Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

Bild:
<< vorherige Seite

erstes Buch.
klährung des Göttlichen ausspruches/ oder vielmehr
seine eigene neue zu vernehmen. Die zeit entschießt uns
unvermärkt: und die stunde ist schon da/ die mir zu
scheiden gebietet. Mich deucht/ ich sehe meine Fürst in
mir einen wink geben. Mich dünkt/ ich höre/ daß sie
nach mir fraget. Darüm/ kan ich bei ihm auch so bit-
seelig sein/ wie er bisher bei mir gewesen; so laße er ihm
doch bald belieben/ mein kühnes anmuhten zu ver-
gnügen.

Josef/ der lieber reden hörete/ als selbst redete/ fing
endlich solcher gestalt an. Ich bin der Jungfer einen
nicht geringen dank schuldig. Die schuld/ damit sie
mich ihr verhaftet gemacht/ kan ich schweerlich bezah-
len. Mein vermögen ist zu schlecht. Alles ist arm/ was
an mir ist. Die armuht ist mein reichtuhm. Aber da-
mit ist niemand gedienet. Damit kan ich nicht bezah-
len/ was ich ihr vor ihre gehabte mühe/ die ich ihr selb-
sten gemacht/ zu bezahlen verpflichtet bin. Doch gleich-
wohl wil ich das hällerlein meiner armuht gegen ihren
dargereichten goldgülden setzen. Ja ich wil das sand-
körnlein meines verstandes gegen den berg ihrer scharf-
sinnigkeit auf die wage legen. Sie wil es doch nicht an-
ders haben. Sie gebietet: ich mus gehorchen. Und so
rede ich dan/ was meine schwache vernunft zu ergrün-
den/ meine leere sinnen zu besinnen/ und mein unreiffer
verstand zu verstehen sich erkühnen.

Fürst Potifar hat die Erklährung über das erste
Reimband der Göttersprache sehr wohl getroffen. Bes-
ser würde niemahls Osiris selbsten seinen eigenen sin
erklähren. So viel vermag mein schwacher verstand
noch wohl zu fassen. Aber die übrige erklärung kan er
nicht begreiffen. Die scheinet ihm was zu uneigendlich.
Nach meinem schlechten urteile/ müssen in der andern
reimzeile/ durch die worte zwanzig mahl/ nicht
zwanzig ellen/ die der Niel zuweilen auf ein mahl

und
C v

erſtes Buch.
klaͤhrung des Goͤttlichen ausſpruches/ oder vielmehr
ſeine eigene neue zu vernehmen. Die zeit entſchießt uns
unvermaͤrkt: und die ſtunde iſt ſchon da/ die mir zu
ſcheiden gebietet. Mich deucht/ ich ſehe meine Fuͤrſt in
mir einen wink geben. Mich duͤnkt/ ich hoͤre/ daß ſie
nach mir fraget. Daruͤm/ kan ich bei ihm auch ſo bit-
ſeelig ſein/ wie er bisher bei mir geweſen; ſo laße er ihm
doch bald belieben/ mein kuͤhnes anmuhten zu ver-
gnuͤgen.

Joſef/ der lieber reden hoͤrete/ als ſelbſt redete/ fing
endlich ſolcher geſtalt an. Ich bin der Jungfer einen
nicht geringen dank ſchuldig. Die ſchuld/ damit ſie
mich ihr verhaftet gemacht/ kan ich ſchweerlich bezah-
len. Mein vermoͤgen iſt zu ſchlecht. Alles iſt arm/ was
an mir iſt. Die armuht iſt mein reichtuhm. Aber da-
mit iſt niemand gedienet. Damit kan ich nicht bezah-
len/ was ich ihr vor ihre gehabte muͤhe/ die ich ihr ſelb-
ſten gemacht/ zu bezahlen verpflichtet bin. Doch gleich-
wohl wil ich das haͤllerlein meiner armuht gegen ihren
dargereichten goldguͤlden ſetzen. Ja ich wil das ſand-
koͤrnlein meines verſtandes gegen den berg ihrer ſcharf-
ſinnigkeit auf die wage legen. Sie wil es doch nicht an-
ders haben. Sie gebietet: ich mus gehorchen. Und ſo
rede ich dan/ was meine ſchwache vernunft zu ergruͤn-
den/ meine leere ſinnen zu beſinnen/ und mein unreiffer
verſtand zu verſtehen ſich erkuͤhnen.

Fuͤrſt Potifar hat die Erklaͤhrung uͤber das erſte
Reimband der Goͤtterſprache ſehr wohl getroffen. Beſ-
ſer wuͤrde niemahls Oſiris ſelbſten ſeinen eigenen ſin
erklaͤhren. So viel vermag mein ſchwacher verſtand
noch wohl zu faſſen. Aber die uͤbrige erklaͤrung kan er
nicht begreiffen. Die ſcheinet ihm was zu uneigendlich.
Nach meinem ſchlechten urteile/ muͤſſen in der andern
reimzeile/ durch die worte zwanzig mahl/ nicht
zwanzig ellen/ die der Niel zuweilen auf ein mahl

und
C v
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0065" n="41"/><fw place="top" type="header">er&#x017F;tes Buch.</fw><lb/>
kla&#x0364;hrung des Go&#x0364;ttlichen aus&#x017F;pruches/ oder vielmehr<lb/>
&#x017F;eine eigene neue zu vernehmen. Die zeit ent&#x017F;chießt uns<lb/>
unverma&#x0364;rkt: und die &#x017F;tunde i&#x017F;t &#x017F;chon da/ die mir zu<lb/>
&#x017F;cheiden gebietet. Mich deucht/ ich &#x017F;ehe meine Fu&#x0364;r&#x017F;t in<lb/>
mir einen wink geben. Mich du&#x0364;nkt/ ich ho&#x0364;re/ daß &#x017F;ie<lb/>
nach mir fraget. Daru&#x0364;m/ kan ich bei ihm auch &#x017F;o bit-<lb/>
&#x017F;eelig &#x017F;ein/ wie er bisher bei mir gewe&#x017F;en; &#x017F;o laße er ihm<lb/>
doch bald belieben/ mein ku&#x0364;hnes anmuhten zu ver-<lb/>
gnu&#x0364;gen.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Jo&#x017F;ef/</hi> der lieber reden ho&#x0364;rete/ als &#x017F;elb&#x017F;t redete/ fing<lb/>
endlich &#x017F;olcher ge&#x017F;talt an. Ich bin der Jungfer einen<lb/>
nicht geringen dank &#x017F;chuldig. Die &#x017F;chuld/ damit &#x017F;ie<lb/>
mich ihr verhaftet gemacht/ kan ich &#x017F;chweerlich bezah-<lb/>
len. Mein vermo&#x0364;gen i&#x017F;t zu &#x017F;chlecht. Alles i&#x017F;t arm/ was<lb/>
an mir i&#x017F;t. Die armuht i&#x017F;t mein reichtuhm. Aber da-<lb/>
mit i&#x017F;t niemand gedienet. Damit kan ich nicht bezah-<lb/>
len/ was ich ihr vor ihre gehabte mu&#x0364;he/ die ich ihr &#x017F;elb-<lb/>
&#x017F;ten gemacht/ zu bezahlen verpflichtet bin. Doch gleich-<lb/>
wohl wil ich das ha&#x0364;llerlein meiner armuht gegen ihren<lb/>
dargereichten goldgu&#x0364;lden &#x017F;etzen. Ja ich wil das &#x017F;and-<lb/>
ko&#x0364;rnlein meines ver&#x017F;tandes gegen den berg ihrer &#x017F;charf-<lb/>
&#x017F;innigkeit auf die wage legen. Sie wil es doch nicht an-<lb/>
ders haben. Sie gebietet: ich mus gehorchen. Und &#x017F;o<lb/>
rede ich dan/ was meine &#x017F;chwache vernunft zu ergru&#x0364;n-<lb/>
den/ meine leere &#x017F;innen zu be&#x017F;innen/ und mein unreiffer<lb/>
ver&#x017F;tand zu ver&#x017F;tehen &#x017F;ich erku&#x0364;hnen.</p><lb/>
        <p>Fu&#x0364;r&#x017F;t <hi rendition="#fr">Potifar</hi> hat die Erkla&#x0364;hrung u&#x0364;ber das er&#x017F;te<lb/>
Reimband der Go&#x0364;tter&#x017F;prache &#x017F;ehr wohl getroffen. Be&#x017F;-<lb/>
&#x017F;er wu&#x0364;rde niemahls <hi rendition="#fr">O&#x017F;iris</hi> &#x017F;elb&#x017F;ten &#x017F;einen eigenen &#x017F;in<lb/>
erkla&#x0364;hren. So viel vermag mein &#x017F;chwacher ver&#x017F;tand<lb/>
noch wohl zu fa&#x017F;&#x017F;en. Aber die u&#x0364;brige erkla&#x0364;rung kan er<lb/>
nicht begreiffen. Die &#x017F;cheinet ihm was zu uneigendlich.<lb/>
Nach meinem &#x017F;chlechten urteile/ mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en in der andern<lb/>
reimzeile/ durch die worte <hi rendition="#fr">zwanzig mahl/</hi> nicht<lb/><hi rendition="#fr">zwanzig ellen/</hi> die der Niel zuweilen auf ein mahl<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">C v</fw><fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[41/0065] erſtes Buch. klaͤhrung des Goͤttlichen ausſpruches/ oder vielmehr ſeine eigene neue zu vernehmen. Die zeit entſchießt uns unvermaͤrkt: und die ſtunde iſt ſchon da/ die mir zu ſcheiden gebietet. Mich deucht/ ich ſehe meine Fuͤrſt in mir einen wink geben. Mich duͤnkt/ ich hoͤre/ daß ſie nach mir fraget. Daruͤm/ kan ich bei ihm auch ſo bit- ſeelig ſein/ wie er bisher bei mir geweſen; ſo laße er ihm doch bald belieben/ mein kuͤhnes anmuhten zu ver- gnuͤgen. Joſef/ der lieber reden hoͤrete/ als ſelbſt redete/ fing endlich ſolcher geſtalt an. Ich bin der Jungfer einen nicht geringen dank ſchuldig. Die ſchuld/ damit ſie mich ihr verhaftet gemacht/ kan ich ſchweerlich bezah- len. Mein vermoͤgen iſt zu ſchlecht. Alles iſt arm/ was an mir iſt. Die armuht iſt mein reichtuhm. Aber da- mit iſt niemand gedienet. Damit kan ich nicht bezah- len/ was ich ihr vor ihre gehabte muͤhe/ die ich ihr ſelb- ſten gemacht/ zu bezahlen verpflichtet bin. Doch gleich- wohl wil ich das haͤllerlein meiner armuht gegen ihren dargereichten goldguͤlden ſetzen. Ja ich wil das ſand- koͤrnlein meines verſtandes gegen den berg ihrer ſcharf- ſinnigkeit auf die wage legen. Sie wil es doch nicht an- ders haben. Sie gebietet: ich mus gehorchen. Und ſo rede ich dan/ was meine ſchwache vernunft zu ergruͤn- den/ meine leere ſinnen zu beſinnen/ und mein unreiffer verſtand zu verſtehen ſich erkuͤhnen. Fuͤrſt Potifar hat die Erklaͤhrung uͤber das erſte Reimband der Goͤtterſprache ſehr wohl getroffen. Beſ- ſer wuͤrde niemahls Oſiris ſelbſten ſeinen eigenen ſin erklaͤhren. So viel vermag mein ſchwacher verſtand noch wohl zu faſſen. Aber die uͤbrige erklaͤrung kan er nicht begreiffen. Die ſcheinet ihm was zu uneigendlich. Nach meinem ſchlechten urteile/ muͤſſen in der andern reimzeile/ durch die worte zwanzig mahl/ nicht zwanzig ellen/ die der Niel zuweilen auf ein mahl und C v

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/65
Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/65>, abgerufen am 28.11.2024.