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Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.

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VII. Der Ursitz des Menschengeschlechts.
begünstigen. Daß dieß nur unter der Voraussetzung eines Sich-
lossagens vom biblischen Grunde der Fall ist, versteht sich von selbst.
Jmmerhin nöthigen theils die Mehrdeutigkeiten des biblischen Berichts,
theils die manchen neueren Annahmen scheinbar zu Gute kommenden
wissenschaftlichen Evidenzen zu einer näheren Prüfung des Sach-
verhalts.

Aller Streit würde als unmöglich in Wegfall kommen, wenn
die heil. Schrift außer der östlichen Lage des "Gartens in Eden"
(1 Mos. 2, 8: mikkedem, gegen den Morgen) auch die denselben
bewässernden vier Flüsse (V. 10--14) bestimmt und unmißverständlich
bezeichnete. Dieß ist nun aber nicht der Fall; der Phrat und
Chiddekel sind bekannte, der Pison (Pischon) und (Gihon) aber
unbekannte Größen. Auch lassen sich über den Sinn des "Ausgehens"
des Stromes aus Eden und seines Sichtheilens in vier "Häupter"
(raschim; Luth. "Hauptwasser") verschiedne Meinungen hegeu;
wenigstens stößt man allemal, wenn man diese Ausdrücke auf
bestimmte Theilströme oder einander benachbarte Flüsse orientalischer
Länder anwenden will, auf beträchtliche geographische Schwierig-
keiten. -- Es ist eine wahre Danaidenarbeit, die aus der Stelle
geflossenen oder -- oft höchst willkürlicherweise -- an sie heran-
gebrachten und in sie hineingetragenen Deutungen auch nur ihrer
Mehrzahl nach zu classifiziren und kritisch zu sichten. Wir beschränken
uns, da das dogmenhistorische oder auslegunsgeschichtliche Jnteresse
an der Sache uns hier ferner liegt, auf eine Prüfung nur der
hauptsächlichsten und für unsre Frage wichtigsten älteren und neueren
Meinungen.1)

Die Kirchenväter sowie die Scholastiker und Mystiker des
Mittelalter's kamen überhaupt nicht auf den Gedanken, nach bestimm-
terer Fixirung der Lage des Paradieses mittelst geographischer

1) Ausführlicheres, namentlich in Betreff der Literatur, siehe in m. "Kreuz
Christi," Exc. IV: "Das Paradies nach älteren und ueueren Meinungen" (S.
406--416), sowie "Geschichte der Beziehungen" etc. I, 128 f. II, 779 ff.

VII. Der Urſitz des Menſchengeſchlechts.
begünſtigen. Daß dieß nur unter der Vorausſetzung eines Sich-
losſagens vom bibliſchen Grunde der Fall iſt, verſteht ſich von ſelbſt.
Jmmerhin nöthigen theils die Mehrdeutigkeiten des bibliſchen Berichts,
theils die manchen neueren Annahmen ſcheinbar zu Gute kommenden
wiſſenſchaftlichen Evidenzen zu einer näheren Prüfung des Sach-
verhalts.

Aller Streit würde als unmöglich in Wegfall kommen, wenn
die heil. Schrift außer der öſtlichen Lage des „Gartens in Eden‟
(1 Moſ. 2, 8: mikkédem, gegen den Morgen) auch die denſelben
bewäſſernden vier Flüſſe (V. 10—14) beſtimmt und unmißverſtändlich
bezeichnete. Dieß iſt nun aber nicht der Fall; der Phrat und
Chiddekel ſind bekannte, der Piſon (Pīſchon) und (Gihon) aber
unbekannte Größen. Auch laſſen ſich über den Sinn des „Ausgehens‟
des Stromes aus Eden und ſeines Sichtheilens in vier „Häupter‟
(rāschim; Luth. „Hauptwaſſer‟) verſchiedne Meinungen hegeu;
wenigſtens ſtößt man allemal, wenn man dieſe Ausdrücke auf
beſtimmte Theilſtröme oder einander benachbarte Flüſſe orientaliſcher
Länder anwenden will, auf beträchtliche geographiſche Schwierig-
keiten. — Es iſt eine wahre Danaïdenarbeit, die aus der Stelle
gefloſſenen oder — oft höchſt willkürlicherweiſe — an ſie heran-
gebrachten und in ſie hineingetragenen Deutungen auch nur ihrer
Mehrzahl nach zu claſſifiziren und kritiſch zu ſichten. Wir beſchränken
uns, da das dogmenhiſtoriſche oder auslegunsgeſchichtliche Jntereſſe
an der Sache uns hier ferner liegt, auf eine Prüfung nur der
hauptſächlichſten und für unſre Frage wichtigſten älteren und neueren
Meinungen.1)

Die Kirchenväter ſowie die Scholaſtiker und Myſtiker des
Mittelalter’s kamen überhaupt nicht auf den Gedanken, nach beſtimm-
terer Fixirung der Lage des Paradieſes mittelſt geographiſcher

1) Ausführlicheres, namentlich in Betreff der Literatur, ſiehe in m. „Kreuz
Chriſti,‟ Exc. IV: „Das Paradies nach älteren und ueueren Meinungen‟ (S.
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[217/0227] VII. Der Urſitz des Menſchengeſchlechts. begünſtigen. Daß dieß nur unter der Vorausſetzung eines Sich- losſagens vom bibliſchen Grunde der Fall iſt, verſteht ſich von ſelbſt. Jmmerhin nöthigen theils die Mehrdeutigkeiten des bibliſchen Berichts, theils die manchen neueren Annahmen ſcheinbar zu Gute kommenden wiſſenſchaftlichen Evidenzen zu einer näheren Prüfung des Sach- verhalts. Aller Streit würde als unmöglich in Wegfall kommen, wenn die heil. Schrift außer der öſtlichen Lage des „Gartens in Eden‟ (1 Moſ. 2, 8: mikkédem, gegen den Morgen) auch die denſelben bewäſſernden vier Flüſſe (V. 10—14) beſtimmt und unmißverſtändlich bezeichnete. Dieß iſt nun aber nicht der Fall; der Phrat und Chiddekel ſind bekannte, der Piſon (Pīſchon) und (Gihon) aber unbekannte Größen. Auch laſſen ſich über den Sinn des „Ausgehens‟ des Stromes aus Eden und ſeines Sichtheilens in vier „Häupter‟ (rāschim; Luth. „Hauptwaſſer‟) verſchiedne Meinungen hegeu; wenigſtens ſtößt man allemal, wenn man dieſe Ausdrücke auf beſtimmte Theilſtröme oder einander benachbarte Flüſſe orientaliſcher Länder anwenden will, auf beträchtliche geographiſche Schwierig- keiten. — Es iſt eine wahre Danaïdenarbeit, die aus der Stelle gefloſſenen oder — oft höchſt willkürlicherweiſe — an ſie heran- gebrachten und in ſie hineingetragenen Deutungen auch nur ihrer Mehrzahl nach zu claſſifiziren und kritiſch zu ſichten. Wir beſchränken uns, da das dogmenhiſtoriſche oder auslegunsgeſchichtliche Jntereſſe an der Sache uns hier ferner liegt, auf eine Prüfung nur der hauptſächlichſten und für unſre Frage wichtigſten älteren und neueren Meinungen. 1) Die Kirchenväter ſowie die Scholaſtiker und Myſtiker des Mittelalter’s kamen überhaupt nicht auf den Gedanken, nach beſtimm- terer Fixirung der Lage des Paradieſes mittelſt geographiſcher 1) Ausführlicheres, namentlich in Betreff der Literatur, ſiehe in m. „Kreuz Chriſti,‟ Exc. IV: „Das Paradies nach älteren und ueueren Meinungen‟ (S. 406—416), ſowie „Geſchichte der Beziehungen‟ ꝛc. I, 128 f. II, 779 ff.

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879/227>, abgerufen am 21.11.2024.