Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.VII. Der Ursitz des Menschengeschlechts. nach, welche Pasitigris-Arme (oder auch welche Zuflüsse zu demgroßen Strome) mit dem Pison und Gihon gemeint seien, blieb auch den Nachweis dafür, daß gerade der an den Pasitigris an- stoßende Theil Arabiens den Namen Chavila geführt habe, schuldig -- fand sie doch bald bei Auslegern verschiedner Confessionen und Richtungen Anklang.1) Durch die sprachgelehrten Annotationen des Franz Vatablus (1545) bahute sie sich zu Calvin ihren Weg, dessen gewaltige Autorität sie bald zur herrschenden Annahme in den reformirt-orthodoxen Kreisen machte. Doch folgten ihr auch die an- geseheneren Exegeten des Katholicismus (wie Pererius, Cornelius Jansen, Corn. a Lapide, Petavius, Mersenne), und selbst einzelne Lutheraner schlossen sich ihr an; so Joh. Gerhard wenigstens bedingter- weise, der Stettiner Gymnasialrector Micrälius aber mit voller Entschiedenheit. Der Letztere machte auch einen bemerkenswerthen Versuch, das was Eugubin betreffs der beiden Pasitigris-Arme un- bestimmt gelassen hatte, genauer zu präcisiren, indem er den Pison für den Basilius-Arm, den Gihon für den Maarsares-Arm (nach Ptolemäus) erklärte. Es geschah dieß um dieselbe Zeit, wo auf reformirter Seite Coccejus der betr. Schwierigkeit durch Aufstellung der Conjectur zu begegnen suchte: Gihon und Pison seien als beson- dere Schat-el-Arab-Arme jetzt nicht mehr erkennbar, weil sie im Laufe der Jahrtausende allmählig den persischen Golf ausgehöhlt und so den früheren mehrarmigen Strom zu einem mächtigen Meer- busen erweitert und vertieft hätten. Gegen die Mitte des 17. Jahrhunderts trat dieser Pasitigris- 1) Das Nähere siehe in meiner Geschichte der Beziehungen etc. I, 634 ff.,
wo diese früher vielfach (z. B. bei W. Pressel in dem sonst sehr gründlich gearbeiteten Artikel "Paradies" in der Herzog'schen Realenc.) verkannten Ver- hältnisse zum ersten Male eine genauere Darstellung erfahren haben. VII. Der Urſitz des Menſchengeſchlechts. nach, welche Paſitigris-Arme (oder auch welche Zuflüſſe zu demgroßen Strome) mit dem Piſon und Gihon gemeint ſeien, blieb auch den Nachweis dafür, daß gerade der an den Paſitigris an- ſtoßende Theil Arabiens den Namen Chavila geführt habe, ſchuldig — fand ſie doch bald bei Auslegern verſchiedner Confeſſionen und Richtungen Anklang.1) Durch die ſprachgelehrten Annotationen des Franz Vatablus (1545) bahute ſie ſich zu Calvin ihren Weg, deſſen gewaltige Autorität ſie bald zur herrſchenden Annahme in den reformirt-orthodoxen Kreiſen machte. Doch folgten ihr auch die an- geſeheneren Exegeten des Katholicismus (wie Pererius, Cornelius Janſen, Corn. a Lapide, Petavius, Merſenne), und ſelbſt einzelne Lutheraner ſchloſſen ſich ihr an; ſo Joh. Gerhard wenigſtens bedingter- weiſe, der Stettiner Gymnaſialrector Micrälius aber mit voller Entſchiedenheit. Der Letztere machte auch einen bemerkenswerthen Verſuch, das was Eugubin betreffs der beiden Paſitigris-Arme un- beſtimmt gelaſſen hatte, genauer zu präciſiren, indem er den Piſon für den Baſilius-Arm, den Gihon für den Maarſares-Arm (nach Ptolemäus) erklärte. Es geſchah dieß um dieſelbe Zeit, wo auf reformirter Seite Coccejus der betr. Schwierigkeit durch Aufſtellung der Conjectur zu begegnen ſuchte: Gihon und Piſon ſeien als beſon- dere Schat-el-Arab-Arme jetzt nicht mehr erkennbar, weil ſie im Laufe der Jahrtauſende allmählig den perſiſchen Golf ausgehöhlt und ſo den früheren mehrarmigen Strom zu einem mächtigen Meer- buſen erweitert und vertieft hätten. Gegen die Mitte des 17. Jahrhunderts trat dieſer Paſitigris- 1) Das Nähere ſiehe in meiner Geſchichte der Beziehungen ꝛc. I, 634 ff.,
wo dieſe früher vielfach (z. B. bei W. Preſſel in dem ſonſt ſehr gründlich gearbeiteten Artikel „Paradies‟ in der Herzog’ſchen Realenc.) verkannten Ver- hältniſſe zum erſten Male eine genauere Darſtellung erfahren haben. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0231" n="221"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">VII.</hi> Der Urſitz des Menſchengeſchlechts.</fw><lb/> nach, welche Paſitigris-Arme (oder auch welche Zuflüſſe zu dem<lb/> großen Strome) mit dem Piſon und Gihon gemeint ſeien, blieb<lb/> auch den Nachweis dafür, daß gerade der an den Paſitigris an-<lb/> ſtoßende Theil Arabiens den Namen Chavila geführt habe, ſchuldig —<lb/> fand ſie doch bald bei Auslegern verſchiedner Confeſſionen und<lb/> Richtungen Anklang.<note place="foot" n="1)">Das Nähere ſiehe in meiner Geſchichte der Beziehungen ꝛc. <hi rendition="#aq">I,</hi> 634 ff.,<lb/> wo dieſe früher vielfach (z. B. bei W. <hi rendition="#g">Preſſel</hi> in dem ſonſt ſehr gründlich<lb/> gearbeiteten Artikel „Paradies‟ in der Herzog’ſchen Realenc.) verkannten Ver-<lb/> hältniſſe zum erſten Male eine genauere Darſtellung erfahren haben.</note> Durch die ſprachgelehrten Annotationen des<lb/> Franz Vatablus (1545) bahute ſie ſich zu Calvin ihren Weg, deſſen<lb/> gewaltige Autorität ſie bald zur herrſchenden Annahme in den<lb/> reformirt-orthodoxen Kreiſen machte. Doch folgten ihr auch die an-<lb/> geſeheneren Exegeten des Katholicismus (wie Pererius, Cornelius<lb/> Janſen, Corn. a Lapide, Petavius, Merſenne), und ſelbſt einzelne<lb/> Lutheraner ſchloſſen ſich ihr an; ſo Joh. Gerhard wenigſtens bedingter-<lb/> weiſe, der Stettiner Gymnaſialrector Micrälius aber mit voller<lb/> Entſchiedenheit. Der Letztere machte auch einen bemerkenswerthen<lb/> Verſuch, das was Eugubin betreffs der beiden Paſitigris-Arme un-<lb/> beſtimmt gelaſſen hatte, genauer zu präciſiren, indem er den Piſon<lb/> für den Baſilius-Arm, den Gihon für den Maarſares-Arm (nach<lb/> Ptolemäus) erklärte. Es geſchah dieß um dieſelbe Zeit, wo auf<lb/> reformirter Seite Coccejus der betr. Schwierigkeit durch Aufſtellung<lb/> der Conjectur zu begegnen ſuchte: Gihon und Piſon ſeien als beſon-<lb/> dere Schat-el-Arab-Arme jetzt nicht mehr erkennbar, weil ſie im<lb/> Laufe der Jahrtauſende allmählig den perſiſchen Golf ausgehöhlt<lb/> und ſo den früheren mehrarmigen Strom zu einem mächtigen Meer-<lb/> buſen erweitert und vertieft hätten.</p><lb/> <p>Gegen die Mitte des 17. Jahrhunderts trat dieſer Paſitigris-<lb/> Hypotheſe, welche den Garten Erden als eine flache Stromdelta-<lb/> Landſchaft dachte, eine neue Theorie concurrirend zur Seite, welche<lb/> vielmehr aus dem Paradieſe eine hochgelegene Berglandſchaft zu<lb/> machen ſucht, ſofern ſie es in die Quellgegend des Euphrat und<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [221/0231]
VII. Der Urſitz des Menſchengeſchlechts.
nach, welche Paſitigris-Arme (oder auch welche Zuflüſſe zu dem
großen Strome) mit dem Piſon und Gihon gemeint ſeien, blieb
auch den Nachweis dafür, daß gerade der an den Paſitigris an-
ſtoßende Theil Arabiens den Namen Chavila geführt habe, ſchuldig —
fand ſie doch bald bei Auslegern verſchiedner Confeſſionen und
Richtungen Anklang. 1) Durch die ſprachgelehrten Annotationen des
Franz Vatablus (1545) bahute ſie ſich zu Calvin ihren Weg, deſſen
gewaltige Autorität ſie bald zur herrſchenden Annahme in den
reformirt-orthodoxen Kreiſen machte. Doch folgten ihr auch die an-
geſeheneren Exegeten des Katholicismus (wie Pererius, Cornelius
Janſen, Corn. a Lapide, Petavius, Merſenne), und ſelbſt einzelne
Lutheraner ſchloſſen ſich ihr an; ſo Joh. Gerhard wenigſtens bedingter-
weiſe, der Stettiner Gymnaſialrector Micrälius aber mit voller
Entſchiedenheit. Der Letztere machte auch einen bemerkenswerthen
Verſuch, das was Eugubin betreffs der beiden Paſitigris-Arme un-
beſtimmt gelaſſen hatte, genauer zu präciſiren, indem er den Piſon
für den Baſilius-Arm, den Gihon für den Maarſares-Arm (nach
Ptolemäus) erklärte. Es geſchah dieß um dieſelbe Zeit, wo auf
reformirter Seite Coccejus der betr. Schwierigkeit durch Aufſtellung
der Conjectur zu begegnen ſuchte: Gihon und Piſon ſeien als beſon-
dere Schat-el-Arab-Arme jetzt nicht mehr erkennbar, weil ſie im
Laufe der Jahrtauſende allmählig den perſiſchen Golf ausgehöhlt
und ſo den früheren mehrarmigen Strom zu einem mächtigen Meer-
buſen erweitert und vertieft hätten.
Gegen die Mitte des 17. Jahrhunderts trat dieſer Paſitigris-
Hypotheſe, welche den Garten Erden als eine flache Stromdelta-
Landſchaft dachte, eine neue Theorie concurrirend zur Seite, welche
vielmehr aus dem Paradieſe eine hochgelegene Berglandſchaft zu
machen ſucht, ſofern ſie es in die Quellgegend des Euphrat und
1) Das Nähere ſiehe in meiner Geſchichte der Beziehungen ꝛc. I, 634 ff.,
wo dieſe früher vielfach (z. B. bei W. Preſſel in dem ſonſt ſehr gründlich
gearbeiteten Artikel „Paradies‟ in der Herzog’ſchen Realenc.) verkannten Ver-
hältniſſe zum erſten Male eine genauere Darſtellung erfahren haben.
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