Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.Der Assenat kärmete. Jung und alt weinete. Selbst die kleinen kin-der schienen diesen tod zu bejammern. Es ist auch kein wunder. Josef war ein Herr/ dessen Tugenden eben so unvergleichlich/ als sein Glük wunderseltsam/ gewe- sen. Er führte/ in seiner großen gewalt/ ein gantz unta- delhaftes leben. Er lies iederman recht und gerechtigkeit widerfahren. In seinem grösten glükke/ und höchstem ehrenstande überhub er sich keines weges. Vielmehr war er niedrig und demühtig. Ja er war überaus langmüh- tig/ überaus sanftmühtig/ überaus barmhertzig. Er hat- te mitleiden gehabt mit allen Egiptern/ eben als mit sei- nen eigenen gliedmaßen. Er hatte ihnen alles guhtes be- wiesen. Mit raht und taht hatte er ihnen geholfen. Die algemeine wohlfahrt hatte er über alle maße vermehret: das Reich in geruhigem frieden allezeit erhalten: des Kö- niges macht über alles erhoben; und doch darbei der Un- tertahnen bestes niemahls verseumet. Fast auf eben dieselbe weise/ wie man die Assenat nig-
Der Aſſenat kaͤrmete. Jung und alt weinete. Selbſt die kleinen kin-der ſchienen dieſen tod zu bejammern. Es iſt auch kein wunder. Joſef war ein Herꝛ/ deſſen Tugenden eben ſo unvergleichlich/ als ſein Gluͤk wunderſeltſam/ gewe- ſen. Er fuͤhrte/ in ſeiner großen gewalt/ ein gantz unta- delhaftes leben. Er lies iederman recht und gerechtigkeit widerfahren. In ſeinem groͤſten gluͤkke/ und hoͤchſtem ehrenſtande uͤberhub er ſich keines weges. Vielmehr war er niedrig und demuͤhtig. Ja er war uͤberaus langmuͤh- tig/ uͤberaus ſanftmuͤhtig/ uͤberaus barmhertzig. Er hat- te mitleiden gehabt mit allen Egiptern/ eben als mit ſei- nen eigenen gliedmaßen. Er hatte ihnen alles guhtes be- wieſen. Mit raht und taht hatte er ihnen geholfen. Die algemeine wohlfahrt hatte er uͤber alle maße vermehret: das Reich in geruhigem frieden allezeit erhalten: des Koͤ- niges macht uͤber alles erhoben; und doch darbei der Un- tertahnen beſtes niemahls verſeumet. Faſt auf eben dieſelbe weiſe/ wie man die Aſſenat nig-
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Der Aſſenat
kaͤrmete. Jung und alt weinete. Selbſt die kleinen kin-
der ſchienen dieſen tod zu bejammern. Es iſt auch kein
wunder. Joſef war ein Herꝛ/ deſſen Tugenden eben
ſo unvergleichlich/ als ſein Gluͤk wunderſeltſam/ gewe-
ſen. Er fuͤhrte/ in ſeiner großen gewalt/ ein gantz unta-
delhaftes leben. Er lies iederman recht und gerechtigkeit
widerfahren. In ſeinem groͤſten gluͤkke/ und hoͤchſtem
ehrenſtande uͤberhub er ſich keines weges. Vielmehr war
er niedrig und demuͤhtig. Ja er war uͤberaus langmuͤh-
tig/ uͤberaus ſanftmuͤhtig/ uͤberaus barmhertzig. Er hat-
te mitleiden gehabt mit allen Egiptern/ eben als mit ſei-
nen eigenen gliedmaßen. Er hatte ihnen alles guhtes be-
wieſen. Mit raht und taht hatte er ihnen geholfen. Die
algemeine wohlfahrt hatte er uͤber alle maße vermehret:
das Reich in geruhigem frieden allezeit erhalten: des Koͤ-
niges macht uͤber alles erhoben; und doch darbei der Un-
tertahnen beſtes niemahls verſeumet.
Faſt auf eben dieſelbe weiſe/ wie man die Aſſenat
balſemen laßen/ ward Joſefs Leiche gebalſemet: auch
eben alſo ausgezieret/ und in einen koͤſtlichen ſarg geleget.
Als dieſes alles verrichtet war/ folgete das Leichengepraͤn-
ge. Die Leiche ward auf einem gantz verſilbertem wagen
gefuͤhret. Dieſen zogen vier pferde/ mit einem uͤberzuge
von weiſſem ſeidenem zeuge/ der/ uͤber die fuͤße hin/ bis
auf die erde hing/ bekleidet. Hinter dem Leichenwagen
her ritte ſein Hofmeiſter/ mit einer guͤldenen Krohne in
der hand. Hierauf folgete der Mahrſchalk/ mit einem
Reichsſtabe/ gleichmaͤßig zu pferde. Dieſem ritte nach
ein Kammerjunker mit des Schaltkoͤniges Schwerte.
Hierauf kahmen ſeine zween Soͤhne/ Manaſſe und
Efraim/ mit ihren Soͤhnen: und dan Joſefs Bruͤ-
der/ die noch bei leben waren. Auf dieſe weiſe ward des
Schaltkoͤniges Leiche nach dem Grabmahle zu/ das er
ihm ſelbſt bauen laßen/ gefuͤhret/ und alda beigeſetzt. In
eben demſelben Grabmahle blieb ſie eine lange zeit
ſtehen. Aber endlich ward ſie von dannen in die Koͤ-
nig-
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