Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Assenat
rentwegen/ ausgestanden. Meine liebe Assenat. Hier
blieb die rede stekken. Weiter konte sie nicht fort. Der
schmertz hämmete die zunge. Endlich folgeten die träh-
nen/ welche strohmsweise über die wangen flossen.

Die tafel zum abendessen war schon gedekt. Die
speisen warden aufgetragen. Aber den Schaltkönig
hatte der schmertz so eingenommen/ daß er nicht essen
konte. Darüm befahl er seinem Sohne Efraim/ und
seinem Bruder Benjamin/ die eben bei ihm waren/
daß sie ihrem angelangten Bluhtsfreunde geselschaft
halten solten. Er inzwischen begab sich zu bette/ nach-
dem er gegen seinen gast sich zum besten entschuldiget.
Efraim begleitete ihn in sein schlafzimmer: da er
ihm/ im scheiden/ abermahl befahl/ dem Gaste zu sagen/
daß er auf den morgenden tag ihm selbst geselschaft zu
halten verhofte.

Aber Josef/ es sei/ daß das schrökken über das un-
glük des Jobs/ oder der schmertz über das andenken sei-
ner lieben Assenat ihn übermeistert/ brachte die gantze
nacht schlafloß zu. Und darbei war er so schwach/ daß
er kaum luft zu hohlen vermochte. Ja sein hertz befand
sich anders nicht/ als zwischen zwei bretern eingekläm-
met. Er vermeinte zwar als der tag angebrochen/ auf-
zustehen. Aber er war so mat/ daß er nicht konte. Sei-
ne Leibärtzte warden gehohlet. Diese urteileten von
stunden an aus seinem wesen und schlage/ daß diese
machtloßheit aus einer heftigen gemühtsbewegung
herrührete: welche das hertz und heupt verletzet. Dar-
üm verordnete ihm der eine straks etliche Hertzartzneien.
Der andere verschrieb ihm einige Hauptmittel die ver-
unruhigten sinnen zu besänftigen/ und den schlaf zu er-
wekken. Diese tähten zwar ihre würkungen/ so viel sie
in einem alten und schwachem leibe vermochten. Der
Schaltkönig fühlete zwar einiger maßen linderung.
Das hertzklopfen verlohr sich. Die ohnmächtigkeit lies

nach.

Der Aſſenat
rentwegen/ ausgeſtanden. Meine liebe Aſſenat. Hier
blieb die rede ſtekken. Weiter konte ſie nicht fort. Der
ſchmertz haͤmmete die zunge. Endlich folgeten die traͤh-
nen/ welche ſtrohmsweiſe uͤber die wangen floſſen.

Die tafel zum abendeſſen war ſchon gedekt. Die
ſpeiſen warden aufgetragen. Aber den Schaltkoͤnig
hatte der ſchmertz ſo eingenommen/ daß er nicht eſſen
konte. Daruͤm befahl er ſeinem Sohne Efraim/ und
ſeinem Bruder Benjamin/ die eben bei ihm waren/
daß ſie ihrem angelangten Bluhtsfreunde geſelſchaft
halten ſolten. Er inzwiſchen begab ſich zu bette/ nach-
dem er gegen ſeinen gaſt ſich zum beſten entſchuldiget.
Efraim begleitete ihn in ſein ſchlafzimmer: da er
ihm/ im ſcheiden/ abermahl befahl/ dem Gaſte zu ſagen/
daß er auf den morgenden tag ihm ſelbſt geſelſchaft zu
halten verhofte.

Aber Joſef/ es ſei/ daß das ſchroͤkken uͤber das un-
gluͤk des Jobs/ oder der ſchmertz uͤber das andenken ſei-
ner lieben Aſſenat ihn uͤbermeiſtert/ brachte die gantze
nacht ſchlafloß zu. Und darbei war er ſo ſchwach/ daß
er kaum luft zu hohlen vermochte. Ja ſein hertz befand
ſich anders nicht/ als zwiſchen zwei bretern eingeklaͤm-
met. Er vermeinte zwar als der tag angebrochen/ auf-
zuſtehen. Aber er war ſo mat/ daß er nicht konte. Sei-
ne Leibaͤrtzte warden gehohlet. Dieſe urteileten von
ſtunden an aus ſeinem weſen und ſchlage/ daß dieſe
machtloßheit aus einer heftigen gemuͤhtsbewegung
herruͤhrete: welche das hertz und heupt verletzet. Dar-
uͤm verordnete ihm der eine ſtraks etliche Hertzartzneien.
Der andere verſchrieb ihm einige Hauptmittel die ver-
unruhigten ſinnen zu beſaͤnftigen/ und den ſchlaf zu er-
wekken. Dieſe taͤhten zwar ihre wuͤrkungen/ ſo viel ſie
in einem alten und ſchwachem leibe vermochten. Der
Schaltkoͤnig fuͤhlete zwar einiger maßen linderung.
Das hertzklopfen verlohr ſich. Die ohnmaͤchtigkeit lies

nach.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0358" n="334"/><fw place="top" type="header">Der A&#x017F;&#x017F;enat</fw><lb/>
rentwegen/ ausge&#x017F;tanden. Meine liebe <hi rendition="#fr">A&#x017F;&#x017F;enat.</hi> Hier<lb/>
blieb die rede &#x017F;tekken. Weiter konte &#x017F;ie nicht fort. Der<lb/>
&#x017F;chmertz ha&#x0364;mmete die zunge. Endlich folgeten die tra&#x0364;h-<lb/>
nen/ welche &#x017F;trohmswei&#x017F;e u&#x0364;ber die wangen flo&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>Die tafel zum abende&#x017F;&#x017F;en war &#x017F;chon gedekt. Die<lb/>
&#x017F;pei&#x017F;en warden aufgetragen. Aber den Schaltko&#x0364;nig<lb/>
hatte der &#x017F;chmertz &#x017F;o eingenommen/ daß er nicht e&#x017F;&#x017F;en<lb/>
konte. Daru&#x0364;m befahl er &#x017F;einem Sohne <hi rendition="#fr">Efraim/</hi> und<lb/>
&#x017F;einem Bruder <hi rendition="#fr">Benjamin/</hi> die eben bei ihm waren/<lb/>
daß &#x017F;ie ihrem angelangten Bluhtsfreunde ge&#x017F;el&#x017F;chaft<lb/>
halten &#x017F;olten. Er inzwi&#x017F;chen begab &#x017F;ich zu bette/ nach-<lb/>
dem er gegen &#x017F;einen ga&#x017F;t &#x017F;ich zum be&#x017F;ten ent&#x017F;chuldiget.<lb/><hi rendition="#fr">Efraim</hi> begleitete ihn in &#x017F;ein &#x017F;chlafzimmer: da er<lb/>
ihm/ im &#x017F;cheiden/ abermahl befahl/ dem Ga&#x017F;te zu &#x017F;agen/<lb/>
daß er auf den morgenden tag ihm &#x017F;elb&#x017F;t ge&#x017F;el&#x017F;chaft zu<lb/>
halten verhofte.</p><lb/>
        <p>Aber <hi rendition="#fr">Jo&#x017F;ef/</hi> es &#x017F;ei/ daß das &#x017F;chro&#x0364;kken u&#x0364;ber das un-<lb/>
glu&#x0364;k des <hi rendition="#fr">Jobs/</hi> oder der &#x017F;chmertz u&#x0364;ber das andenken &#x017F;ei-<lb/>
ner lieben <hi rendition="#fr">A&#x017F;&#x017F;enat</hi> ihn u&#x0364;bermei&#x017F;tert/ brachte die gantze<lb/>
nacht &#x017F;chlafloß zu. Und darbei war er &#x017F;o &#x017F;chwach/ daß<lb/>
er kaum luft zu hohlen vermochte. Ja &#x017F;ein hertz befand<lb/>
&#x017F;ich anders nicht/ als zwi&#x017F;chen zwei bretern eingekla&#x0364;m-<lb/>
met. Er vermeinte zwar als der tag angebrochen/ auf-<lb/>
zu&#x017F;tehen. Aber er war &#x017F;o mat/ daß er nicht konte. Sei-<lb/>
ne Leiba&#x0364;rtzte warden gehohlet. Die&#x017F;e urteileten von<lb/>
&#x017F;tunden an aus &#x017F;einem we&#x017F;en und &#x017F;chlage/ daß die&#x017F;e<lb/>
machtloßheit aus einer heftigen gemu&#x0364;htsbewegung<lb/>
herru&#x0364;hrete: welche das hertz und heupt verletzet. Dar-<lb/>
u&#x0364;m verordnete ihm der eine &#x017F;traks etliche Hertzartzneien.<lb/>
Der andere ver&#x017F;chrieb ihm einige Hauptmittel die ver-<lb/>
unruhigten &#x017F;innen zu be&#x017F;a&#x0364;nftigen/ und den &#x017F;chlaf zu er-<lb/>
wekken. Die&#x017F;e ta&#x0364;hten zwar ihre wu&#x0364;rkungen/ &#x017F;o viel &#x017F;ie<lb/>
in einem alten und &#x017F;chwachem leibe vermochten. Der<lb/>
Schaltko&#x0364;nig fu&#x0364;hlete zwar einiger maßen linderung.<lb/>
Das hertzklopfen verlohr &#x017F;ich. Die ohnma&#x0364;chtigkeit lies<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">nach.</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[334/0358] Der Aſſenat rentwegen/ ausgeſtanden. Meine liebe Aſſenat. Hier blieb die rede ſtekken. Weiter konte ſie nicht fort. Der ſchmertz haͤmmete die zunge. Endlich folgeten die traͤh- nen/ welche ſtrohmsweiſe uͤber die wangen floſſen. Die tafel zum abendeſſen war ſchon gedekt. Die ſpeiſen warden aufgetragen. Aber den Schaltkoͤnig hatte der ſchmertz ſo eingenommen/ daß er nicht eſſen konte. Daruͤm befahl er ſeinem Sohne Efraim/ und ſeinem Bruder Benjamin/ die eben bei ihm waren/ daß ſie ihrem angelangten Bluhtsfreunde geſelſchaft halten ſolten. Er inzwiſchen begab ſich zu bette/ nach- dem er gegen ſeinen gaſt ſich zum beſten entſchuldiget. Efraim begleitete ihn in ſein ſchlafzimmer: da er ihm/ im ſcheiden/ abermahl befahl/ dem Gaſte zu ſagen/ daß er auf den morgenden tag ihm ſelbſt geſelſchaft zu halten verhofte. Aber Joſef/ es ſei/ daß das ſchroͤkken uͤber das un- gluͤk des Jobs/ oder der ſchmertz uͤber das andenken ſei- ner lieben Aſſenat ihn uͤbermeiſtert/ brachte die gantze nacht ſchlafloß zu. Und darbei war er ſo ſchwach/ daß er kaum luft zu hohlen vermochte. Ja ſein hertz befand ſich anders nicht/ als zwiſchen zwei bretern eingeklaͤm- met. Er vermeinte zwar als der tag angebrochen/ auf- zuſtehen. Aber er war ſo mat/ daß er nicht konte. Sei- ne Leibaͤrtzte warden gehohlet. Dieſe urteileten von ſtunden an aus ſeinem weſen und ſchlage/ daß dieſe machtloßheit aus einer heftigen gemuͤhtsbewegung herruͤhrete: welche das hertz und heupt verletzet. Dar- uͤm verordnete ihm der eine ſtraks etliche Hertzartzneien. Der andere verſchrieb ihm einige Hauptmittel die ver- unruhigten ſinnen zu beſaͤnftigen/ und den ſchlaf zu er- wekken. Dieſe taͤhten zwar ihre wuͤrkungen/ ſo viel ſie in einem alten und ſchwachem leibe vermochten. Der Schaltkoͤnig fuͤhlete zwar einiger maßen linderung. Das hertzklopfen verlohr ſich. Die ohnmaͤchtigkeit lies nach.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/358
Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/358>, abgerufen am 30.12.2024.