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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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siebendes Buch.
nach. Der schlaf fand sich wieder. Doch gleichwohl
hatte er so viel kräfte nicht/ daß er aufstehen konte. Auch
vermochte der Magen keine speise anzunehmen.

Zween tage lang blieb er ohne einige nützung der
speise liegen. Endlich richtete ihm der Magenartzt auch
eine Magenartznei zu. Diese würkte so viel/ daß er lust
bekahm zuerst ein Hühnersüplein einzuschlurfen: dar-
nach auch vom Hühnlein selbsten zu essen. Doch meist
behalf er sich mit Mandelmüsern. Hierdurch bekahm
er so viel kräfte/ daß er am fünften tage sich aus dem
bette erhub/ ja selbsten seinem Gaste bei der tafel gesel-
schaft hielt. Aber diese erhohlung der kräfte währete
nicht lange. Kaum konte er so lange sitzen/ als die mahl-
zeit währete. Sobald die Tafel aufgehoben war/ mu-
ste er sich wieder legen. Seine schwächligkeit wolte nicht
gestatten länger aufzubleiben.

Der König hatte mitlerweile des Schaltköniges
unbäsligkeit zu wissen bekommen. Straks färtigte er
den Reichskantzler ab ihn zu besuchen. Und als er ver-
stund/ daß gefahr darbei were; da schikte er auch zween
seiner Leibärtzte zu ihm. Diese solten zusehen/ ob die ge-
fahr so groß sei/ als er gehöret. Nach eingezogenem be-
richte/ besuchte er den Kranken selbst. Zwo gantze stun-
den währete dieser besuch. Der König bezeugte sein
hertzliches mitleiden: und Josef seine schuldigste
dankbarkeit. Nach volendeten höfligkeiten ward befoh-
len/ daß iederman hinausgehen solte. Hierauf fing der
König straks an von Reichsgeschäften zu reden. Aller-
lei worte/ und wiederworte fielen vor. Endlich ersuchte
er den Schaltkönig/ daß er seinen letzten Willen/ ent-
weder selbst/ oder durch einen vertrauten/ aufsetzte.
Dan/ sagte er/ ihr seid nunmehr hochbejahret. Das al-
ter schwächet eure kräfte. Hierzu ist diese krankheit ge-
stoßen. Leichtlich möchte noch ein anfal darzu kommen/
der euch plötzlich aus unsern augen rükte. Darüm ist

mein

ſiebendes Buch.
nach. Der ſchlaf fand ſich wieder. Doch gleichwohl
hatte er ſo viel kraͤfte nicht/ daß er aufſtehen konte. Auch
vermochte der Magen keine ſpeiſe anzunehmen.

Zween tage lang blieb er ohne einige nuͤtzung der
ſpeiſe liegen. Endlich richtete ihm der Magenartzt auch
eine Magenartznei zu. Dieſe wuͤrkte ſo viel/ daß er luſt
bekahm zuerſt ein Huͤhnerſuͤplein einzuſchlurfen: dar-
nach auch vom Huͤhnlein ſelbſten zu eſſen. Doch meiſt
behalf er ſich mit Mandelmuͤſern. Hierdurch bekahm
er ſo viel kraͤfte/ daß er am fuͤnften tage ſich aus dem
bette erhub/ ja ſelbſten ſeinem Gaſte bei der tafel geſel-
ſchaft hielt. Aber dieſe erhohlung der kraͤfte waͤhrete
nicht lange. Kaum konte er ſo lange ſitzen/ als die mahl-
zeit waͤhrete. Sobald die Tafel aufgehoben war/ mu-
ſte er ſich wieder legen. Seine ſchwaͤchligkeit wolte nicht
geſtatten laͤnger aufzubleiben.

Der Koͤnig hatte mitlerweile des Schaltkoͤniges
unbaͤsligkeit zu wiſſen bekommen. Straks faͤrtigte er
den Reichskantzler ab ihn zu beſuchen. Und als er ver-
ſtund/ daß gefahr darbei were; da ſchikte er auch zween
ſeiner Leibaͤrtzte zu ihm. Dieſe ſolten zuſehen/ ob die ge-
fahr ſo groß ſei/ als er gehoͤret. Nach eingezogenem be-
richte/ beſuchte er den Kranken ſelbſt. Zwo gantze ſtun-
den waͤhrete dieſer beſuch. Der Koͤnig bezeugte ſein
hertzliches mitleiden: und Joſef ſeine ſchuldigſte
dankbarkeit. Nach volendeten hoͤfligkeiten ward befoh-
len/ daß iederman hinausgehen ſolte. Hierauf fing der
Koͤnig ſtraks an von Reichsgeſchaͤften zu reden. Aller-
lei worte/ und wiederworte fielen vor. Endlich erſuchte
er den Schaltkoͤnig/ daß er ſeinen letzten Willen/ ent-
weder ſelbſt/ oder durch einen vertrauten/ aufſetzte.
Dan/ ſagte er/ ihr ſeid nunmehr hochbejahret. Das al-
ter ſchwaͤchet eure kraͤfte. Hierzu iſt dieſe krankheit ge-
ſtoßen. Leichtlich moͤchte noch ein anfal darzu kommen/
der euch ploͤtzlich aus unſern augen ruͤkte. Daruͤm iſt

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[335/0359] ſiebendes Buch. nach. Der ſchlaf fand ſich wieder. Doch gleichwohl hatte er ſo viel kraͤfte nicht/ daß er aufſtehen konte. Auch vermochte der Magen keine ſpeiſe anzunehmen. Zween tage lang blieb er ohne einige nuͤtzung der ſpeiſe liegen. Endlich richtete ihm der Magenartzt auch eine Magenartznei zu. Dieſe wuͤrkte ſo viel/ daß er luſt bekahm zuerſt ein Huͤhnerſuͤplein einzuſchlurfen: dar- nach auch vom Huͤhnlein ſelbſten zu eſſen. Doch meiſt behalf er ſich mit Mandelmuͤſern. Hierdurch bekahm er ſo viel kraͤfte/ daß er am fuͤnften tage ſich aus dem bette erhub/ ja ſelbſten ſeinem Gaſte bei der tafel geſel- ſchaft hielt. Aber dieſe erhohlung der kraͤfte waͤhrete nicht lange. Kaum konte er ſo lange ſitzen/ als die mahl- zeit waͤhrete. Sobald die Tafel aufgehoben war/ mu- ſte er ſich wieder legen. Seine ſchwaͤchligkeit wolte nicht geſtatten laͤnger aufzubleiben. Der Koͤnig hatte mitlerweile des Schaltkoͤniges unbaͤsligkeit zu wiſſen bekommen. Straks faͤrtigte er den Reichskantzler ab ihn zu beſuchen. Und als er ver- ſtund/ daß gefahr darbei were; da ſchikte er auch zween ſeiner Leibaͤrtzte zu ihm. Dieſe ſolten zuſehen/ ob die ge- fahr ſo groß ſei/ als er gehoͤret. Nach eingezogenem be- richte/ beſuchte er den Kranken ſelbſt. Zwo gantze ſtun- den waͤhrete dieſer beſuch. Der Koͤnig bezeugte ſein hertzliches mitleiden: und Joſef ſeine ſchuldigſte dankbarkeit. Nach volendeten hoͤfligkeiten ward befoh- len/ daß iederman hinausgehen ſolte. Hierauf fing der Koͤnig ſtraks an von Reichsgeſchaͤften zu reden. Aller- lei worte/ und wiederworte fielen vor. Endlich erſuchte er den Schaltkoͤnig/ daß er ſeinen letzten Willen/ ent- weder ſelbſt/ oder durch einen vertrauten/ aufſetzte. Dan/ ſagte er/ ihr ſeid nunmehr hochbejahret. Das al- ter ſchwaͤchet eure kraͤfte. Hierzu iſt dieſe krankheit ge- ſtoßen. Leichtlich moͤchte noch ein anfal darzu kommen/ der euch ploͤtzlich aus unſern augen ruͤkte. Daruͤm iſt mein

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/359>, abgerufen am 13.05.2024.