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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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Der Assenat
ten den tod des Schaltköniges straks durch die gantze
stadt ruchtbar. Dis gerüchte lief so eilend von hause zu
hause/ daß es auch endlich selbst in des Manasse
schlos drung. Dieser erschrak über alle maße. Ja er
geriet dergestalt aus sich selbsten/ daß er zuerst nicht wu-
ste/ was er tuhn solte.

Mitlerweile kahm Efraim an. Der berichtete/ daß
der König selbsten ihren Vater besuchet. Da fassete
Manasse wieder muht. Doch gleichwohl lag ihm
dieser falsche ruf so fest in den gedanken/ daß er nicht
eher ruhen konte/ er hette dan seinen Vater selbst gese-
hen. Geschwinde lies er anspannen. Eilend setzte er sich
mit seinem Sohne Machir/ der eben bei ihm war/
zu wagen. Straks eilete er nach dem kranken Vater
zu. Nicht hastig genug konten ihm die pferde gehen.
In einem hui gelangte er vor dem schlosse an. Da fand
er alles vol menschen. Nicht allein die gassen waren er-
füllet/ sondern auch die heuser rund herüm. Kaum
konte er durch das gedränge hin kommen. Nährlich
konte der wagen das tohr erreichen. Manasse verlang-
te ie mehr und mehr. Des Schaltköniges Leibwächter
warden seiner gewahr. Die machten ihm raum/ und
trieben den drang zurük. Also gelangte er endlich in das
schlos. Das erste/ das er fragte/ war dieses: ob der Va-
ter noch lebte? so zweifelhaftig war er inseinen gedanken.

Als er nun in die kammer traht/ da fand er den
Schaltkönig sehr schwach. Kaum konte er sich nur et-
was aufrichten seinem Sohne die hand zu bieten. Ma-
nasse
fragte zur stunde: wie es mit seiner krankheit be-
schaffen? Ach! gab Josef zur antwort/ sehr übel. Vor
einer halben stunde befand ich mich zimlich wohl. Aber
diesen augenblik bin ich so schwach worden/ daß ich kaum
ahtemen kan. Ich märke wohl/ daß sich meine Sterbe-
stunde nahet. Wo ist doch mein Sohn Efraim/ und
mein Bruder Benjamin? Laßet sie flugs hohlen. Nicht
lange darnach erschienen sie beide/ samt ihren Kindern.

Da

Der Aſſenat
ten den tod des Schaltkoͤniges ſtraks durch die gantze
ſtadt ruchtbar. Dis geruͤchte lief ſo eilend von hauſe zu
hauſe/ daß es auch endlich ſelbſt in des Manaſſe
ſchlos drung. Dieſer erſchrak uͤber alle maße. Ja er
geriet dergeſtalt aus ſich ſelbſten/ daß er zuerſt nicht wu-
ſte/ was er tuhn ſolte.

Mitlerweile kahm Efraim an. Der berichtete/ daß
der Koͤnig ſelbſten ihren Vater beſuchet. Da faſſete
Manaſſe wieder muht. Doch gleichwohl lag ihm
dieſer falſche ruf ſo feſt in den gedanken/ daß er nicht
eher ruhen konte/ er hette dan ſeinen Vater ſelbſt geſe-
hen. Geſchwinde lies er anſpannen. Eilend ſetzte er ſich
mit ſeinem Sohne Machir/ der eben bei ihm war/
zu wagen. Straks eilete er nach dem kranken Vater
zu. Nicht haſtig genug konten ihm die pferde gehen.
In einem hui gelangte er vor dem ſchloſſe an. Da fand
er alles vol menſchen. Nicht allein die gaſſen waren er-
fuͤllet/ ſondern auch die heuſer rund heruͤm. Kaum
konte er durch das gedraͤnge hin kommen. Naͤhrlich
konte der wagen das tohr erreichen. Manaſſe verlang-
te ie mehr und mehr. Des Schaltkoͤniges Leibwaͤchter
warden ſeiner gewahr. Die machten ihm raum/ und
trieben den drang zuruͤk. Alſo gelangte er endlich in das
ſchlos. Das erſte/ das er fragte/ war dieſes: ob der Va-
ter noch lebte? ſo zweifelhaftig war er inſeinen gedanken.

Als er nun in die kammer traht/ da fand er den
Schaltkoͤnig ſehr ſchwach. Kaum konte er ſich nur et-
was aufrichten ſeinem Sohne die hand zu bieten. Ma-
naſſe
fragte zur ſtunde: wie es mit ſeiner krankheit be-
ſchaffen? Ach! gab Joſef zur antwort/ ſehr uͤbel. Vor
einer halben ſtunde befand ich mich zimlich wohl. Aber
dieſen augenblik bin ich ſo ſchwach worden/ daß ich kaum
ahtemen kan. Ich maͤrke wohl/ daß ſich meine Sterbe-
ſtunde nahet. Wo iſt doch mein Sohn Efraim/ und
mein Bruder Benjamin? Laßet ſie flugs hohlen. Nicht
lange darnach erſchienen ſie beide/ ſamt ihren Kindern.

Da
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[338/0362] Der Aſſenat ten den tod des Schaltkoͤniges ſtraks durch die gantze ſtadt ruchtbar. Dis geruͤchte lief ſo eilend von hauſe zu hauſe/ daß es auch endlich ſelbſt in des Manaſſe ſchlos drung. Dieſer erſchrak uͤber alle maße. Ja er geriet dergeſtalt aus ſich ſelbſten/ daß er zuerſt nicht wu- ſte/ was er tuhn ſolte. Mitlerweile kahm Efraim an. Der berichtete/ daß der Koͤnig ſelbſten ihren Vater beſuchet. Da faſſete Manaſſe wieder muht. Doch gleichwohl lag ihm dieſer falſche ruf ſo feſt in den gedanken/ daß er nicht eher ruhen konte/ er hette dan ſeinen Vater ſelbſt geſe- hen. Geſchwinde lies er anſpannen. Eilend ſetzte er ſich mit ſeinem Sohne Machir/ der eben bei ihm war/ zu wagen. Straks eilete er nach dem kranken Vater zu. Nicht haſtig genug konten ihm die pferde gehen. In einem hui gelangte er vor dem ſchloſſe an. Da fand er alles vol menſchen. Nicht allein die gaſſen waren er- fuͤllet/ ſondern auch die heuſer rund heruͤm. Kaum konte er durch das gedraͤnge hin kommen. Naͤhrlich konte der wagen das tohr erreichen. Manaſſe verlang- te ie mehr und mehr. Des Schaltkoͤniges Leibwaͤchter warden ſeiner gewahr. Die machten ihm raum/ und trieben den drang zuruͤk. Alſo gelangte er endlich in das ſchlos. Das erſte/ das er fragte/ war dieſes: ob der Va- ter noch lebte? ſo zweifelhaftig war er inſeinen gedanken. Als er nun in die kammer traht/ da fand er den Schaltkoͤnig ſehr ſchwach. Kaum konte er ſich nur et- was aufrichten ſeinem Sohne die hand zu bieten. Ma- naſſe fragte zur ſtunde: wie es mit ſeiner krankheit be- ſchaffen? Ach! gab Joſef zur antwort/ ſehr uͤbel. Vor einer halben ſtunde befand ich mich zimlich wohl. Aber dieſen augenblik bin ich ſo ſchwach worden/ daß ich kaum ahtemen kan. Ich maͤrke wohl/ daß ſich meine Sterbe- ſtunde nahet. Wo iſt doch mein Sohn Efraim/ und mein Bruder Benjamin? Laßet ſie flugs hohlen. Nicht lange darnach erſchienen ſie beide/ ſamt ihren Kindern. Da

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/362>, abgerufen am 13.05.2024.