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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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siebendes Buch.
Da wiederholete Josef eben dieselben worte/ die er zuvor
in seinen gesunden tagen/ zu ihnen gesprochen. Auch füg-
te er noch mehr hinzu. Sonderlich aber ermahnte er sie
zur Gottesfurcht/ und zur unterlichen einigkeit. End-
lich gab er allen den seegen: und hiermit strekte er seine
füße aus/ und verschied so sanfte/ daß er ausging/ als
ein licht. Dieses begab sich im 110 jahre seines alters/
im 80 seines Fürstentuhms/ im 61 nach seiner lieben
Assenat tode/ und im 67 nach seines Vaters Jakobs/
als er eben 93 jahr in Egipten gewesen.

Straks hierauf warden reitende bohtschaften ausge-
schikt den übrigen Kindern Israels zu Heliopel/ und
im gantzen Lande Gessen/ den tod ihres algemeinen
Vaters Josefs anzumelden; damit sie ihn gebührender
maßen betrauren möchten. Und hierdurch erschol der
ruf durch das gantze Egipten. Plötzlich lief er von
ländern zu ländern/ von städten zu städten/ von heusern
zu heusern/ bis er endlich das gantze Reich erfüllete. Da
erhub sich überal ein großes trauren/ ein heftiges klagen/
ein erbärmliches jammern. Das gantze Israel be-
weinte den Josef/ als seinen Vater/ als seinen Ernäh-
rer/ als seinen Beschirmer. Und die Egipter gaben ih-
nen nichts zuvor. Sie betraureten ihn sämtlich/ als ei-
nen Vater ihres Vaterlandes/ als einen Erhalter und
Vermehrer ihrer Wohlfahrt/ als einen Stifter so vieler
heilsamer Satzungen. Ja die Armen bejammerten ihn/
als ihren Versorger: die Bedrängten/ als ihren Noht-
helfer/ und Erretter: die Bauren als ihren Lehnver-
pfleger: die Bürger/ als ihren Friedeschild: die Stahts-
leute/ als ihr Auge und Oberheupt: der Adel/ als seine
Stütze: die Fürsten/ als ihre Krohne. Selbst der Kö-
nig betrauerte ihn/ als die edleste/ die köstlichste Perle/
die von seiner Krohne gefallen.

Und also nahm das gantze Egipten/ samt dem gan-
tzen Israel/ die trauer an. Von hertzen waren sie be-
trübt. Mildiglich vergossen sie die trähnen. Jederman

kär-
Y ij

ſiebendes Buch.
Da wiederholete Joſef eben dieſelben worte/ die er zuvor
in ſeinen geſunden tagen/ zu ihnen geſprochen. Auch fuͤg-
te er noch mehr hinzu. Sonderlich aber ermahnte er ſie
zur Gottesfurcht/ und zur unterlichen einigkeit. End-
lich gab er allen den ſeegen: und hiermit ſtrekte er ſeine
fuͤße aus/ und verſchied ſo ſanfte/ daß er ausging/ als
ein licht. Dieſes begab ſich im 110 jahre ſeines alters/
im 80 ſeines Fuͤrſtentuhms/ im 61 nach ſeiner lieben
Aſſenat tode/ und im 67 nach ſeines Vaters Jakobs/
als er eben 93 jahr in Egipten geweſen.

Straks hierauf warden reitende bohtſchaften ausge-
ſchikt den uͤbrigen Kindern Israels zu Heliopel/ und
im gantzen Lande Geſſen/ den tod ihres algemeinen
Vaters Joſefs anzumelden; damit ſie ihn gebuͤhrender
maßen betrauren moͤchten. Und hierdurch erſchol der
ruf durch das gantze Egipten. Ploͤtzlich lief er von
laͤndern zu laͤndern/ von ſtaͤdten zu ſtaͤdten/ von heuſern
zu heuſern/ bis er endlich das gantze Reich erfuͤllete. Da
erhub ſich uͤberal ein großes trauren/ ein heftiges klagen/
ein erbaͤrmliches jammern. Das gantze Israel be-
weinte den Joſef/ als ſeinen Vater/ als ſeinen Ernaͤh-
rer/ als ſeinen Beſchirmer. Und die Egipter gaben ih-
nen nichts zuvor. Sie betraureten ihn ſaͤmtlich/ als ei-
nen Vater ihres Vaterlandes/ als einen Erhalter und
Vermehrer ihrer Wohlfahrt/ als einen Stifter ſo vieler
heilſamer Satzungen. Ja die Armen bejammerten ihn/
als ihren Verſorger: die Bedraͤngten/ als ihren Noht-
helfer/ und Erretter: die Bauren als ihren Lehnver-
pfleger: die Buͤrger/ als ihren Friedeſchild: die Stahts-
leute/ als ihr Auge und Oberheupt: der Adel/ als ſeine
Stuͤtze: die Fuͤrſten/ als ihre Krohne. Selbſt der Koͤ-
nig betrauerte ihn/ als die edleſte/ die koͤſtlichſte Perle/
die von ſeiner Krohne gefallen.

Und alſo nahm das gantze Egipten/ ſamt dem gan-
tzen Israel/ die trauer an. Von hertzen waren ſie be-
truͤbt. Mildiglich vergoſſen ſie die traͤhnen. Jederman

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[339/0363] ſiebendes Buch. Da wiederholete Joſef eben dieſelben worte/ die er zuvor in ſeinen geſunden tagen/ zu ihnen geſprochen. Auch fuͤg- te er noch mehr hinzu. Sonderlich aber ermahnte er ſie zur Gottesfurcht/ und zur unterlichen einigkeit. End- lich gab er allen den ſeegen: und hiermit ſtrekte er ſeine fuͤße aus/ und verſchied ſo ſanfte/ daß er ausging/ als ein licht. Dieſes begab ſich im 110 jahre ſeines alters/ im 80 ſeines Fuͤrſtentuhms/ im 61 nach ſeiner lieben Aſſenat tode/ und im 67 nach ſeines Vaters Jakobs/ als er eben 93 jahr in Egipten geweſen. Straks hierauf warden reitende bohtſchaften ausge- ſchikt den uͤbrigen Kindern Israels zu Heliopel/ und im gantzen Lande Geſſen/ den tod ihres algemeinen Vaters Joſefs anzumelden; damit ſie ihn gebuͤhrender maßen betrauren moͤchten. Und hierdurch erſchol der ruf durch das gantze Egipten. Ploͤtzlich lief er von laͤndern zu laͤndern/ von ſtaͤdten zu ſtaͤdten/ von heuſern zu heuſern/ bis er endlich das gantze Reich erfuͤllete. Da erhub ſich uͤberal ein großes trauren/ ein heftiges klagen/ ein erbaͤrmliches jammern. Das gantze Israel be- weinte den Joſef/ als ſeinen Vater/ als ſeinen Ernaͤh- rer/ als ſeinen Beſchirmer. Und die Egipter gaben ih- nen nichts zuvor. Sie betraureten ihn ſaͤmtlich/ als ei- nen Vater ihres Vaterlandes/ als einen Erhalter und Vermehrer ihrer Wohlfahrt/ als einen Stifter ſo vieler heilſamer Satzungen. Ja die Armen bejammerten ihn/ als ihren Verſorger: die Bedraͤngten/ als ihren Noht- helfer/ und Erretter: die Bauren als ihren Lehnver- pfleger: die Buͤrger/ als ihren Friedeſchild: die Stahts- leute/ als ihr Auge und Oberheupt: der Adel/ als ſeine Stuͤtze: die Fuͤrſten/ als ihre Krohne. Selbſt der Koͤ- nig betrauerte ihn/ als die edleſte/ die koͤſtlichſte Perle/ die von ſeiner Krohne gefallen. Und alſo nahm das gantze Egipten/ ſamt dem gan- tzen Israel/ die trauer an. Von hertzen waren ſie be- truͤbt. Mildiglich vergoſſen ſie die traͤhnen. Jederman kaͤr- Y ij

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/363>, abgerufen am 13.05.2024.