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Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.

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VIII. Die Langlebigkeit der Patriarchen.
lung von der Aufrichtung des Regenbogens als Bundes- und
Friedenszeichens nach der Fluth, womit ebenso wenig wie mit der
Angabe vom Sichaufthun der Fenster des Himmels etc. (1 Mos. 7,
11 f.) ein erstes Auftreten der betr. Naturbegebenheiten gemeldet
werden soll. -- Daß die Menschheitsgeschichte während des Zeit-
alters der sethitischen Erzväter auf einem durch Klima und sonstige
Naturverhältnisse besonders begünstigten Schauplatze sich abspielte,
geben auch wir zu, wie aus dem vorhergehenden Abschnitte erhellt.
Aber zur Erklärung des ungewöhnlich langen Lebens jener Väter
wagen wir diese Annahme, so wahrscheinlich sie uns dünkt, doch nur
ganz nebensächlicherweise zu benutzen. Von einer günstigeren Zu-
sammensetzung der atmosphärischen Luft während jener Zeiten kann
vollends nicht die Rede sein. Durch welche Mittel chemischer For-
schung sollte wohl auch nur von fernher etwas Derartiges wie viel-
leicht ein schwächerer, oder gar ein stärkerer Ozongehalt der dama-
ligen Luft nachzuweisen sein!

Viel stärker fallen die dem diätetischen und religiös-ethischen
Bereiche entnommenen Wahrscheinlichkeitsgründe ins Gewicht. Hier
fesselt vor Allem die Hinweisung auf die Wahrscheinlichkeit eines
Beschränktbleibens der Erzväter auf bloße Pflanzennahrung
unsre Aufmerksamkeit. Exegetisch zulässig, durch einige Andeutungen
im Schrifttexte begünstigt, muß eine solche Annahme auf jeden Fall
genannt werden. Das Schöpferwort Gen. 1, 29 f. enthält aller-
dings nicht gerade ein Fleischverbot, gedenkt aber doch unter den
der Menschheit "zur Speise" angewiesenen Dingen lediglich des
"allerlei Kraut" und der "allerlei fruchtbaren und samentragenden
Bäume". Und erst nach der Sintfluth heißt es ausdrücklich: "Alles
was sich lebet und reget, das sei eure Speise; wie das grüne Kraut
habe ich es euch Alles gegeben" (Gen. 9, 3). Da nun zwar der
Thierfelle als Bekleidungsmittels schon fürs erste Paar, aber nicht
als Nebenproducts von Thiermahlzeiten gedacht wird (Gen. 3, 21),
und da ferner zwar von Opfern aber nicht von Opfermahlzeiten
der Söhne Adams die ist, (Gen. 4, 14), so scheint thatsächlich eine

Zöckler, Urstand. 18

VIII. Die Langlebigkeit der Patriarchen.
lung von der Aufrichtung des Regenbogens als Bundes- und
Friedenszeichens nach der Fluth, womit ebenſo wenig wie mit der
Angabe vom Sichaufthun der Fenſter des Himmels ꝛc. (1 Moſ. 7,
11 f.) ein erſtes Auftreten der betr. Naturbegebenheiten gemeldet
werden ſoll. — Daß die Menſchheitsgeſchichte während des Zeit-
alters der ſethitiſchen Erzväter auf einem durch Klima und ſonſtige
Naturverhältniſſe beſonders begünſtigten Schauplatze ſich abſpielte,
geben auch wir zu, wie aus dem vorhergehenden Abſchnitte erhellt.
Aber zur Erklärung des ungewöhnlich langen Lebens jener Väter
wagen wir dieſe Annahme, ſo wahrſcheinlich ſie uns dünkt, doch nur
ganz nebenſächlicherweiſe zu benutzen. Von einer günſtigeren Zu-
ſammenſetzung der atmoſphäriſchen Luft während jener Zeiten kann
vollends nicht die Rede ſein. Durch welche Mittel chemiſcher For-
ſchung ſollte wohl auch nur von fernher etwas Derartiges wie viel-
leicht ein ſchwächerer, oder gar ein ſtärkerer Ozongehalt der dama-
ligen Luft nachzuweiſen ſein!

Viel ſtärker fallen die dem diätetiſchen und religiös-ethiſchen
Bereiche entnommenen Wahrſcheinlichkeitsgründe ins Gewicht. Hier
feſſelt vor Allem die Hinweiſung auf die Wahrſcheinlichkeit eines
Beſchränktbleibens der Erzväter auf bloße Pflanzennahrung
unſre Aufmerkſamkeit. Exegetiſch zuläſſig, durch einige Andeutungen
im Schrifttexte begünſtigt, muß eine ſolche Annahme auf jeden Fall
genannt werden. Das Schöpferwort Gen. 1, 29 f. enthält aller-
dings nicht gerade ein Fleiſchverbot, gedenkt aber doch unter den
der Menſchheit „zur Speiſe‟ angewieſenen Dingen lediglich des
„allerlei Kraut‟ und der „allerlei fruchtbaren und ſamentragenden
Bäume‟. Und erſt nach der Sintfluth heißt es ausdrücklich: „Alles
was ſich lebet und reget, das ſei eure Speiſe; wie das grüne Kraut
habe ich es euch Alles gegeben‟ (Gen. 9, 3). Da nun zwar der
Thierfelle als Bekleidungsmittels ſchon fürs erſte Paar, aber nicht
als Nebenproducts von Thiermahlzeiten gedacht wird (Gen. 3, 21),
und da ferner zwar von Opfern aber nicht von Opfermahlzeiten
der Söhne Adams die iſt, (Gen. 4, 14), ſo ſcheint thatſächlich eine

Zöckler, Urſtand. 18
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[273/0283] VIII. Die Langlebigkeit der Patriarchen. lung von der Aufrichtung des Regenbogens als Bundes- und Friedenszeichens nach der Fluth, womit ebenſo wenig wie mit der Angabe vom Sichaufthun der Fenſter des Himmels ꝛc. (1 Moſ. 7, 11 f.) ein erſtes Auftreten der betr. Naturbegebenheiten gemeldet werden ſoll. — Daß die Menſchheitsgeſchichte während des Zeit- alters der ſethitiſchen Erzväter auf einem durch Klima und ſonſtige Naturverhältniſſe beſonders begünſtigten Schauplatze ſich abſpielte, geben auch wir zu, wie aus dem vorhergehenden Abſchnitte erhellt. Aber zur Erklärung des ungewöhnlich langen Lebens jener Väter wagen wir dieſe Annahme, ſo wahrſcheinlich ſie uns dünkt, doch nur ganz nebenſächlicherweiſe zu benutzen. Von einer günſtigeren Zu- ſammenſetzung der atmoſphäriſchen Luft während jener Zeiten kann vollends nicht die Rede ſein. Durch welche Mittel chemiſcher For- ſchung ſollte wohl auch nur von fernher etwas Derartiges wie viel- leicht ein ſchwächerer, oder gar ein ſtärkerer Ozongehalt der dama- ligen Luft nachzuweiſen ſein! Viel ſtärker fallen die dem diätetiſchen und religiös-ethiſchen Bereiche entnommenen Wahrſcheinlichkeitsgründe ins Gewicht. Hier feſſelt vor Allem die Hinweiſung auf die Wahrſcheinlichkeit eines Beſchränktbleibens der Erzväter auf bloße Pflanzennahrung unſre Aufmerkſamkeit. Exegetiſch zuläſſig, durch einige Andeutungen im Schrifttexte begünſtigt, muß eine ſolche Annahme auf jeden Fall genannt werden. Das Schöpferwort Gen. 1, 29 f. enthält aller- dings nicht gerade ein Fleiſchverbot, gedenkt aber doch unter den der Menſchheit „zur Speiſe‟ angewieſenen Dingen lediglich des „allerlei Kraut‟ und der „allerlei fruchtbaren und ſamentragenden Bäume‟. Und erſt nach der Sintfluth heißt es ausdrücklich: „Alles was ſich lebet und reget, das ſei eure Speiſe; wie das grüne Kraut habe ich es euch Alles gegeben‟ (Gen. 9, 3). Da nun zwar der Thierfelle als Bekleidungsmittels ſchon fürs erſte Paar, aber nicht als Nebenproducts von Thiermahlzeiten gedacht wird (Gen. 3, 21), und da ferner zwar von Opfern aber nicht von Opfermahlzeiten der Söhne Adams die iſt, (Gen. 4, 14), ſo ſcheint thatſächlich eine Zöckler, Urſtand. 18

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Zitationshilfe: Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879/283>, abgerufen am 22.11.2024.