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Zinzendorf, Nikolaus Ludwig von: Gewisser Grund christlicher Lehre. Leipzig, 1725.

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Vorrede.
Lieber Leser!

NUn wieder was neues! Es hat ja vorhin
Catechismos genung; fangen nun die Gra-
fen an, und schreiben
Catechismus-Büchlein?
Ey, wenn sie doch das Ding denen Pfarrern über-
liesen;
So möchtest du vielleicht dencken, wenn du den Titul
dieses gegenwärtigen Büchleins wirst zu Gesichte bekommen;
Allein, ich frage dich: Soll nicht ein jedweder Christ JEsum
Christum für der Welt bekennen? Wäre es also nicht schon ge-
nung, wenn diese hohe Standes-Person gleich nichts mehr
intendiret hätte, als ein blosses Bekänntniß von JEsu und
seiner Lehre abzulegen? Es ist aber vielleicht, deinen Gedan-
cken nach, nicht nöthig, solches öffentlich durch den Druck
zu thun. Was glaubst du, wie ist das Christenthum bey
den meisten Hohen und Edlen dieser Welt angesehen? Hö-
ret man sie etwan in ihren Gesellschafften viel von Christo
und seiner Lehre reden, wenn sie ja nicht davon schreiben
wollen; Jst die Bibel bey ihnen so hoch geachtet, daß sie die
Maximen dieser göttlichen Wahrheiten zur Direction aller
ihrer Handlungen in ihren ordentlichen Beruffs-Geschäff-
ten und irrdischen Ergötzlichkeiten machen; Suchet man
daraus die Staats-Reguln, administriret man nach den-
selben die Justitz, und lebet vor seine Person und mit an-
dern Menschen dergestalt in der Welt, wie die Lehre und das
Leben Christi das Portrait eines Menschen machet, der vor
einen Christen passiren will? Jch will dir in der Antwort
deine Freyheit lassen; aber du wirst doch nicht leugnen kön-
nen, daß das also was Gutes sey, wenn ein Hoher in der
Welt Christum bekennet. Was braucht es aber ei-
nes
Catechismi? Wenn er sonst ein fein gelehrtes
Theologisches Werck schriebe, so bekäme er künff-
tig in der
Historia Literaria Theologica auch einen
Platz; aber ein
Catechismus wirds nicht ausrichten;
urtheilest du vielleicht weiter. Besinne dich, du heissest

doch
Vorrede.
Lieber Leſer!

NUn wieder was neues! Es hat ja vorhin
Catechiſmos genung; fangen nun die Gra-
fen an, und ſchreiben
Catechiſmus-Buͤchlein?
Ey, wenn ſie doch das Ding denen Pfarrern uͤber-
lieſen;
So moͤchteſt du vielleicht dencken, wenn du den Titul
dieſes gegenwaͤrtigen Buͤchleins wirſt zu Geſichte bekommen;
Allein, ich frage dich: Soll nicht ein jedweder Chriſt JEſum
Chriſtum fuͤr der Welt bekennen? Waͤre es alſo nicht ſchon ge-
nung, wenn dieſe hohe Standes-Perſon gleich nichts mehr
intendiret haͤtte, als ein bloſſes Bekaͤnntniß von JEſu und
ſeiner Lehre abzulegen? Es iſt aber vielleicht, deinen Gedan-
cken nach, nicht noͤthig, ſolches oͤffentlich durch den Druck
zu thun. Was glaubſt du, wie iſt das Chriſtenthum bey
den meiſten Hohen und Edlen dieſer Welt angeſehen? Hoͤ-
ret man ſie etwan in ihren Geſellſchafften viel von Chriſto
und ſeiner Lehre reden, wenn ſie ja nicht davon ſchreiben
wollen; Jſt die Bibel bey ihnen ſo hoch geachtet, daß ſie die
Maximen dieſer goͤttlichen Wahrheiten zur Direction aller
ihrer Handlungen in ihren ordentlichen Beruffs-Geſchaͤff-
ten und irrdiſchen Ergoͤtzlichkeiten machen; Suchet man
daraus die Staats-Reguln, adminiſtriret man nach den-
ſelben die Juſtitz, und lebet vor ſeine Perſon und mit an-
dern Menſchen dergeſtalt in der Welt, wie die Lehre und das
Leben Chriſti das Portrait eines Menſchen machet, der vor
einen Chriſten paſſiren will? Jch will dir in der Antwort
deine Freyheit laſſen; aber du wirſt doch nicht leugnen koͤn-
nen, daß das alſo was Gutes ſey, wenn ein Hoher in der
Welt Chriſtum bekennet. Was braucht es aber ei-
nes
Catechiſmi? Wenn er ſonſt ein fein gelehrtes
Theologiſches Werck ſchriebe, ſo bekaͤme er kuͤnff-
tig in der
Hiſtoria Literaria Theologica auch einen
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Catechiſmus wirds nicht ausrichten;
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Zitationshilfe: Zinzendorf, Nikolaus Ludwig von: Gewisser Grund christlicher Lehre. Leipzig, 1725, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zinzendorf_christlichelehre_1725/28>, abgerufen am 25.04.2024.