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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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Der Assenat
solche bekümmernüs mehrete das wehklagen der Wei-
ber/ das weinen der Kinder. Also ward diese nacht mit
trauren und unruhe zugebracht. Aber auf den Mor-
gen berichtete Rubens Ehliebste/ daß sie ihren man
sagen gehöret/ er habe bei Sichem eine fette weide ge-
funden. Da stünde das graß so geil/ daß es jammer
sei/ solches nicht ab zu hühten. Ohne zweifel weren ih-
re männer/ mit dem viehe/ dahin gezogen. Ohne zwei-
fel hetten sie sich alda verspähtiget/ daß sie gestern abend
nicht zu hause gekommen.

Straks auf diese worte/ und auf inständiges anhal-
ten der weiber/ befahl Jakob seinem liebsten Sohne/
sie zu fuchen. Auf! auf! sagte er/ mein lieber Sohn.
Setze dich auf meinen Persichen Gaul; damit du üm
so viel geschwinder hin/ und wieder her gelangen kön-
nest/ uns die zeitung zu bringen/ wie es üm meine Söh-
ne stehet. Seume dich unterweges ja nicht. Reite
tapfer fort: und laß uns deine zurükkunft bald wie-
der erfreuen. Josef hatte zwar itzund nur das sieben-
zehende jahr erreichet/ und war seinem Vater so lieb/
daß er mehr vor ihn/ als vor alles in der welt/ sorgete.
Gleichwohl konte sich Jakob entschliessen/ ihn zu einer
so gefährlichen verrichtung ab zu färtigen. Daraus er-
blikte man sonnenklahr/ daß er auch den andern Söh-
nen mit einer recht Väterlichen liebe zugetahn war.
Und also machte sich Josef auf: und der Vater gab
ihm den seegen.

Als der abend zu nahen begunte/ bekahm dieser be-
kümmerte Bruder die Heerden/ bei Dotan/ ins gesich-
te: dan bis dahin waren sie von Sichem abgetrieben.
Er fand sie in guhtem wohlstande. Auch erblikte er sei-
ne Brüder von ferne. Er sahe sie/ ausser gefahr/ frisch
und gesund. Da verschwand alle seine bekümmernüs.
Alle seine unruhe verlohr sich. Da erfreuete sich sein
hertz. Ja es begunte vor freuden zu hüpfen. Er wündsch-

te

Der Aſſenat
ſolche bekuͤmmernuͤs mehrete das wehklagen der Wei-
ber/ das weinen der Kinder. Alſo ward dieſe nacht mit
trauren und unruhe zugebracht. Aber auf den Mor-
gen berichtete Rubens Ehliebſte/ daß ſie ihren man
ſagen gehoͤret/ er habe bei Sichem eine fette weide ge-
funden. Da ſtuͤnde das graß ſo geil/ daß es jammer
ſei/ ſolches nicht ab zu huͤhten. Ohne zweifel weren ih-
re maͤnner/ mit dem viehe/ dahin gezogen. Ohne zwei-
fel hetten ſie ſich alda verſpaͤhtiget/ daß ſie geſtern abend
nicht zu hauſe gekommen.

Straks auf dieſe worte/ und auf inſtaͤndiges anhal-
ten der weiber/ befahl Jakob ſeinem liebſten Sohne/
ſie zu fuchen. Auf! auf! ſagte er/ mein lieber Sohn.
Setze dich auf meinen Perſichen Gaul; damit du uͤm
ſo viel geſchwinder hin/ und wieder her gelangen koͤn-
neſt/ uns die zeitung zu bringen/ wie es uͤm meine Soͤh-
ne ſtehet. Seume dich unterweges ja nicht. Reite
tapfer fort: und laß uns deine zuruͤkkunft bald wie-
der erfreuen. Joſef hatte zwar itzund nur das ſieben-
zehende jahr erreichet/ und war ſeinem Vater ſo lieb/
daß er mehr vor ihn/ als vor alles in der welt/ ſorgete.
Gleichwohl konte ſich Jakob entſchlieſſen/ ihn zu einer
ſo gefaͤhrlichen verrichtung ab zu faͤrtigen. Daraus er-
blikte man ſonnenklahr/ daß er auch den andern Soͤh-
nen mit einer recht Vaͤterlichen liebe zugetahn war.
Und alſo machte ſich Joſef auf: und der Vater gab
ihm den ſeegen.

Als der abend zu nahen begunte/ bekahm dieſer be-
kuͤmmerte Bruder die Heerden/ bei Dotan/ ins geſich-
te: dan bis dahin waren ſie von Sichem abgetrieben.
Er fand ſie in guhtem wohlſtande. Auch erblikte er ſei-
ne Bruͤder von ferne. Er ſahe ſie/ auſſer gefahr/ friſch
und geſund. Da verſchwand alle ſeine bekuͤmmernuͤs.
Alle ſeine unruhe verlohr ſich. Da erfreuete ſich ſein
hertz. Ja es begunte vor freuden zu huͤpfen. Er wuͤndſch-

te
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[68/0092] Der Aſſenat ſolche bekuͤmmernuͤs mehrete das wehklagen der Wei- ber/ das weinen der Kinder. Alſo ward dieſe nacht mit trauren und unruhe zugebracht. Aber auf den Mor- gen berichtete Rubens Ehliebſte/ daß ſie ihren man ſagen gehoͤret/ er habe bei Sichem eine fette weide ge- funden. Da ſtuͤnde das graß ſo geil/ daß es jammer ſei/ ſolches nicht ab zu huͤhten. Ohne zweifel weren ih- re maͤnner/ mit dem viehe/ dahin gezogen. Ohne zwei- fel hetten ſie ſich alda verſpaͤhtiget/ daß ſie geſtern abend nicht zu hauſe gekommen. Straks auf dieſe worte/ und auf inſtaͤndiges anhal- ten der weiber/ befahl Jakob ſeinem liebſten Sohne/ ſie zu fuchen. Auf! auf! ſagte er/ mein lieber Sohn. Setze dich auf meinen Perſichen Gaul; damit du uͤm ſo viel geſchwinder hin/ und wieder her gelangen koͤn- neſt/ uns die zeitung zu bringen/ wie es uͤm meine Soͤh- ne ſtehet. Seume dich unterweges ja nicht. Reite tapfer fort: und laß uns deine zuruͤkkunft bald wie- der erfreuen. Joſef hatte zwar itzund nur das ſieben- zehende jahr erreichet/ und war ſeinem Vater ſo lieb/ daß er mehr vor ihn/ als vor alles in der welt/ ſorgete. Gleichwohl konte ſich Jakob entſchlieſſen/ ihn zu einer ſo gefaͤhrlichen verrichtung ab zu faͤrtigen. Daraus er- blikte man ſonnenklahr/ daß er auch den andern Soͤh- nen mit einer recht Vaͤterlichen liebe zugetahn war. Und alſo machte ſich Joſef auf: und der Vater gab ihm den ſeegen. Als der abend zu nahen begunte/ bekahm dieſer be- kuͤmmerte Bruder die Heerden/ bei Dotan/ ins geſich- te: dan bis dahin waren ſie von Sichem abgetrieben. Er fand ſie in guhtem wohlſtande. Auch erblikte er ſei- ne Bruͤder von ferne. Er ſahe ſie/ auſſer gefahr/ friſch und geſund. Da verſchwand alle ſeine bekuͤmmernuͤs. Alle ſeine unruhe verlohr ſich. Da erfreuete ſich ſein hertz. Ja es begunte vor freuden zu huͤpfen. Er wuͤndſch- te

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/92>, abgerufen am 28.11.2024.