Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.erstes Buch. ein wort aus ihrem munde. Kaum gab sie antwort de-nen/ die sie ansprachen: und antwortete sie/ so war die antwort zu weilen anders/ als man fragte. Sie redete sehr wenig: und wan sie redete/ so schweifte sie vielmahls vom zwekke so gar ab/ daß es alle märkten. Weil sie nun des Kaufmans Töchtern sehr nahe befreundet war; so trugen sie keine scheu/ ihre Verwantin zu fragen: war- üm sie so stille sei? warüm sie so wenig redete? und wan sie redete/ warüm ihre reden vom wege so abschweiffeten? Ja sie setzten hinzu/ ob sie irgend verliebt sei/ weil sie in so tieffer entzükkung säße? Auf alle diese fragen bekan- te die Hofjungfrau die runte wahrheit. Ja sie scheuete sich nicht einmahl in Josefs gegenwart sich gantz offen- hertzig heraus zu laßen. Ach! sagte sie/ solte ich nicht entzükt sein? Solte ich nicht andere worte führen/ als man von mir gewohnet? Diesen augenblik ist mir ein glük aufgestoßen/ das ich nimmermehr hoffen dürfen. Hierauf wendete sie sich zum Josef/ der eben am fen- ster saß. Ist er nicht/ fragte sie/ der schöne Jüngling/ den die Ismaeler vor vierzehen tagen unserm Könige verehren/ er aber ihn nicht annehmen wollen? Als sie Josef mit ja beantwortet; so fuhr sie weiter fort: weis er dan wohl/ warüm der König solches getahn? Josef antwortete/ nein: und sie begunte alles zu erzehlen/ was sich bei seiner ankunft auf der Burg begeben. Den abend zuvor/ sagte sie/ ehe das königliche eine B
erſtes Buch. ein wort aus ihrem munde. Kaum gab ſie antwort de-nen/ die ſie anſprachen: und antwortete ſie/ ſo war die antwort zu weilen anders/ als man fragte. Sie redete ſehr wenig: und wan ſie redete/ ſo ſchweifte ſie vielmahls vom zwekke ſo gar ab/ daß es alle maͤrkten. Weil ſie nun des Kaufmans Toͤchtern ſehr nahe befreundet war; ſo trugen ſie keine ſcheu/ ihre Verwantin zu fragen: war- uͤm ſie ſo ſtille ſei? waruͤm ſie ſo wenig redete? und wan ſie redete/ waruͤm ihre reden vom wege ſo abſchweiffeten? Ja ſie ſetzten hinzu/ ob ſie irgend verliebt ſei/ weil ſie in ſo tieffer entzuͤkkung ſaͤße? Auf alle dieſe fragen bekan- te die Hofjungfrau die runte wahrheit. Ja ſie ſcheuete ſich nicht einmahl in Joſefs gegenwart ſich gantz offen- hertzig heraus zu laßen. Ach! ſagte ſie/ ſolte ich nicht entzuͤkt ſein? Solte ich nicht andere worte fuͤhren/ als man von mir gewohnet? Dieſen augenblik iſt mir ein gluͤk aufgeſtoßen/ das ich nimmermehr hoffen duͤrfen. Hierauf wendete ſie ſich zum Joſef/ der eben am fen- ſter ſaß. Iſt er nicht/ fragte ſie/ der ſchoͤne Juͤngling/ den die Ismaeler vor vierzehen tagen unſerm Koͤnige verehren/ er aber ihn nicht annehmen wollen? Als ſie Joſef mit ja beantwortet; ſo fuhr ſie weiter fort: weis er dan wohl/ waruͤm der Koͤnig ſolches getahn? Joſef antwortete/ nein: und ſie begunte alles zu erzehlen/ was ſich bei ſeiner ankunft auf der Burg begeben. Den abend zuvor/ ſagte ſie/ ehe das koͤnigliche eine B
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0041" n="17"/><fw place="top" type="header">erſtes Buch.</fw><lb/> ein wort aus ihrem munde. Kaum gab ſie antwort de-<lb/> nen/ die ſie anſprachen: und antwortete ſie/ ſo war die<lb/> antwort zu weilen anders/ als man fragte. Sie redete<lb/> ſehr wenig: und wan ſie redete/ ſo ſchweifte ſie vielmahls<lb/> vom zwekke ſo gar ab/ daß es alle maͤrkten. Weil ſie nun<lb/> des Kaufmans Toͤchtern ſehr nahe befreundet war; ſo<lb/> trugen ſie keine ſcheu/ ihre Verwantin zu fragen: war-<lb/> uͤm ſie ſo ſtille ſei? waruͤm ſie ſo wenig redete? und wan<lb/> ſie redete/ waruͤm ihre reden vom wege ſo abſchweiffeten?<lb/> Ja ſie ſetzten hinzu/ ob ſie irgend verliebt ſei/ weil ſie in<lb/> ſo tieffer entzuͤkkung ſaͤße? Auf alle dieſe fragen bekan-<lb/> te die Hofjungfrau die runte wahrheit. Ja ſie ſcheuete<lb/> ſich nicht einmahl in <hi rendition="#fr">Joſefs</hi> gegenwart ſich gantz offen-<lb/> hertzig heraus zu laßen. Ach! ſagte ſie/ ſolte ich nicht<lb/> entzuͤkt ſein? Solte ich nicht andere worte fuͤhren/ als<lb/> man von mir gewohnet? Dieſen augenblik iſt mir ein<lb/> gluͤk aufgeſtoßen/ das ich nimmermehr hoffen duͤrfen.<lb/> Hierauf wendete ſie ſich zum <hi rendition="#fr">Joſef/</hi> der eben am fen-<lb/> ſter ſaß. Iſt er nicht/ fragte ſie/ der ſchoͤne Juͤngling/<lb/> den die Ismaeler vor vierzehen tagen unſerm Koͤnige<lb/> verehren/ er aber ihn nicht annehmen wollen? Als ſie<lb/><hi rendition="#fr">Joſef</hi> mit ja beantwortet; ſo fuhr ſie weiter fort: weis<lb/> er dan wohl/ waruͤm der Koͤnig ſolches getahn? <hi rendition="#fr">Joſef</hi><lb/> antwortete/ nein: und ſie begunte alles zu erzehlen/ was<lb/> ſich bei ſeiner ankunft auf der Burg begeben.</p><lb/> <p>Den abend zuvor/ ſagte ſie/ ehe das koͤnigliche<lb/> Frauenzimmer das gluͤk hatte ihn zu ſehen/ kahm <hi rendition="#fr">Se-<lb/> fira/</hi> Fuͤrſt <hi rendition="#fr">Potifars/</hi> des oberſten Kuͤchenmeiſters<lb/> und Halsrichters/ juͤngſte Gemahlin/ der Koͤniglichen<lb/> Fuͤrſt in <hi rendition="#fr">Nitokris/</hi> der ich bedient bin/ auf zu warten.<lb/> Nach wenigen wortgepraͤngen/ fing ſie ſtraks an zu er-<lb/> zehlen/ daß ſie/ im fahren durch die ſtadt/ eines uͤberaus<lb/> ſchoͤnen Leibeigenen ſei anſichtig worden. Derſelbe/ ſag-<lb/> te ſie/ ſei ſo ſchoͤn gebildet/ ſo lieblich vom weſen/ ſo ahr-<lb/> tig von gebehrden/ daß ſie zweifelte/ ob die welt iemahls<lb/> <fw place="bottom" type="sig">B</fw><fw place="bottom" type="catch">eine</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [17/0041]
erſtes Buch.
ein wort aus ihrem munde. Kaum gab ſie antwort de-
nen/ die ſie anſprachen: und antwortete ſie/ ſo war die
antwort zu weilen anders/ als man fragte. Sie redete
ſehr wenig: und wan ſie redete/ ſo ſchweifte ſie vielmahls
vom zwekke ſo gar ab/ daß es alle maͤrkten. Weil ſie nun
des Kaufmans Toͤchtern ſehr nahe befreundet war; ſo
trugen ſie keine ſcheu/ ihre Verwantin zu fragen: war-
uͤm ſie ſo ſtille ſei? waruͤm ſie ſo wenig redete? und wan
ſie redete/ waruͤm ihre reden vom wege ſo abſchweiffeten?
Ja ſie ſetzten hinzu/ ob ſie irgend verliebt ſei/ weil ſie in
ſo tieffer entzuͤkkung ſaͤße? Auf alle dieſe fragen bekan-
te die Hofjungfrau die runte wahrheit. Ja ſie ſcheuete
ſich nicht einmahl in Joſefs gegenwart ſich gantz offen-
hertzig heraus zu laßen. Ach! ſagte ſie/ ſolte ich nicht
entzuͤkt ſein? Solte ich nicht andere worte fuͤhren/ als
man von mir gewohnet? Dieſen augenblik iſt mir ein
gluͤk aufgeſtoßen/ das ich nimmermehr hoffen duͤrfen.
Hierauf wendete ſie ſich zum Joſef/ der eben am fen-
ſter ſaß. Iſt er nicht/ fragte ſie/ der ſchoͤne Juͤngling/
den die Ismaeler vor vierzehen tagen unſerm Koͤnige
verehren/ er aber ihn nicht annehmen wollen? Als ſie
Joſef mit ja beantwortet; ſo fuhr ſie weiter fort: weis
er dan wohl/ waruͤm der Koͤnig ſolches getahn? Joſef
antwortete/ nein: und ſie begunte alles zu erzehlen/ was
ſich bei ſeiner ankunft auf der Burg begeben.
Den abend zuvor/ ſagte ſie/ ehe das koͤnigliche
Frauenzimmer das gluͤk hatte ihn zu ſehen/ kahm Se-
fira/ Fuͤrſt Potifars/ des oberſten Kuͤchenmeiſters
und Halsrichters/ juͤngſte Gemahlin/ der Koͤniglichen
Fuͤrſt in Nitokris/ der ich bedient bin/ auf zu warten.
Nach wenigen wortgepraͤngen/ fing ſie ſtraks an zu er-
zehlen/ daß ſie/ im fahren durch die ſtadt/ eines uͤberaus
ſchoͤnen Leibeigenen ſei anſichtig worden. Derſelbe/ ſag-
te ſie/ ſei ſo ſchoͤn gebildet/ ſo lieblich vom weſen/ ſo ahr-
tig von gebehrden/ daß ſie zweifelte/ ob die welt iemahls
eine
B
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |