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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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Anmärkungen.
gallen hat bei den alten Deutschen hallen oder schal-
len/
auch wohl singen und klingen bedeutet: wie das
noch itzt übliche niederdeutsche galm/ das ist ein hal/
oder widerschal/ ein zurükprallender klang/ und
unser Nachtigal/ welches so viel heissen sol/ als
ein Vogel/ der des nachtes gallet/ hallet/ singet/
klährlich bezeugen. Und also heisset das wort Madrigal
so viel als ein Stal- oder Hürden-lied/ ein Heer-
den-
oder Hürten-gesang/ oder aber ein Höhlen-
lied;
welches die Hürten oder Schäfer bei ihren Hür-
den oder Heerden in den höhlen gesungen. Wir haben
es lieber ein Schattenlied geben wollen; weil es die
Hürten/ wan sie üm den heissen mittag/ vor der son-
nenhitze/ entweder in den höhlen/ oder unter dikbelaub-
ten beumen/ unter dem schatten geruhet/ zu singen
pflegen. Es ist auch nichts fremdes/ daß die Wälschen
das letzte wortglied gal in Madrigale von den Deut-
schen
entlehnet; weil nicht allein sie/ sondern auch die
Spanier/ ob sie uns schon so fern entlegen/ ja noch weit
mehr die Franzosen mit vielen andern wörtern derglei-
chen getahn. Die Wälschen haben auch das wort gal-
lillo,
das ist/ ein glöklein/ oder auch die Luftröh-
re im schlunde oder halse/
dadurch der hal und
klang der stimme gehet oder gemacht wird. Dieses
ist nirgend anders her/ als aus unserem alten deutschen
gallen (daraus auch galm/ eben wie aus hallen/
hals/
und halm/ den die Hürten zur pfeiffe gebrau-
chen/ gebildet) entsprossen. Ja eben daher hat das La-
teinische wort Gallus, das ist ein Hahn/ der durch
seinen hällen hal den tag anzeiget/ selbsten/ und nicht
vom alten nahmen der Franzosen Gallus, wie etliche/
weil die Hähne zuerst in Frankreich sollen entsprossen/
oder in großer mänge/ zum fechten oder Hahnenkampfe/
erzogen sein/ fürgeben/ seinen uhrsprung gewonnen.
Dan dieser Völker nahme Gallus, oder zuerst des gan-

tzen

Anmaͤrkungen.
gallen hat bei den alten Deutſchen hallen oder ſchal-
len/
auch wohl ſingen und klingen bedeutet: wie das
noch itzt uͤbliche niederdeutſche galm/ das iſt ein hal/
oder widerſchal/ ein zuruͤkprallender klang/ und
unſer Nachtigal/ welches ſo viel heiſſen ſol/ als
ein Vogel/ der des nachtes gallet/ hallet/ ſinget/
klaͤhrlich bezeugen. Und alſo heiſſet das wort Madrigal
ſo viel als ein Stal- oder Huͤrden-lied/ ein Heer-
den-
oder Huͤrten-geſang/ oder aber ein Hoͤhlen-
lied;
welches die Huͤrten oder Schaͤfer bei ihren Huͤr-
den oder Heerden in den hoͤhlen geſungen. Wir haben
es lieber ein Schattenlied geben wollen; weil es die
Huͤrten/ wan ſie uͤm den heiſſen mittag/ vor der ſon-
nenhitze/ entweder in den hoͤhlen/ oder unter dikbelaub-
ten beumen/ unter dem ſchatten geruhet/ zu ſingen
pflegen. Es iſt auch nichts fremdes/ daß die Waͤlſchen
das letzte wortglied gal in Madrigale von den Deut-
ſchen
entlehnet; weil nicht allein ſie/ ſondern auch die
Spanier/ ob ſie uns ſchon ſo fern entlegen/ ja noch weit
mehr die Franzoſen mit vielen andern woͤrtern derglei-
chen getahn. Die Waͤlſchen haben auch das wort gal-
lillo,
das iſt/ ein gloͤklein/ oder auch die Luftroͤh-
re im ſchlunde oder halſe/
dadurch der hal und
klang der ſtimme gehet oder gemacht wird. Dieſes
iſt nirgend anders her/ als aus unſerem alten deutſchen
gallen (daraus auch galm/ eben wie aus hallen/
hals/
und halm/ den die Huͤrten zur pfeiffe gebrau-
chen/ gebildet) entſproſſen. Ja eben daher hat das La-
teiniſche wort Gallus, das iſt ein Hahn/ der durch
ſeinen haͤllen hal den tag anzeiget/ ſelbſten/ und nicht
vom alten nahmen der Franzoſen Gallus, wie etliche/
weil die Haͤhne zuerſt in Frankreich ſollen entſproſſen/
oder in großer maͤnge/ zum fechten oder Hahnenkampfe/
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tzen
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[511/0535] Anmaͤrkungen. gallen hat bei den alten Deutſchen hallen oder ſchal- len/ auch wohl ſingen und klingen bedeutet: wie das noch itzt uͤbliche niederdeutſche galm/ das iſt ein hal/ oder widerſchal/ ein zuruͤkprallender klang/ und unſer Nachtigal/ welches ſo viel heiſſen ſol/ als ein Vogel/ der des nachtes gallet/ hallet/ ſinget/ klaͤhrlich bezeugen. Und alſo heiſſet das wort Madrigal ſo viel als ein Stal- oder Huͤrden-lied/ ein Heer- den- oder Huͤrten-geſang/ oder aber ein Hoͤhlen- lied; welches die Huͤrten oder Schaͤfer bei ihren Huͤr- den oder Heerden in den hoͤhlen geſungen. Wir haben es lieber ein Schattenlied geben wollen; weil es die Huͤrten/ wan ſie uͤm den heiſſen mittag/ vor der ſon- nenhitze/ entweder in den hoͤhlen/ oder unter dikbelaub- ten beumen/ unter dem ſchatten geruhet/ zu ſingen pflegen. Es iſt auch nichts fremdes/ daß die Waͤlſchen das letzte wortglied gal in Madrigale von den Deut- ſchen entlehnet; weil nicht allein ſie/ ſondern auch die Spanier/ ob ſie uns ſchon ſo fern entlegen/ ja noch weit mehr die Franzoſen mit vielen andern woͤrtern derglei- chen getahn. Die Waͤlſchen haben auch das wort gal- lillo, das iſt/ ein gloͤklein/ oder auch die Luftroͤh- re im ſchlunde oder halſe/ dadurch der hal und klang der ſtimme gehet oder gemacht wird. Dieſes iſt nirgend anders her/ als aus unſerem alten deutſchen gallen (daraus auch galm/ eben wie aus hallen/ hals/ und halm/ den die Huͤrten zur pfeiffe gebrau- chen/ gebildet) entſproſſen. Ja eben daher hat das La- teiniſche wort Gallus, das iſt ein Hahn/ der durch ſeinen haͤllen hal den tag anzeiget/ ſelbſten/ und nicht vom alten nahmen der Franzoſen Gallus, wie etliche/ weil die Haͤhne zuerſt in Frankreich ſollen entſproſſen/ oder in großer maͤnge/ zum fechten oder Hahnenkampfe/ erzogen ſein/ fuͤrgeben/ ſeinen uhrſprung gewonnen. Dan dieſer Voͤlker nahme Gallus, oder zuerſt des gan- tzen

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 511. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/535>, abgerufen am 27.11.2024.