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Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.

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VII. Der Ursitz des Menschengeschlechts.
Tigris verlegt, den Gihon und Pison aber in zweien irgendwo am
Kaukasus oder im armenischen Hochlande entspringenden Flüssen
nahe diesem oberen Laufe des mesopotamischen Doppelstroms nach-
weisen will. Ein frühester Keim dieser Armenien-Hypothese
war schon während der ersten Jahre der Reformationszeit bei dem
gelehrten Züricher Konrad Pellicanus (1533) hervorgetreten, dessen
Muthmaßung, es möchten Gihon und Pison wohl armenische Flüsse
sein, übrigens noch an einer gewissen Unsicherheit litt. Bestimmter
verlegte der jesuitische Geograph J. Fournier (um 1640) das Pa-
radies in die Gegend um den Ararat oder auch nahe dem Süd-
ende des kaspischen Meers. Jhm schlossen zunächst sein Ordens-
genosse Athanasius Kircher (1656) und der lutherische Cartesianer
Sam. Reyher in Kiel (1679) sich an. Zu größerer wissenschaftlicher
Schärfe sortgebildet erscheint die Armenien-Hypothese zuerst bei dem
berühmten Utrechter biblischen Geographen und Archäologen Hadrian
Reland (1706). Er deutete den Pison bestimmt auf den Pasis, den
Gihon auf den Araxes, das Goldland Chavila aber auf Kolchis.
Mit dieser durch theilweise Gleichklänge der Namen begünstigten
Lösung eines alten Räthsels fand er ungemein vielen Beifall, zumal
da die zu seiner Zeit ausgeführten Reisen des Botanikers Tournefort
nach Hocharmenien unwidersprechliche Beweise dafür, daß nur hier,
in der reich gesegneten Gegend zwischen Erzerum und Tiflis etwa,
das Paradies gelegen haben könne, zu erbringen schienen. Scheuchzers
Physica sacra verbreitete die so fortgebildete Theorie in reformirten,
Calmets großer Bibelcommentar in römisch-katholischen Kreisen.
Neuerdings haben auch viele lutherische Schriftforscher von Ansehen
sich für diese Armenien-Hypothese als die annehmbarste ausgesprochen
(Karl v. Raumer, Kurtz, Baumgarten, Keil, Franz Delitzsch), so
daß sie, da fortwährend auch gewichtige reformirte Stimmen für sie
eintraten (Zahn, J. P. Lange, von Rougemont) längere Zeit als
Siegerin über die rivalisirende Pasitigris-Deutung gelten konnte.

Jmmerhin hat auch die letztere bis in die neueste Zeit hinein
ihre Anhänger behalten (Rask, W. Pressel, M' Causland, Sayce,

VII. Der Urſitz des Menſchengeſchlechts.
Tigris verlegt, den Gihon und Piſon aber in zweien irgendwo am
Kaukaſus oder im armeniſchen Hochlande entſpringenden Flüſſen
nahe dieſem oberen Laufe des meſopotamiſchen Doppelſtroms nach-
weiſen will. Ein früheſter Keim dieſer Armenien-Hypotheſe
war ſchon während der erſten Jahre der Reformationszeit bei dem
gelehrten Züricher Konrad Pellicanus (1533) hervorgetreten, deſſen
Muthmaßung, es möchten Gihon und Piſon wohl armeniſche Flüſſe
ſein, übrigens noch an einer gewiſſen Unſicherheit litt. Beſtimmter
verlegte der jeſuitiſche Geograph J. Fournier (um 1640) das Pa-
radies in die Gegend um den Ararat oder auch nahe dem Süd-
ende des kaspiſchen Meers. Jhm ſchloſſen zunächſt ſein Ordens-
genoſſe Athanaſius Kircher (1656) und der lutheriſche Carteſianer
Sam. Reyher in Kiel (1679) ſich an. Zu größerer wiſſenſchaftlicher
Schärfe ſortgebildet erſcheint die Armenien-Hypotheſe zuerſt bei dem
berühmten Utrechter bibliſchen Geographen und Archäologen Hadrian
Reland (1706). Er deutete den Piſon beſtimmt auf den Paſis, den
Gihon auf den Araxes, das Goldland Chavila aber auf Kolchis.
Mit dieſer durch theilweiſe Gleichklänge der Namen begünſtigten
Löſung eines alten Räthſels fand er ungemein vielen Beifall, zumal
da die zu ſeiner Zeit ausgeführten Reiſen des Botanikers Tournefort
nach Hocharmenien unwiderſprechliche Beweiſe dafür, daß nur hier,
in der reich geſegneten Gegend zwiſchen Erzerum und Tiflis etwa,
das Paradies gelegen haben könne, zu erbringen ſchienen. Scheuchzers
Physica sacra verbreitete die ſo fortgebildete Theorie in reformirten,
Calmets großer Bibelcommentar in römiſch-katholiſchen Kreiſen.
Neuerdings haben auch viele lutheriſche Schriftforſcher von Anſehen
ſich für dieſe Armenien-Hypotheſe als die annehmbarſte ausgeſprochen
(Karl v. Raumer, Kurtz, Baumgarten, Keil, Franz Delitzſch), ſo
daß ſie, da fortwährend auch gewichtige reformirte Stimmen für ſie
eintraten (Zahn, J. P. Lange, von Rougemont) längere Zeit als
Siegerin über die rivaliſirende Paſitigris-Deutung gelten konnte.

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[222/0232] VII. Der Urſitz des Menſchengeſchlechts. Tigris verlegt, den Gihon und Piſon aber in zweien irgendwo am Kaukaſus oder im armeniſchen Hochlande entſpringenden Flüſſen nahe dieſem oberen Laufe des meſopotamiſchen Doppelſtroms nach- weiſen will. Ein früheſter Keim dieſer Armenien-Hypotheſe war ſchon während der erſten Jahre der Reformationszeit bei dem gelehrten Züricher Konrad Pellicanus (1533) hervorgetreten, deſſen Muthmaßung, es möchten Gihon und Piſon wohl armeniſche Flüſſe ſein, übrigens noch an einer gewiſſen Unſicherheit litt. Beſtimmter verlegte der jeſuitiſche Geograph J. Fournier (um 1640) das Pa- radies in die Gegend um den Ararat oder auch nahe dem Süd- ende des kaspiſchen Meers. Jhm ſchloſſen zunächſt ſein Ordens- genoſſe Athanaſius Kircher (1656) und der lutheriſche Carteſianer Sam. Reyher in Kiel (1679) ſich an. Zu größerer wiſſenſchaftlicher Schärfe ſortgebildet erſcheint die Armenien-Hypotheſe zuerſt bei dem berühmten Utrechter bibliſchen Geographen und Archäologen Hadrian Reland (1706). Er deutete den Piſon beſtimmt auf den Paſis, den Gihon auf den Araxes, das Goldland Chavila aber auf Kolchis. Mit dieſer durch theilweiſe Gleichklänge der Namen begünſtigten Löſung eines alten Räthſels fand er ungemein vielen Beifall, zumal da die zu ſeiner Zeit ausgeführten Reiſen des Botanikers Tournefort nach Hocharmenien unwiderſprechliche Beweiſe dafür, daß nur hier, in der reich geſegneten Gegend zwiſchen Erzerum und Tiflis etwa, das Paradies gelegen haben könne, zu erbringen ſchienen. Scheuchzers Physica sacra verbreitete die ſo fortgebildete Theorie in reformirten, Calmets großer Bibelcommentar in römiſch-katholiſchen Kreiſen. Neuerdings haben auch viele lutheriſche Schriftforſcher von Anſehen ſich für dieſe Armenien-Hypotheſe als die annehmbarſte ausgeſprochen (Karl v. Raumer, Kurtz, Baumgarten, Keil, Franz Delitzſch), ſo daß ſie, da fortwährend auch gewichtige reformirte Stimmen für ſie eintraten (Zahn, J. P. Lange, von Rougemont) längere Zeit als Siegerin über die rivaliſirende Paſitigris-Deutung gelten konnte. Jmmerhin hat auch die letztere bis in die neueſte Zeit hinein ihre Anhänger behalten (Rask, W. Preſſel, M’ Causland, Sayce,

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Zitationshilfe: Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879/232>, abgerufen am 28.11.2024.