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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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erstes Buch.

Es seind keine sechs wochen verlauffen/ da sic die Kö-
nigliche Fürstin Nitokris/ als der Assenat nahe
Bluhtsverwantin/ die ich selbsten begleitet habe/ besuch-
te. Ich hatte viel von dieser jungen Fürstin unver-
gleichlicher schönheit und wunderwürdigen geschiklig-
keit gehöret. Darüm war ich so lüstern sie zu sehen/ daß
ich meine gnädigste Fürstin inständig anflöhete/ mich
vor andern mit zu nehmen. Und also sahe ich das schöne
Wunder/ das Bild aller tugend und zierligkeit. Ich
hatte mir zuvor niemahls einbilden können/ daß sie so
gar schöne sei/ als der gemeine ruf ging. Aber nun be-
fand ich in der taht/ daß man ihr nicht zuviel/ aber
wohl viel zuwenig Schönheit zugeschrieben. Darauf
straks im ersten anblikke mein auge fiel/ das waren ihre
Augen. Darinnen vergafte und vertiefte/ ja verirrete
sich mein auge dermaßen/ daß es sich daraus so bald kei-
nes weges zurük finden/ noch daran sat genug sehen
konte. Diese allerschönsten äugelein/ diese kleine son-
nen verursachten/ so waren meine blikke in ihren blitz-
lenden flämmelein verwürret/ daß ich meiner augen ei-
ne lange weile nicht so viel mächtig sein konte/ die übri-
gen leibesglieder dieses unvergleichlichen Engelbildes
an zu schauen. Ja es waren/ durch dis liebeflinkern/
selbst alle meine sinnen so gar aus mir herausgerükt/
und so tief in dis karfunkellicht entzükket/ daß ich an-
fangs ihre so klahre/ so reine/ so lieb- und hold-seelige
sprache nicht hörete. Je länger ich der schönsten As-
senat
äuglein betrachtete/ ie mehr ich veränderungen
ihrer blikke fand. Und ein blik war immer schöner/ als
der andere: einer war immer lieblicher/ als der ande-
re: einer war immer sanfter/ als der andere. Endlich
kahmen die hertzentzükkenden hauffenweise herausge-
drungen/ ja geschossen. Diese waren so überaus scharf/
und so mächtig/ ja so durch alles hindringende/ daß
das stärkste hertz selbsten sich ihrer nicht zu erwehren ver-

mochte.
erſtes Buch.

Es ſeind keine ſechs wochen verlauffen/ da ſic die Koͤ-
nigliche Fuͤrſtin Nitokris/ als der Aſſenat nahe
Bluhtsverwantin/ die ich ſelbſten begleitet habe/ beſuch-
te. Ich hatte viel von dieſer jungen Fuͤrſtin unver-
gleichlicher ſchoͤnheit und wunderwuͤrdigen geſchiklig-
keit gehoͤret. Daruͤm war ich ſo luͤſtern ſie zu ſehen/ daß
ich meine gnaͤdigſte Fuͤrſtin inſtaͤndig anfloͤhete/ mich
vor andern mit zu nehmen. Und alſo ſahe ich das ſchoͤne
Wunder/ das Bild aller tugend und zierligkeit. Ich
hatte mir zuvor niemahls einbilden koͤnnen/ daß ſie ſo
gar ſchoͤne ſei/ als der gemeine ruf ging. Aber nun be-
fand ich in der taht/ daß man ihr nicht zuviel/ aber
wohl viel zuwenig Schoͤnheit zugeſchrieben. Darauf
ſtraks im erſten anblikke mein auge fiel/ das waren ihre
Augen. Darinnen vergafte und vertiefte/ ja verirrete
ſich mein auge dermaßen/ daß es ſich daraus ſo bald kei-
nes weges zuruͤk finden/ noch daran ſat genug ſehen
konte. Dieſe allerſchoͤnſten aͤugelein/ dieſe kleine ſon-
nen verurſachten/ ſo waren meine blikke in ihren blitz-
lenden flaͤmmelein verwuͤrret/ daß ich meiner augen ei-
ne lange weile nicht ſo viel maͤchtig ſein konte/ die uͤbri-
gen leibesglieder dieſes unvergleichlichen Engelbildes
an zu ſchauen. Ja es waren/ durch dis liebeflinkern/
ſelbſt alle meine ſinnen ſo gar aus mir herausgeruͤkt/
und ſo tief in dis karfunkellicht entzuͤkket/ daß ich an-
fangs ihre ſo klahre/ ſo reine/ ſo lieb- und hold-ſeelige
ſprache nicht hoͤrete. Je laͤnger ich der ſchoͤnſten Aſ-
ſenat
aͤuglein betrachtete/ ie mehr ich veraͤnderungen
ihrer blikke fand. Und ein blik war immer ſchoͤner/ als
der andere: einer war immer lieblicher/ als der ande-
re: einer war immer ſanfter/ als der andere. Endlich
kahmen die hertzentzuͤkkenden hauffenweiſe herausge-
drungen/ ja geſchoſſen. Dieſe waren ſo uͤberaus ſcharf/
und ſo maͤchtig/ ja ſo durch alles hindringende/ daß
das ſtaͤrkſte hertz ſelbſten ſich ihrer nicht zu erwehren ver-

mochte.
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[29/0053] erſtes Buch. Es ſeind keine ſechs wochen verlauffen/ da ſic die Koͤ- nigliche Fuͤrſtin Nitokris/ als der Aſſenat nahe Bluhtsverwantin/ die ich ſelbſten begleitet habe/ beſuch- te. Ich hatte viel von dieſer jungen Fuͤrſtin unver- gleichlicher ſchoͤnheit und wunderwuͤrdigen geſchiklig- keit gehoͤret. Daruͤm war ich ſo luͤſtern ſie zu ſehen/ daß ich meine gnaͤdigſte Fuͤrſtin inſtaͤndig anfloͤhete/ mich vor andern mit zu nehmen. Und alſo ſahe ich das ſchoͤne Wunder/ das Bild aller tugend und zierligkeit. Ich hatte mir zuvor niemahls einbilden koͤnnen/ daß ſie ſo gar ſchoͤne ſei/ als der gemeine ruf ging. Aber nun be- fand ich in der taht/ daß man ihr nicht zuviel/ aber wohl viel zuwenig Schoͤnheit zugeſchrieben. Darauf ſtraks im erſten anblikke mein auge fiel/ das waren ihre Augen. Darinnen vergafte und vertiefte/ ja verirrete ſich mein auge dermaßen/ daß es ſich daraus ſo bald kei- nes weges zuruͤk finden/ noch daran ſat genug ſehen konte. Dieſe allerſchoͤnſten aͤugelein/ dieſe kleine ſon- nen verurſachten/ ſo waren meine blikke in ihren blitz- lenden flaͤmmelein verwuͤrret/ daß ich meiner augen ei- ne lange weile nicht ſo viel maͤchtig ſein konte/ die uͤbri- gen leibesglieder dieſes unvergleichlichen Engelbildes an zu ſchauen. Ja es waren/ durch dis liebeflinkern/ ſelbſt alle meine ſinnen ſo gar aus mir herausgeruͤkt/ und ſo tief in dis karfunkellicht entzuͤkket/ daß ich an- fangs ihre ſo klahre/ ſo reine/ ſo lieb- und hold-ſeelige ſprache nicht hoͤrete. Je laͤnger ich der ſchoͤnſten Aſ- ſenat aͤuglein betrachtete/ ie mehr ich veraͤnderungen ihrer blikke fand. Und ein blik war immer ſchoͤner/ als der andere: einer war immer lieblicher/ als der ande- re: einer war immer ſanfter/ als der andere. Endlich kahmen die hertzentzuͤkkenden hauffenweiſe herausge- drungen/ ja geſchoſſen. Dieſe waren ſo uͤberaus ſcharf/ und ſo maͤchtig/ ja ſo durch alles hindringende/ daß das ſtaͤrkſte hertz ſelbſten ſich ihrer nicht zu erwehren ver- mochte.

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/53>, abgerufen am 08.05.2024.