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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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erstes Buch.
ter scheiden: darüm er die Götter/ ehe er sie erlanget/
mit so viel tausend seufzern/ so lange zeit angeflöhet.
Doch weil der Sonnengott selbst/ der das Auge der
gantzen welt ist/ welches alles siehet/ ein väterliches au-
ge auf sie zu haben sich gleichsam erklähret; so gab er
sich endlich willig darein/ sie aus seinen augen zu las-
sen. Ja solches täht er üm so viel williger; weil er hof-
nung hatte in kurtzer zeit selbst zu Heliopel zu wohnen.
Dan der Ertzbischof/ sprach er bei sich selbst/ ist schon so
hoch bealtert/ daß er nicht lange mehr leben kan. So
bald er stirbet/ komme ich in sein Ertzbischoftuhm/
und dan zugleich wieder zu meiner Tochter. Hierauf
fragte er den Ertzbischof: wo/ oder wem er seine Toch-
ter/ damit sie den Göttern gebührender maßen möchte
geheiliget werden/ hinterlaßen solte? Dieser gab ihm zur
antwort: Er kan sie auf der Sonnenburg laßen/ wel-
che alda gerade gegen meinem schlosse über lieget. Und
hiermit täht er das Fenster auf/ und zeigte sie dem Po-
tifar.
Sie stehet doch/ fuhr er fort/ ohne das ledig.
Assenat kan sie/ mit ihrem Frauenzimmer/ wohl be-
wohnen.

Wer war froher als Potifar/ als er von der Son-
nenburg
hörete. Diese war vor seine Tochter die rech-
te wohnung: welche die Götter durch den nahmen
selbst darzu bestimmet/ und eben unbewohnet gelaßen zu
haben schienen. Alda konte sie überaus wohl von der
welt abgesondert leben/ und wan sie erwachsen/ unge-
hindert den Göttern dienen. Dan sie ist rund herüm
mit zimlich großen gärten und vorhöfen ümgeben: und
diese seind mit einer hohen und starken mauer üm-
zogen; durch welche vier tohre/ mit eisernen tohr-
flügeln/ nach der Burg zu gehen. Und also kan Asse-
nat
von keinem menschen in ihrer Gottesfurcht ge-
stöhret werden; weil niemand einiger zugang ver-
gönnet.

Auf

erſtes Buch.
ter ſcheiden: daruͤm er die Goͤtter/ ehe er ſie erlanget/
mit ſo viel tauſend ſeufzern/ ſo lange zeit angefloͤhet.
Doch weil der Sonnengott ſelbſt/ der das Auge der
gantzen welt iſt/ welches alles ſiehet/ ein vaͤterliches au-
ge auf ſie zu haben ſich gleichſam erklaͤhret; ſo gab er
ſich endlich willig darein/ ſie aus ſeinen augen zu las-
ſen. Ja ſolches taͤht er uͤm ſo viel williger; weil er hof-
nung hatte in kurtzer zeit ſelbſt zu Heliopel zu wohnen.
Dan der Ertzbiſchof/ ſprach er bei ſich ſelbſt/ iſt ſchon ſo
hoch bealtert/ daß er nicht lange mehr leben kan. So
bald er ſtirbet/ komme ich in ſein Ertzbiſchoftuhm/
und dan zugleich wieder zu meiner Tochter. Hierauf
fragte er den Ertzbiſchof: wo/ oder wem er ſeine Toch-
ter/ damit ſie den Goͤttern gebuͤhrender maßen moͤchte
geheiliget werden/ hinterlaßen ſolte? Dieſer gab ihm zur
antwort: Er kan ſie auf der Sonnenburg laßen/ wel-
che alda gerade gegen meinem ſchloſſe uͤber lieget. Und
hiermit taͤht er das Fenſter auf/ und zeigte ſie dem Po-
tifar.
Sie ſtehet doch/ fuhr er fort/ ohne das ledig.
Aſſenat kan ſie/ mit ihrem Frauenzimmer/ wohl be-
wohnen.

Wer war froher als Potifar/ als er von der Son-
nenburg
hoͤrete. Dieſe war vor ſeine Tochter die rech-
te wohnung: welche die Goͤtter durch den nahmen
ſelbſt darzu beſtimmet/ und eben unbewohnet gelaßen zu
haben ſchienen. Alda konte ſie uͤberaus wohl von der
welt abgeſondert leben/ und wan ſie erwachſen/ unge-
hindert den Goͤttern dienen. Dan ſie iſt rund heruͤm
mit zimlich großen gaͤrten und vorhoͤfen uͤmgeben: und
dieſe ſeind mit einer hohen und ſtarken mauer uͤm-
zogen; durch welche vier tohre/ mit eiſernen tohr-
fluͤgeln/ nach der Burg zu gehen. Und alſo kan Aſſe-
nat
von keinem menſchen in ihrer Gottesfurcht ge-
ſtoͤhret werden; weil niemand einiger zugang ver-
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[27/0051] erſtes Buch. ter ſcheiden: daruͤm er die Goͤtter/ ehe er ſie erlanget/ mit ſo viel tauſend ſeufzern/ ſo lange zeit angefloͤhet. Doch weil der Sonnengott ſelbſt/ der das Auge der gantzen welt iſt/ welches alles ſiehet/ ein vaͤterliches au- ge auf ſie zu haben ſich gleichſam erklaͤhret; ſo gab er ſich endlich willig darein/ ſie aus ſeinen augen zu las- ſen. Ja ſolches taͤht er uͤm ſo viel williger; weil er hof- nung hatte in kurtzer zeit ſelbſt zu Heliopel zu wohnen. Dan der Ertzbiſchof/ ſprach er bei ſich ſelbſt/ iſt ſchon ſo hoch bealtert/ daß er nicht lange mehr leben kan. So bald er ſtirbet/ komme ich in ſein Ertzbiſchoftuhm/ und dan zugleich wieder zu meiner Tochter. Hierauf fragte er den Ertzbiſchof: wo/ oder wem er ſeine Toch- ter/ damit ſie den Goͤttern gebuͤhrender maßen moͤchte geheiliget werden/ hinterlaßen ſolte? Dieſer gab ihm zur antwort: Er kan ſie auf der Sonnenburg laßen/ wel- che alda gerade gegen meinem ſchloſſe uͤber lieget. Und hiermit taͤht er das Fenſter auf/ und zeigte ſie dem Po- tifar. Sie ſtehet doch/ fuhr er fort/ ohne das ledig. Aſſenat kan ſie/ mit ihrem Frauenzimmer/ wohl be- wohnen. Wer war froher als Potifar/ als er von der Son- nenburg hoͤrete. Dieſe war vor ſeine Tochter die rech- te wohnung: welche die Goͤtter durch den nahmen ſelbſt darzu beſtimmet/ und eben unbewohnet gelaßen zu haben ſchienen. Alda konte ſie uͤberaus wohl von der welt abgeſondert leben/ und wan ſie erwachſen/ unge- hindert den Goͤttern dienen. Dan ſie iſt rund heruͤm mit zimlich großen gaͤrten und vorhoͤfen uͤmgeben: und dieſe ſeind mit einer hohen und ſtarken mauer uͤm- zogen; durch welche vier tohre/ mit eiſernen tohr- fluͤgeln/ nach der Burg zu gehen. Und alſo kan Aſſe- nat von keinem menſchen in ihrer Gottesfurcht ge- ſtoͤhret werden; weil niemand einiger zugang ver- goͤnnet. Auf

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/51>, abgerufen am 05.05.2024.