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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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zweites Buch.
te feinen Vater zugegen/ ihm ein teil seiner freude mit
zu teilen. Er wündschte/ daß seine augen sehen möch-
ten/ was ihm zu sehen aufstiesse. Und diesen wundsch
wiederholete er wohl tausend mahl.

Aber wie erfreuet der guhthertzige Josef war/ seine
Brüder zu sehen; so entrüstet warden sie/ als sie ihn
von weitem erblikten. Seht! seht! sagte Gad: dort
komt unser kundschaffer/ unser verrähter/ unser unter-
trähter an. Er wird abermahl etwas bei uns ausspüh-
ren wollen/ damit er uns bei dem Vater noch mehr in
die schmütze bringe. Sie haben vielleicht zu hause kei-
nen plauderzeug mehr ihr geschwätze fort zu setzen.
Drüm komt der plauderer/ der wäscher/ der treumer/
seine ausgeleerte waschtasche wieder zu füllen. Sach-
te! sachte! bruder/ fing der hönische Dan an. Du
giebest ihm auch alzu verächtliche nahmen. Dadurch
beschimpfestu seine hoheit. Dadurch begehestu ein ver-
brechen der verletzten Majestäht. Siehestu nicht/ daß
er in seinem königlichen stahtsrokke einhertrabet? Bi-
stu dan blind/ daß du des Königlichen rosses unter ihm
nicht gewahr wirst. Eile straks Seiner Majestäht ent-
gegen/ und mache seinen traum wahr. Wirf dich vor
unserem Fürsten/ vor unserem Könige nieder. Bähte
ihn an. Bitte ihn üm vergäbnüs. Flöhe ihn an üm sei-
ne gnade. Eben darüm hat ihn doch der Vater auf sein
allerköstlichstes pferd gesetzt. Um nichts anders komt
er so prächtig aufgezogen/ als daß wir ihm mit dem al-
leruntertähnigsten fußfalle begegnen sollen. Nichts
anders hat er im sinne/ als daß er uns durch seine Ma-
jestäht wil erschrökken. Nun/ denkt er/ müssen die Gar-
ben sich vor mir bükken. Nun müssen die Sterne/ selbst
Sonne und Mohn sich vor mir neugen. Ja keine an-
dere gedanken hat er/ als daß wir ihm/ als unserem
Obergebieter und Könige/ mit knechtischem gehohrsam/
huldigen sollen.

Was
E iij

zweites Buch.
te feinen Vater zugegen/ ihm ein teil ſeiner freude mit
zu teilen. Er wuͤndſchte/ daß ſeine augen ſehen moͤch-
ten/ was ihm zu ſehen aufſtieſſe. Und dieſen wundſch
wiederholete er wohl tauſend mahl.

Aber wie erfreuet der guhthertzige Joſef war/ ſeine
Bruͤder zu ſehen; ſo entruͤſtet warden ſie/ als ſie ihn
von weitem erblikten. Seht! ſeht! ſagte Gad: dort
komt unſer kundſchaffer/ unſer verraͤhter/ unſer unter-
traͤhter an. Er wird abermahl etwas bei uns ausſpuͤh-
ren wollen/ damit er uns bei dem Vater noch mehr in
die ſchmuͤtze bringe. Sie haben vielleicht zu hauſe kei-
nen plauderzeug mehr ihr geſchwaͤtze fort zu ſetzen.
Druͤm komt der plauderer/ der waͤſcher/ der treumer/
ſeine ausgeleerte waſchtaſche wieder zu fuͤllen. Sach-
te! ſachte! bruder/ fing der hoͤniſche Dan an. Du
giebeſt ihm auch alzu veraͤchtliche nahmen. Dadurch
beſchimpfeſtu ſeine hoheit. Dadurch begeheſtu ein ver-
brechen der verletzten Majeſtaͤht. Sieheſtu nicht/ daß
er in ſeinem koͤniglichen ſtahtsrokke einhertrabet? Bi-
ſtu dan blind/ daß du des Koͤniglichen roſſes unter ihm
nicht gewahr wirſt. Eile ſtraks Seiner Majeſtaͤht ent-
gegen/ und mache ſeinen traum wahr. Wirf dich vor
unſerem Fuͤrſten/ vor unſerem Koͤnige nieder. Baͤhte
ihn an. Bitte ihn uͤm vergaͤbnuͤs. Floͤhe ihn an uͤm ſei-
ne gnade. Eben daruͤm hat ihn doch der Vater auf ſein
allerkoͤſtlichſtes pferd geſetzt. Um nichts anders komt
er ſo praͤchtig aufgezogen/ als daß wir ihm mit dem al-
leruntertaͤhnigſten fußfalle begegnen ſollen. Nichts
anders hat er im ſinne/ als daß er uns durch ſeine Ma-
jeſtaͤht wil erſchroͤkken. Nun/ denkt er/ muͤſſen die Gar-
ben ſich vor mir buͤkken. Nun muͤſſen die Sterne/ ſelbſt
Sonne und Mohn ſich vor mir neugen. Ja keine an-
dere gedanken hat er/ als daß wir ihm/ als unſerem
Obergebieter und Koͤnige/ mit knechtiſchem gehohrſam/
huldigen ſollen.

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/93>, abgerufen am 08.05.2024.