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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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erstes Buch.
hen. Gleichwohl hat keine von allen das glük gehabt
denselben/ den sie zum Breutigam wündschten/ in der nä-
he zusehen/ viel weniger zusprechen. Mir allein hat itzund
das glük so günstig sein wollen/ daß mir beides wider-
fähret. Und darüm darf man sich nicht verwundern/
daß ich im ersten anblikke schier aus mir selbst gewesen.

Drei stunden waren vom tage schon verlauffen/
als der ruf in das schlos drang: der schöne Leibeigne sei
itzt auf dem wege. Da ward vollend alles rege. Die
Küchenmägde selbst lieffen/ von ihrer arbeit/ auf den
schlosplatz. Ich wolte dan auch die letzte nicht sein. Bis-
her war ich noch mit den kleidern meiner Fürstin ge-
schäftig gewesen. Aber nun trieb mich die neugierigkeit
auch ans fenster. Kaum war ich/ wiewohl etwas un-
achtsam/ hinzugeträhten/ als ich desselben/ den ieder-
man zu sehen so sehr verlangte/ schon von ferne gewahr
ward. Mich deucht/ ich fühle noch itzt die wunde/ die
sein allererster anblik meinem hertzen gegeben. Wie dem
andern Frauenzimmer zu muhte gewesen/ laße ich un-
gesagt. Allein dieses kan ich sagen/ daß ich sie alle/
teils bestürtzt/ teils erstumt/ teils erstarret/ ja wohl gar
vernarret/ daß ich so reden mag/ gesehen. Zu ihrer aller
glükke war der König eben bei der Königin. Auch blieb
er alda noch eine guhte weile stehen. Indessen musten
die Kaufleute/ mit dem schönen Leibeignen/ auf dem
schlosplatze/ vor unserem gesichte/ warten. Ja ich gleu-
be/ daß das meiste/ wo nicht gantze Frauenzimmer
wündschete/ daß solches warten etliche tage lang gewäh-
ret: solch-eine ergetzung schöpften sie in dieser schönheit.
Aber der Königin was zu freimühtig ausgelaßene
worte von diesem schönen Wunder verursachten end-
lich den König sich in den Verhörsaal zu verfügen/ ja
gar zu entschliessen/ das so schöne Geschenke zurük zu
senden. Und also ward er/ vor unsern augen/ wiewohl
alzugeschwinde vorüber/ wieder in die stadt geführet.

Hatte
B ij

erſtes Buch.
hen. Gleichwohl hat keine von allen das gluͤk gehabt
denſelben/ den ſie zum Breutigam wuͤndſchten/ in der naͤ-
he zuſehen/ viel weniger zuſprechen. Mir allein hat itzund
das gluͤk ſo guͤnſtig ſein wollen/ daß mir beides wider-
faͤhret. Und daruͤm darf man ſich nicht verwundern/
daß ich im erſten anblikke ſchier aus mir ſelbſt geweſen.

Drei ſtunden waren vom tage ſchon verlauffen/
als der ruf in das ſchlos drang: der ſchoͤne Leibeigne ſei
itzt auf dem wege. Da ward vollend alles rege. Die
Kuͤchenmaͤgde ſelbſt lieffen/ von ihrer arbeit/ auf den
ſchlosplatz. Ich wolte dan auch die letzte nicht ſein. Bis-
her war ich noch mit den kleidern meiner Fuͤrſtin ge-
ſchaͤftig geweſen. Aber nun trieb mich die neugierigkeit
auch ans fenſter. Kaum war ich/ wiewohl etwas un-
achtſam/ hinzugetraͤhten/ als ich deſſelben/ den ieder-
man zu ſehen ſo ſehr verlangte/ ſchon von ferne gewahr
ward. Mich deucht/ ich fuͤhle noch itzt die wunde/ die
ſein allererſter anblik meinem hertzen gegeben. Wie dem
andern Frauenzimmer zu muhte geweſen/ laße ich un-
geſagt. Allein dieſes kan ich ſagen/ daß ich ſie alle/
teils beſtuͤrtzt/ teils erſtumt/ teils erſtarret/ ja wohl gar
vernarret/ daß ich ſo reden mag/ geſehen. Zu ihrer aller
gluͤkke war der Koͤnig eben bei der Koͤnigin. Auch blieb
er alda noch eine guhte weile ſtehen. Indeſſen muſten
die Kaufleute/ mit dem ſchoͤnen Leibeignen/ auf dem
ſchlosplatze/ vor unſerem geſichte/ warten. Ja ich gleu-
be/ daß das meiſte/ wo nicht gantze Frauenzimmer
wuͤndſchete/ daß ſolches warten etliche tage lang gewaͤh-
ret: ſolch-eine ergetzung ſchoͤpften ſie in dieſer ſchoͤnheit.
Aber der Koͤnigin was zu freimuͤhtig ausgelaßene
worte von dieſem ſchoͤnen Wunder verurſachten end-
lich den Koͤnig ſich in den Verhoͤrſaal zu verfuͤgen/ ja
gar zu entſchlieſſen/ das ſo ſchoͤne Geſchenke zuruͤk zu
ſenden. Und alſo ward er/ vor unſern augen/ wiewohl
alzugeſchwinde voruͤber/ wieder in die ſtadt gefuͤhret.

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B ij
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[19/0043] erſtes Buch. hen. Gleichwohl hat keine von allen das gluͤk gehabt denſelben/ den ſie zum Breutigam wuͤndſchten/ in der naͤ- he zuſehen/ viel weniger zuſprechen. Mir allein hat itzund das gluͤk ſo guͤnſtig ſein wollen/ daß mir beides wider- faͤhret. Und daruͤm darf man ſich nicht verwundern/ daß ich im erſten anblikke ſchier aus mir ſelbſt geweſen. Drei ſtunden waren vom tage ſchon verlauffen/ als der ruf in das ſchlos drang: der ſchoͤne Leibeigne ſei itzt auf dem wege. Da ward vollend alles rege. Die Kuͤchenmaͤgde ſelbſt lieffen/ von ihrer arbeit/ auf den ſchlosplatz. Ich wolte dan auch die letzte nicht ſein. Bis- her war ich noch mit den kleidern meiner Fuͤrſtin ge- ſchaͤftig geweſen. Aber nun trieb mich die neugierigkeit auch ans fenſter. Kaum war ich/ wiewohl etwas un- achtſam/ hinzugetraͤhten/ als ich deſſelben/ den ieder- man zu ſehen ſo ſehr verlangte/ ſchon von ferne gewahr ward. Mich deucht/ ich fuͤhle noch itzt die wunde/ die ſein allererſter anblik meinem hertzen gegeben. Wie dem andern Frauenzimmer zu muhte geweſen/ laße ich un- geſagt. Allein dieſes kan ich ſagen/ daß ich ſie alle/ teils beſtuͤrtzt/ teils erſtumt/ teils erſtarret/ ja wohl gar vernarret/ daß ich ſo reden mag/ geſehen. Zu ihrer aller gluͤkke war der Koͤnig eben bei der Koͤnigin. Auch blieb er alda noch eine guhte weile ſtehen. Indeſſen muſten die Kaufleute/ mit dem ſchoͤnen Leibeignen/ auf dem ſchlosplatze/ vor unſerem geſichte/ warten. Ja ich gleu- be/ daß das meiſte/ wo nicht gantze Frauenzimmer wuͤndſchete/ daß ſolches warten etliche tage lang gewaͤh- ret: ſolch-eine ergetzung ſchoͤpften ſie in dieſer ſchoͤnheit. Aber der Koͤnigin was zu freimuͤhtig ausgelaßene worte von dieſem ſchoͤnen Wunder verurſachten end- lich den Koͤnig ſich in den Verhoͤrſaal zu verfuͤgen/ ja gar zu entſchlieſſen/ das ſo ſchoͤne Geſchenke zuruͤk zu ſenden. Und alſo ward er/ vor unſern augen/ wiewohl alzugeſchwinde voruͤber/ wieder in die ſtadt gefuͤhret. Hatte B ij

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/43>, abgerufen am 21.12.2024.