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Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.

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VII. Der Ursitz des Menschengeschlechts.
Forschung oder Speculation zu streben. Jhnen floß irdisches und
himmlisches Paradies, einstige Wohnstätte Adams und Ort der
zukünftigen Seligkeit unterschiedslos ineinander. Wurde auch nicht,
gemäß alexandrinisch-spiritualistischer Deutung, das Paradies als die
"reine Erde im reinen Himmel" ganz ins Jenseits verlegt und seinen
vier Flüssen eine allegorische Beziehung auf die vier Cardinaltugenden
ertheilt (Origenes; ähnl. Ambrosius etc.); wurde es nicht als ein
völlig jenseitiges Behältniß seliger Geister, durch eine Feuerzone von
unsrer Erde getrennt, vorgestellt (Tertullian): immerhin überwog
bei Beschreibung seiner Lage und Beschaffenheit das mystisch-supra-
naturale über das concrete geographisch-historische Moment. Die
Lage "gen Osten" stand auf Grund von Gen. 2, 8 fest; ihre nähere
Bestimmung blieb frommer Einbildungskraft überlassen. Theophilus
von Antiochia, Ephräm, Eusebius von Emesa, Severian, Chryso-
stomus etc. rücken das selige Paradiesesland bis in die Mitte zwischen
Himmel und Erde empor, theilweise mit der näheren Bestimmung,
daß drei Stufen oder Stockwerke des bis in den höchsten Himmel
hineinragenden geheimnißvollen Aufenthaltsortes zu unterscheiden
seien, ferner mit der Angabe, daß die Sintfluthgewässer auch schon
nur bis zur untersten Stufe, dem einstigen Sitze Adams, nicht
hinanzureichen vermocht hätten, endlich mit mancherlei wunderlichen
Muthmaaßungen betreffs der Namen und des Laufs der vier Flüsse.
Diese wurden in der Regel, übereinstimmend mit Flav. Josephus,
auf Euphrat, Tigris, Nil (Gihon) und Ganges (Pison) gedeutet,
während Ephräm und Severian dem Ganges seltsamerweise den
fern im Westen strömenden Jster substituirten und die Verbindung
der vier weit von einander entfernten Flüsse mit ihrem gemeinsamen
Quellstrome auf unterirdischem Wege, durch hoch von oben zur Erde
herabkommende unsichtbare Canäle vermittelt sein ließen. -- Von
diesen Syrern, deren wahrscheinlich durch altorientalischen Götter-
berg-Sagen mit beeinflußte phantasievolle Annahmen leicht die Zustim-
mung Augustins und seiner Schule fanden, gieng das Wesentliche
der Speculation, insbesondere die Vorstellung von einer fast mond-

VII. Der Urſitz des Menſchengeſchlechts.
Forſchung oder Speculation zu ſtreben. Jhnen floß irdiſches und
himmliſches Paradies, einſtige Wohnſtätte Adams und Ort der
zukünftigen Seligkeit unterſchiedslos ineinander. Wurde auch nicht,
gemäß alexandriniſch-ſpiritualiſtiſcher Deutung, das Paradies als die
„reine Erde im reinen Himmel‟ ganz ins Jenſeits verlegt und ſeinen
vier Flüſſen eine allegoriſche Beziehung auf die vier Cardinaltugenden
ertheilt (Origenes; ähnl. Ambroſius ꝛc.); wurde es nicht als ein
völlig jenſeitiges Behältniß ſeliger Geiſter, durch eine Feuerzone von
unſrer Erde getrennt, vorgeſtellt (Tertullian): immerhin überwog
bei Beſchreibung ſeiner Lage und Beſchaffenheit das myſtiſch-ſupra-
naturale über das concrete geographiſch-hiſtoriſche Moment. Die
Lage „gen Oſten‟ ſtand auf Grund von Gen. 2, 8 feſt; ihre nähere
Beſtimmung blieb frommer Einbildungskraft überlaſſen. Theophilus
von Antiochia, Ephräm, Euſebius von Emeſa, Severian, Chryſo-
ſtomus ꝛc. rücken das ſelige Paradieſesland bis in die Mitte zwiſchen
Himmel und Erde empor, theilweiſe mit der näheren Beſtimmung,
daß drei Stufen oder Stockwerke des bis in den höchſten Himmel
hineinragenden geheimnißvollen Aufenthaltsortes zu unterſcheiden
ſeien, ferner mit der Angabe, daß die Sintfluthgewäſſer auch ſchon
nur bis zur unterſten Stufe, dem einſtigen Sitze Adams, nicht
hinanzureichen vermocht hätten, endlich mit mancherlei wunderlichen
Muthmaaßungen betreffs der Namen und des Laufs der vier Flüſſe.
Dieſe wurden in der Regel, übereinſtimmend mit Flav. Joſephus,
auf Euphrat, Tigris, Nil (Gihon) und Ganges (Piſon) gedeutet,
während Ephräm und Severian dem Ganges ſeltſamerweiſe den
fern im Weſten ſtrömenden Jſter ſubſtituirten und die Verbindung
der vier weit von einander entfernten Flüſſe mit ihrem gemeinſamen
Quellſtrome auf unterirdiſchem Wege, durch hoch von oben zur Erde
herabkommende unſichtbare Canäle vermittelt ſein ließen. — Von
dieſen Syrern, deren wahrſcheinlich durch altorientaliſchen Götter-
berg-Sagen mit beeinflußte phantaſievolle Annahmen leicht die Zuſtim-
mung Auguſtins und ſeiner Schule fanden, gieng das Weſentliche
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[218/0228] VII. Der Urſitz des Menſchengeſchlechts. Forſchung oder Speculation zu ſtreben. Jhnen floß irdiſches und himmliſches Paradies, einſtige Wohnſtätte Adams und Ort der zukünftigen Seligkeit unterſchiedslos ineinander. Wurde auch nicht, gemäß alexandriniſch-ſpiritualiſtiſcher Deutung, das Paradies als die „reine Erde im reinen Himmel‟ ganz ins Jenſeits verlegt und ſeinen vier Flüſſen eine allegoriſche Beziehung auf die vier Cardinaltugenden ertheilt (Origenes; ähnl. Ambroſius ꝛc.); wurde es nicht als ein völlig jenſeitiges Behältniß ſeliger Geiſter, durch eine Feuerzone von unſrer Erde getrennt, vorgeſtellt (Tertullian): immerhin überwog bei Beſchreibung ſeiner Lage und Beſchaffenheit das myſtiſch-ſupra- naturale über das concrete geographiſch-hiſtoriſche Moment. Die Lage „gen Oſten‟ ſtand auf Grund von Gen. 2, 8 feſt; ihre nähere Beſtimmung blieb frommer Einbildungskraft überlaſſen. Theophilus von Antiochia, Ephräm, Euſebius von Emeſa, Severian, Chryſo- ſtomus ꝛc. rücken das ſelige Paradieſesland bis in die Mitte zwiſchen Himmel und Erde empor, theilweiſe mit der näheren Beſtimmung, daß drei Stufen oder Stockwerke des bis in den höchſten Himmel hineinragenden geheimnißvollen Aufenthaltsortes zu unterſcheiden ſeien, ferner mit der Angabe, daß die Sintfluthgewäſſer auch ſchon nur bis zur unterſten Stufe, dem einſtigen Sitze Adams, nicht hinanzureichen vermocht hätten, endlich mit mancherlei wunderlichen Muthmaaßungen betreffs der Namen und des Laufs der vier Flüſſe. Dieſe wurden in der Regel, übereinſtimmend mit Flav. Joſephus, auf Euphrat, Tigris, Nil (Gihon) und Ganges (Piſon) gedeutet, während Ephräm und Severian dem Ganges ſeltſamerweiſe den fern im Weſten ſtrömenden Jſter ſubſtituirten und die Verbindung der vier weit von einander entfernten Flüſſe mit ihrem gemeinſamen Quellſtrome auf unterirdiſchem Wege, durch hoch von oben zur Erde herabkommende unſichtbare Canäle vermittelt ſein ließen. — Von dieſen Syrern, deren wahrſcheinlich durch altorientaliſchen Götter- berg-Sagen mit beeinflußte phantaſievolle Annahmen leicht die Zuſtim- mung Auguſtins und ſeiner Schule fanden, gieng das Weſentliche der Speculation, insbeſondere die Vorſtellung von einer faſt mond-

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Zitationshilfe: Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879/228>, abgerufen am 22.11.2024.