe mittelbarer Weiſe. II. Der Gott, nach deſſen Bilde der Menſch ge- ſchaffen, iſt der Gott der h. Schrift, der im Alten Teſtamente unvollſtändiger, im Neuen vollkommner geoffenbarte Dreieinige. Es iſt weder ein ins Unbeſtimmte zerfließender unperſönlicher Allgeiſt, noch ein in abſtracter Jenſeitigkeit verharrender Weltſchöpfer ohne kräftiges Eingreifen in die Welt- geſchicke, der mit der Erſchaffung eines ihm ebenbildlichen Menſchen ſein Schöpfungswerk zum Abſchluſſe bringt. Weder einen ohn- mächtigen Deiſtengott hoch oben jenſeits der Sterne, noch einen pantheiſtiſch gedachten, in ſeiner Creatur ganz und gar aufgehenden Univerſalgeiſt ſpiegelt der gottbildliche Herrſcher über die niedere Erdenwelt ab. Dem als freie Perſönlichkeit ſeinen materiellen Leibesorganismus regierenden und mittelſt deſſelben ſeine Herrſcher- würde über die irdiſch geſchöpfliche Welt ausübenden Menſchen wird zwar nicht ein körperlicher, äußerlich ſicht- und greifbarer Gott als Urbild entſprechen, aber doch ein ſolches göttliches Geiſtweſen, deſſen unſichtbare Geiſtigkeit keine abſtracte, ſondern eine concrete, in ſich beſtimmte und kräftig abgeſchloſſene, und ebendarum zur Verſicht- barung an ihre Geſchöpfe fähige iſt. Ein höheres Analogon zur menſchlichen Leiblichkeit muß auch in Gott vorhanden ſein, eine göttliche Natur oder Organiſation als Abdruck und Entfaltung der im verborgnen Urgrunde der Gottheit ruhenden Weſensfülle; ein Wort, dadurch Gott zu ſeinen Geſchöpfen redet, ein Sohn Gottes, in welchem die Fülle der Gottheit leibhaftig wohnet. Der in ſeinem Sohn, dem ewigen Ebenbilde ſeines Weſens und dem Ausſtrahl ſeiner Herrlichkeit (Hebr. 1, 3) offenbar gewordne Gott iſt unſer Urbild; wir ſind nicht nach einer abſtracten Monas ohne inneres geiſtig-perſönliches Leben gebildet, ſondern nach dem Gotte des Neuen Bundes, der ſich in der Sendung ſeines Sohnes und der Spendung ſeines heiligen Geiſtes als den Gott der höchſten ewigen Liebe geoffenbaret hat. Unſer göttlich-ſchöpferiſches Urbild iſt die Liebe

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Zitationshilfe: Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879/71>, abgerufen am 25.11.2024.