Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Assenat
eine so volkommene schönheit an einigem Jüngling[e]
erblikket. Und eben dasselbe verursachte sie zu muht[-]
maßen/ daß er irgend eines Fürsten Sohn sei; den di[e]
Ismaeler seinem Vater gestohlen. Sie könte nimmer[-]
mehr gleuben/ daß er ihnen/ ihrem vorgeben nach/ ver[-]
kauft worden. Auch hette sie fragen laßen: ob sie ih[n]
wieder verkauffen wolten/ und wie teuer? Darauf se[i]
ihr zur antwort worden: daß er vor kein geld/ aber wohl
vor des Königes gnade zu kauffe were: dem er auch mor-
gen früh solte verehret werden. Nach diesem bescheide
habe sie sich von stunden an nach der Königlichen burg
zu begeben/ meinem gnädigsten Freulein solche zeitung
zu bringen.

Kaum waren diese worte aus ihrem munde/ als sie
schon der gantze Hof wuste. Ein Edelknabe der Köni-
gin/ der meiner Fürstin eben etwas andienen solte/ hat-
te alles mit angehöret. Dieser brachte es vor seine gnä-
digste Frau/ in gegenwart anderer: welche es wieder an-
dern erzehleten. Es ist kaum zu gleuben/ wie behände
diese recht neue/ ja wohl recht seltzame zeitung von zim-
mer zu zimmer/ und endlich gar durch das gantze schlos
lief. Wo zween oder drei Höflinge/ oder Hofjungfrauen/
ja selbst Schüsselwäscherinnen beieinander stunden;
da redete man von nichts/ als von diesem schönen Leib-
eigenen. Jederman war begierig ihn zu sehen. Jeder-
man verlangte nach dem morgenden tage. Ja ich hal-
te gäntzlich darvor/ daß schweerlich eine/ es sei Frau oder
Jungfrau/ im Königlichen Frauenzimmer war/ die
sich nicht schon/ vom bloßen hörensagen/ in ihn verlie-
bet. Auch darf ich wohl melden/ daß das meiste Frauen-
zimmer/ aus alzuheftigem verlangen/ dieselbe nacht
schlafloß verschlossen. Kaum war der tag angebrochen/
als sie schon alle in dem fenstern lagen. Die meisten
hatten sich auch so aufgebutzt/ und so ausgezieret/ als
wan sie denselben tag/ als Breute/ solten zur traue ge-

hen.

Der Aſſenat
eine ſo volkommene ſchoͤnheit an einigem Juͤngling[e]
erblikket. Und eben daſſelbe verurſachte ſie zu muht[-]
maßen/ daß er irgend eines Fuͤrſten Sohn ſei; den di[e]
Ismaeler ſeinem Vater geſtohlen. Sie koͤnte nimmer[-]
mehr gleuben/ daß er ihnen/ ihrem vorgeben nach/ ver[-]
kauft worden. Auch hette ſie fragen laßen: ob ſie ih[n]
wieder verkauffen wolten/ und wie teuer? Darauf ſe[i]
ihr zur antwort worden: daß er vor kein geld/ aber wohl
vor des Koͤniges gnade zu kauffe were: dem er auch mor-
gen fruͤh ſolte verehret werden. Nach dieſem beſcheide
habe ſie ſich von ſtunden an nach der Koͤniglichen burg
zu begeben/ meinem gnaͤdigſten Freulein ſolche zeitung
zu bringen.

Kaum waren dieſe worte aus ihrem munde/ als ſie
ſchon der gantze Hof wuſte. Ein Edelknabe der Koͤni-
gin/ der meiner Fuͤrſtin eben etwas andienen ſolte/ hat-
te alles mit angehoͤret. Dieſer brachte es vor ſeine gnaͤ-
digſte Frau/ in gegenwart anderer: welche es wieder an-
dern erzehleten. Es iſt kaum zu gleuben/ wie behaͤnde
dieſe recht neue/ ja wohl recht ſeltzame zeitung von zim-
mer zu zimmer/ und endlich gar durch das gantze ſchlos
lief. Wo zween oder drei Hoͤflinge/ oder Hofjungfrauen/
ja ſelbſt Schuͤſſelwaͤſcherinnen beieinander ſtunden;
da redete man von nichts/ als von dieſem ſchoͤnen Leib-
eigenen. Jederman war begierig ihn zu ſehen. Jeder-
man verlangte nach dem morgenden tage. Ja ich hal-
te gaͤntzlich darvor/ daß ſchweerlich eine/ es ſei Frau oder
Jungfrau/ im Koͤniglichen Frauenzimmer war/ die
ſich nicht ſchon/ vom bloßen hoͤrenſagen/ in ihn verlie-
bet. Auch darf ich wohl melden/ daß das meiſte Frauen-
zimmer/ aus alzuheftigem verlangen/ dieſelbe nacht
ſchlafloß verſchloſſen. Kaum war der tag angebrochen/
als ſie ſchon alle in dem fenſtern lagen. Die meiſten
hatten ſich auch ſo aufgebutzt/ und ſo ausgezieret/ als
wan ſie denſelben tag/ als Breute/ ſolten zur traue ge-

hen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0042" n="18"/><fw place="top" type="header">Der A&#x017F;&#x017F;enat</fw><lb/>
eine &#x017F;o volkommene &#x017F;cho&#x0364;nheit an einigem Ju&#x0364;ngling<supplied>e</supplied><lb/>
erblikket. <hi rendition="#fr">U</hi>nd eben da&#x017F;&#x017F;elbe verur&#x017F;achte &#x017F;ie zu muht<supplied>-</supplied><lb/>
maßen/ daß er irgend eines Fu&#x0364;r&#x017F;ten Sohn &#x017F;ei; den di<supplied>e</supplied><lb/>
Ismaeler &#x017F;einem Vater ge&#x017F;tohlen. Sie ko&#x0364;nte nimmer<supplied>-</supplied><lb/>
mehr gleuben/ daß er ihnen/ ihrem vorgeben nach/ ver<supplied>-</supplied><lb/>
kauft worden. Auch hette &#x017F;ie fragen laßen: ob &#x017F;ie ih<supplied>n</supplied><lb/>
wieder verkauffen wolten/ und wie teuer? Darauf &#x017F;e<supplied>i</supplied><lb/>
ihr zur antwort worden: daß er vor kein geld/ aber wohl<lb/>
vor des Ko&#x0364;niges gnade zu kauffe were: dem er auch mor-<lb/>
gen fru&#x0364;h &#x017F;olte verehret werden. Nach die&#x017F;em be&#x017F;cheide<lb/>
habe &#x017F;ie &#x017F;ich von &#x017F;tunden an nach der Ko&#x0364;niglichen burg<lb/>
zu begeben/ meinem gna&#x0364;dig&#x017F;ten Freulein &#x017F;olche zeitung<lb/>
zu bringen.</p><lb/>
        <p>Kaum waren die&#x017F;e worte aus ihrem munde/ als &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;chon der gantze Hof wu&#x017F;te. Ein Edelknabe der Ko&#x0364;ni-<lb/>
gin/ der meiner Fu&#x0364;r&#x017F;tin eben etwas andienen &#x017F;olte/ hat-<lb/>
te alles mit angeho&#x0364;ret. Die&#x017F;er brachte es vor &#x017F;eine gna&#x0364;-<lb/>
dig&#x017F;te Frau/ in gegenwart anderer: welche es wieder an-<lb/>
dern erzehleten. Es i&#x017F;t kaum zu gleuben/ wie beha&#x0364;nde<lb/>
die&#x017F;e recht neue/ ja wohl recht &#x017F;eltzame zeitung von zim-<lb/>
mer zu zimmer/ und endlich gar durch das gantze &#x017F;chlos<lb/>
lief. Wo zween oder drei Ho&#x0364;flinge/ oder Hofjungfrauen/<lb/>
ja &#x017F;elb&#x017F;t Schu&#x0364;&#x017F;&#x017F;elwa&#x0364;&#x017F;cherinnen beieinander &#x017F;tunden;<lb/>
da redete man von nichts/ als von die&#x017F;em &#x017F;cho&#x0364;nen Leib-<lb/>
eigenen. Jederman war begierig ihn zu &#x017F;ehen. Jeder-<lb/>
man verlangte nach dem morgenden tage. Ja ich hal-<lb/>
te ga&#x0364;ntzlich darvor/ daß &#x017F;chweerlich eine/ es &#x017F;ei Frau oder<lb/>
Jungfrau/ im Ko&#x0364;niglichen Frauenzimmer war/ die<lb/>
&#x017F;ich nicht &#x017F;chon/ vom bloßen ho&#x0364;ren&#x017F;agen/ in ihn verlie-<lb/>
bet. Auch darf ich wohl melden/ daß das mei&#x017F;te Frauen-<lb/>
zimmer/ aus alzuheftigem verlangen/ die&#x017F;elbe nacht<lb/>
&#x017F;chlafloß ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en. Kaum war der tag angebrochen/<lb/>
als &#x017F;ie &#x017F;chon alle in dem fen&#x017F;tern lagen. Die mei&#x017F;ten<lb/>
hatten &#x017F;ich auch &#x017F;o aufgebutzt/ und &#x017F;o ausgezieret/ als<lb/>
wan &#x017F;ie den&#x017F;elben tag/ als Breute/ &#x017F;olten zur traue ge-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">hen.</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[18/0042] Der Aſſenat eine ſo volkommene ſchoͤnheit an einigem Juͤnglinge erblikket. Und eben daſſelbe verurſachte ſie zu muht- maßen/ daß er irgend eines Fuͤrſten Sohn ſei; den die Ismaeler ſeinem Vater geſtohlen. Sie koͤnte nimmer- mehr gleuben/ daß er ihnen/ ihrem vorgeben nach/ ver- kauft worden. Auch hette ſie fragen laßen: ob ſie ihn wieder verkauffen wolten/ und wie teuer? Darauf ſei ihr zur antwort worden: daß er vor kein geld/ aber wohl vor des Koͤniges gnade zu kauffe were: dem er auch mor- gen fruͤh ſolte verehret werden. Nach dieſem beſcheide habe ſie ſich von ſtunden an nach der Koͤniglichen burg zu begeben/ meinem gnaͤdigſten Freulein ſolche zeitung zu bringen. Kaum waren dieſe worte aus ihrem munde/ als ſie ſchon der gantze Hof wuſte. Ein Edelknabe der Koͤni- gin/ der meiner Fuͤrſtin eben etwas andienen ſolte/ hat- te alles mit angehoͤret. Dieſer brachte es vor ſeine gnaͤ- digſte Frau/ in gegenwart anderer: welche es wieder an- dern erzehleten. Es iſt kaum zu gleuben/ wie behaͤnde dieſe recht neue/ ja wohl recht ſeltzame zeitung von zim- mer zu zimmer/ und endlich gar durch das gantze ſchlos lief. Wo zween oder drei Hoͤflinge/ oder Hofjungfrauen/ ja ſelbſt Schuͤſſelwaͤſcherinnen beieinander ſtunden; da redete man von nichts/ als von dieſem ſchoͤnen Leib- eigenen. Jederman war begierig ihn zu ſehen. Jeder- man verlangte nach dem morgenden tage. Ja ich hal- te gaͤntzlich darvor/ daß ſchweerlich eine/ es ſei Frau oder Jungfrau/ im Koͤniglichen Frauenzimmer war/ die ſich nicht ſchon/ vom bloßen hoͤrenſagen/ in ihn verlie- bet. Auch darf ich wohl melden/ daß das meiſte Frauen- zimmer/ aus alzuheftigem verlangen/ dieſelbe nacht ſchlafloß verſchloſſen. Kaum war der tag angebrochen/ als ſie ſchon alle in dem fenſtern lagen. Die meiſten hatten ſich auch ſo aufgebutzt/ und ſo ausgezieret/ als wan ſie denſelben tag/ als Breute/ ſolten zur traue ge- hen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/42
Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/42>, abgerufen am 21.12.2024.