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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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siebendes Buch.
und wan sie seiner beförderung und beschirmung benöh-
tigt. Der Schaltkönig bedankte sich vor solche hohe
gnade: als auch/ daß der König sich so weit erniedriget/
seinen Diener zu besuchen. Und hiermit geseegneten sie
einander; und der König begab sich wieder auf die
Burg.

Vor dem Schaltköniglichen Schlosse hatte sich in-
dessen eine große mänge volkes versamlet. Niemand
wuste/ was es bedeutete/ daß der König den Josef be-
suchete/ und sich so lange bei ihm verweilete. Der eine
urteilete dis/ der andere das. Man stekte die köpfe zu-
sammen. Man führete wunderliche reden. Der Schalt-
könig hatte sich sonsten fast alle tage auf der Burg be-
funden. Aber in acht tagen war er alda nicht gesehen:
auch nie auf der gasse vernommen. Etliche tage nach-
einander waren die Aertzte bei ihm aus- und ein-gegan-
gen. Auch hatte man zween königliche Leibärtzte vor et-
lichen stunden aus seinem Schlosse kommen sehen.
Aus allen diesen begäbnüssen muhtmaßeten die mei-
sten/ daß ihr Schaltkönig krank sei. Und in solcher
muhtmaßung warden sie noch mehr gestärket/ als sie
den König trauriger/ dan er pflegte/ wiederkehren sa-
hen. Ja das alberne einfältige volk wolte selbst aus
dem langsamen tritte der königlichen Pferde einige
traurigkeit schliessen. Sehet doch! sagten etliche/ wie
die unvernünftigen tiere so traurig gehen/ wie sie die
köpfe hängen laßen. Gewislich müssen sie es märken/ daß
der Versorger/ der Verpfleger/ der Heiland des gantzen
Egiptens krank ist. Ja die alten Mütterchen fingen
schon an zu weinen. Die kinder folgeten; wiewohl sie
nicht wusten warüm. Man sahe ein erbärmliches we-
sen. Die nicht weineten/ seufzeten und ächzeten: und
die keines von beiden tähten/ gaben gleichwohl/ durch
ihre hinlässige gebährden/ ihre traurigkeit gnugsam an
den tag. Nunmehr gleubeten alle/ daß Josef krank sei:
ja etliche gar/ daß er schon gestorben. Und diese mach-

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Y

ſiebendes Buch.
und wan ſie ſeiner befoͤrderung und beſchirmung benoͤh-
tigt. Der Schaltkoͤnig bedankte ſich vor ſolche hohe
gnade: als auch/ daß der Koͤnig ſich ſo weit erniedriget/
ſeinen Diener zu beſuchen. Und hiermit geſeegneten ſie
einander; und der Koͤnig begab ſich wieder auf die
Burg.

Vor dem Schaltkoͤniglichen Schloſſe hatte ſich in-
deſſen eine große maͤnge volkes verſamlet. Niemand
wuſte/ was es bedeutete/ daß der Koͤnig den Joſef be-
ſuchete/ und ſich ſo lange bei ihm verweilete. Der eine
urteilete dis/ der andere das. Man ſtekte die koͤpfe zu-
ſammen. Man fuͤhrete wunderliche reden. Der Schalt-
koͤnig hatte ſich ſonſten faſt alle tage auf der Burg be-
funden. Aber in acht tagen war er alda nicht geſehen:
auch nie auf der gaſſe vernommen. Etliche tage nach-
einander waren die Aertzte bei ihm aus- und ein-gegan-
gen. Auch hatte man zween koͤnigliche Leibaͤrtzte vor et-
lichen ſtunden aus ſeinem Schloſſe kommen ſehen.
Aus allen dieſen begaͤbnuͤſſen muhtmaßeten die mei-
ſten/ daß ihr Schaltkoͤnig krank ſei. Und in ſolcher
muhtmaßung warden ſie noch mehr geſtaͤrket/ als ſie
den Koͤnig trauriger/ dan er pflegte/ wiederkehren ſa-
hen. Ja das alberne einfaͤltige volk wolte ſelbſt aus
dem langſamen tritte der koͤniglichen Pferde einige
traurigkeit ſchlieſſen. Sehet doch! ſagten etliche/ wie
die unvernuͤnftigen tiere ſo traurig gehen/ wie ſie die
koͤpfe haͤngen laßen. Gewislich muͤſſen ſie es maͤrken/ daß
der Verſorger/ der Verpfleger/ der Heiland des gantzen
Egiptens krank iſt. Ja die alten Muͤtterchen fingen
ſchon an zu weinen. Die kinder folgeten; wiewohl ſie
nicht wuſten waruͤm. Man ſahe ein erbaͤrmliches we-
ſen. Die nicht weineten/ ſeufzeten und aͤchzeten: und
die keines von beiden taͤhten/ gaben gleichwohl/ durch
ihre hinlaͤſſige gebaͤhrden/ ihre traurigkeit gnugſam an
den tag. Nunmehr gleubeten alle/ daß Joſef krank ſei:
ja etliche gar/ daß er ſchon geſtorben. Und dieſe mach-

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[337/0361] ſiebendes Buch. und wan ſie ſeiner befoͤrderung und beſchirmung benoͤh- tigt. Der Schaltkoͤnig bedankte ſich vor ſolche hohe gnade: als auch/ daß der Koͤnig ſich ſo weit erniedriget/ ſeinen Diener zu beſuchen. Und hiermit geſeegneten ſie einander; und der Koͤnig begab ſich wieder auf die Burg. Vor dem Schaltkoͤniglichen Schloſſe hatte ſich in- deſſen eine große maͤnge volkes verſamlet. Niemand wuſte/ was es bedeutete/ daß der Koͤnig den Joſef be- ſuchete/ und ſich ſo lange bei ihm verweilete. Der eine urteilete dis/ der andere das. Man ſtekte die koͤpfe zu- ſammen. Man fuͤhrete wunderliche reden. Der Schalt- koͤnig hatte ſich ſonſten faſt alle tage auf der Burg be- funden. Aber in acht tagen war er alda nicht geſehen: auch nie auf der gaſſe vernommen. Etliche tage nach- einander waren die Aertzte bei ihm aus- und ein-gegan- gen. Auch hatte man zween koͤnigliche Leibaͤrtzte vor et- lichen ſtunden aus ſeinem Schloſſe kommen ſehen. Aus allen dieſen begaͤbnuͤſſen muhtmaßeten die mei- ſten/ daß ihr Schaltkoͤnig krank ſei. Und in ſolcher muhtmaßung warden ſie noch mehr geſtaͤrket/ als ſie den Koͤnig trauriger/ dan er pflegte/ wiederkehren ſa- hen. Ja das alberne einfaͤltige volk wolte ſelbſt aus dem langſamen tritte der koͤniglichen Pferde einige traurigkeit ſchlieſſen. Sehet doch! ſagten etliche/ wie die unvernuͤnftigen tiere ſo traurig gehen/ wie ſie die koͤpfe haͤngen laßen. Gewislich muͤſſen ſie es maͤrken/ daß der Verſorger/ der Verpfleger/ der Heiland des gantzen Egiptens krank iſt. Ja die alten Muͤtterchen fingen ſchon an zu weinen. Die kinder folgeten; wiewohl ſie nicht wuſten waruͤm. Man ſahe ein erbaͤrmliches we- ſen. Die nicht weineten/ ſeufzeten und aͤchzeten: und die keines von beiden taͤhten/ gaben gleichwohl/ durch ihre hinlaͤſſige gebaͤhrden/ ihre traurigkeit gnugſam an den tag. Nunmehr gleubeten alle/ daß Joſef krank ſei: ja etliche gar/ daß er ſchon geſtorben. Und dieſe mach- ten Y

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/361>, abgerufen am 13.05.2024.