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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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Der Assenat
mochte. Ja ich laße mich leichtlich bereden/ daß sich der
allerschlaueste und allerbehändeste vor solchen so tausen-
terlei bewegungen nicht genug hühten solte. Doch was
wil ich viel sagen/ eine einige bewegung ihrer süßen eng-
lischen Euglein bewog mehr/ als tausend anderer auch
wohl der schönsten menschlichen augen. Ja sie hatte
nicht nöhtig/ iemandes gunst zu gewinnen/ den Limi-
schen Bilderstein Hajaracht zu tragen.

Als ich mich nun endlich aus den strahlen oder viel-
mehr schleifstrükken und dohnen dieser wunderschönen
Eugelein loß gemacht: da lies ich meine durch jene ent-
zündeten blikke auf das allerlieblichste Röselein ihres
zahrten Mundes fliegen/ sie durch dessen zukkersüßen ho-
nigtau/ wieder ab zu kühlen. Alda ward nicht nur mein
auge/ sondern auch mein ohr entzükt. Ja mein mund
schlos sich vor ihrem zu: und meine zunge machte die
ihrige verstummet. Ich sahe die lieblich- und lebendig- ja
hoch-rohten Lippen: die als ein anmuhtiges Zukkerröse-
lein/ zwischen dem angenehmen hochweissem schnee ihrer
liljenhaut herfürblinkten. Ich schauete mit verwunde-
rung an/ wie sie dieselben so ahrtig/ so zierlich zu bewe-
gen wuste. Ich hörete/ wan sie sich/ in solcher wohl-
anständigen bewegung/ auftähten/ eine recht Englische
stimme. Ja/ worüber ich gar bestürtzt ward/ ich ver-
nahm/ aus ihren süßen und zugleich majestähtischen re-
den/ einen hohen verstand/ eine gantz durchdringende
kraft der vernunft und sinnen. Ich wuste nicht/ ob ich
einen Menschen/ ein Frauenzimmer/ oder einen Halb-
engel sprechen hörete: oder aber ob es gar ein volkomme-
ner Engel sei/ der seinen himmel verlaßen/ uns gebrech-
lichen menschen seine himlische volkommenheit blik-
ken zu laßen. Ich sahe die Wunderfürstin zwar eu-
serlich vor ein Freulein von acht jahren an. Und das
war sie auch. Mehr jahre hatte sie nicht. Aber wan
ich sie innerlich betrachtete/ wan ich ihren fürtrefli-

chen

Der Aſſenat
mochte. Ja ich laße mich leichtlich bereden/ daß ſich der
allerſchlaueſte und allerbehaͤndeſte vor ſolchen ſo tauſen-
terlei bewegungen nicht genug huͤhten ſolte. Doch was
wil ich viel ſagen/ eine einige bewegung ihrer ſuͤßen eng-
liſchen Euglein bewog mehr/ als tauſend anderer auch
wohl der ſchoͤnſten menſchlichen augen. Ja ſie hatte
nicht noͤhtig/ iemandes gunſt zu gewinnen/ den Limi-
ſchen Bilderſtein Hajaracht zu tragen.

Als ich mich nun endlich aus den ſtrahlen oder viel-
mehr ſchleifſtruͤkken und dohnen dieſer wunderſchoͤnen
Eugelein loß gemacht: da lies ich meine durch jene ent-
zuͤndeten blikke auf das allerlieblichſte Roͤſelein ihres
zahrten Mundes fliegen/ ſie durch deſſen zukkerſuͤßen ho-
nigtau/ wieder ab zu kuͤhlen. Alda ward nicht nur mein
auge/ ſondern auch mein ohr entzuͤkt. Ja mein mund
ſchlos ſich vor ihrem zu: und meine zunge machte die
ihrige verſtummet. Ich ſahe die lieblich- und lebendig- ja
hoch-rohten Lippen: die als ein anmuhtiges Zukkerroͤſe-
lein/ zwiſchen dem angenehmen hochweiſſem ſchnee ihrer
liljenhaut herfuͤrblinkten. Ich ſchauete mit verwunde-
rung an/ wie ſie dieſelben ſo ahrtig/ ſo zierlich zu bewe-
gen wuſte. Ich hoͤrete/ wan ſie ſich/ in ſolcher wohl-
anſtaͤndigen bewegung/ auftaͤhten/ eine recht Engliſche
ſtimme. Ja/ woruͤber ich gar beſtuͤrtzt ward/ ich ver-
nahm/ aus ihren ſuͤßen und zugleich majeſtaͤhtiſchen re-
den/ einen hohen verſtand/ eine gantz durchdringende
kraft der vernunft und ſinnen. Ich wuſte nicht/ ob ich
einen Menſchen/ ein Frauenzimmer/ oder einen Halb-
engel ſprechen hoͤrete: oder aber ob es gar ein volkomme-
ner Engel ſei/ der ſeinen himmel verlaßen/ uns gebrech-
lichen menſchen ſeine himliſche volkommenheit blik-
ken zu laßen. Ich ſahe die Wunderfuͤrſtin zwar eu-
ſerlich vor ein Freulein von acht jahren an. Und das
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ich ſie innerlich betrachtete/ wan ich ihren fuͤrtrefli-

chen
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[30/0054] Der Aſſenat mochte. Ja ich laße mich leichtlich bereden/ daß ſich der allerſchlaueſte und allerbehaͤndeſte vor ſolchen ſo tauſen- terlei bewegungen nicht genug huͤhten ſolte. Doch was wil ich viel ſagen/ eine einige bewegung ihrer ſuͤßen eng- liſchen Euglein bewog mehr/ als tauſend anderer auch wohl der ſchoͤnſten menſchlichen augen. Ja ſie hatte nicht noͤhtig/ iemandes gunſt zu gewinnen/ den Limi- ſchen Bilderſtein Hajaracht zu tragen. Als ich mich nun endlich aus den ſtrahlen oder viel- mehr ſchleifſtruͤkken und dohnen dieſer wunderſchoͤnen Eugelein loß gemacht: da lies ich meine durch jene ent- zuͤndeten blikke auf das allerlieblichſte Roͤſelein ihres zahrten Mundes fliegen/ ſie durch deſſen zukkerſuͤßen ho- nigtau/ wieder ab zu kuͤhlen. Alda ward nicht nur mein auge/ ſondern auch mein ohr entzuͤkt. Ja mein mund ſchlos ſich vor ihrem zu: und meine zunge machte die ihrige verſtummet. Ich ſahe die lieblich- und lebendig- ja hoch-rohten Lippen: die als ein anmuhtiges Zukkerroͤſe- lein/ zwiſchen dem angenehmen hochweiſſem ſchnee ihrer liljenhaut herfuͤrblinkten. Ich ſchauete mit verwunde- rung an/ wie ſie dieſelben ſo ahrtig/ ſo zierlich zu bewe- gen wuſte. Ich hoͤrete/ wan ſie ſich/ in ſolcher wohl- anſtaͤndigen bewegung/ auftaͤhten/ eine recht Engliſche ſtimme. Ja/ woruͤber ich gar beſtuͤrtzt ward/ ich ver- nahm/ aus ihren ſuͤßen und zugleich majeſtaͤhtiſchen re- den/ einen hohen verſtand/ eine gantz durchdringende kraft der vernunft und ſinnen. Ich wuſte nicht/ ob ich einen Menſchen/ ein Frauenzimmer/ oder einen Halb- engel ſprechen hoͤrete: oder aber ob es gar ein volkomme- ner Engel ſei/ der ſeinen himmel verlaßen/ uns gebrech- lichen menſchen ſeine himliſche volkommenheit blik- ken zu laßen. Ich ſahe die Wunderfuͤrſtin zwar eu- ſerlich vor ein Freulein von acht jahren an. Und das war ſie auch. Mehr jahre hatte ſie nicht. Aber wan ich ſie innerlich betrachtete/ wan ich ihren fuͤrtrefli- chen

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/54>, abgerufen am 29.11.2024.