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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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Der Assenat
wust. Er wolte sein amt treulich verwalten. Und das
täht er auch redlich. Er war ein solcher getreuer
Stahtsman/ daß ich zweifle/ ob seines gleichen in der
gantzen Welt zu finden. Und eben darüm seegnete ihn
Gott so überflüßig. Er suchte keinen reichtuhm: gleich-
wohl kahm er ihm von sich selbst so reichlich in den schoß.
Selbst im schlafe fiel er ihm zu. Wan er saß/ und sich
üm die algemeine wohlfahrt bekümmerte; da trüpfte/
da flos/ da schos ein güldener regen vom Himmel. In-
dessen er vor andere sorgete/ sorgete der Himmel vor
ihn: und belohnete ihm seine treue mit überschwäng-
lichen gühtern.

Wir wollen mehr sagen? Josef war ein rechter
Lehrspiegel vor alle Stahtsleute. Er gab ein lehrbild
allen Beamten der Könige und Fürsten. Vor diesen
edlen Spiegel möchten alle Stahtsleute/ alle Amtsleu-
te/ alle Befehlshaber trähten/ und sich bespiegeln. Hier
möchten sie lernen/ wie man/ durch liebe zur algemei-
nen wohlfahrt/ seine eigene befördert; wie man durch
treue reich wird/ und aus vermeidung seines eigennu-
tzes gleichwohl einen großen nutzen ziehet. Dan wan sie
diesem Spiegel folgen/ so wird ihre eigene wohlfahrt/
ihr eigener reichtuhm/ ihr eigener nutz von sich selbsten
blühen. So wird er grühnen/ und nicht verwelken. So
wird er wachsen/ und nicht verschwinden. So wird er
bestehen/ und nicht vergehen.

Aber darbei müssen sie auch nicht ihre eigene ehre
selbst suchen. Und solches werden sie gleichmäßig aus
diesem Spiegel sehen. Josef suchte keinen ruhm/ kei-
ne ehre vor sich. Er trachtete allein treulich/ redlich und
aufrichtig seinem Nächsten zu dienen. Gleichwohl fiel
ihm ein überschwänglich großer ruhm/ und eine unver-
gängliche ehre zu. Hette er in beförderung der algemei-
nen wohlfahrt seine eigene ehre gesucht; hette er solches
nur darüm getahn/ damit er gerühmet würde: so we-

ren

Der Aſſenat
wuſt. Er wolte ſein amt treulich verwalten. Und das
taͤht er auch redlich. Er war ein ſolcher getreuer
Stahtsman/ daß ich zweifle/ ob ſeines gleichen in der
gantzen Welt zu finden. Und eben daruͤm ſeegnete ihn
Gott ſo uͤberfluͤßig. Er ſuchte keinen reichtuhm: gleich-
wohl kahm er ihm von ſich ſelbſt ſo reichlich in den ſchoß.
Selbſt im ſchlafe fiel er ihm zu. Wan er ſaß/ und ſich
uͤm die algemeine wohlfahrt bekuͤmmerte; da truͤpfte/
da flos/ da ſchos ein guͤldener regen vom Himmel. In-
deſſen er vor andere ſorgete/ ſorgete der Himmel vor
ihn: und belohnete ihm ſeine treue mit uͤberſchwaͤng-
lichen guͤhtern.

Wir wollen mehr ſagen? Joſef war ein rechter
Lehrſpiegel vor alle Stahtsleute. Er gab ein lehrbild
allen Beamten der Koͤnige und Fuͤrſten. Vor dieſen
edlen Spiegel moͤchten alle Stahtsleute/ alle Amtsleu-
te/ alle Befehlshaber traͤhten/ und ſich beſpiegeln. Hier
moͤchten ſie lernen/ wie man/ durch liebe zur algemei-
nen wohlfahrt/ ſeine eigene befoͤrdert; wie man durch
treue reich wird/ und aus vermeidung ſeines eigennu-
tzes gleichwohl einen großen nutzen ziehet. Dan wan ſie
dieſem Spiegel folgen/ ſo wird ihre eigene wohlfahrt/
ihr eigener reichtuhm/ ihr eigener nutz von ſich ſelbſten
bluͤhen. So wird er gruͤhnen/ und nicht verwelken. So
wird er wachſen/ und nicht verſchwinden. So wird er
beſtehen/ und nicht vergehen.

Aber darbei muͤſſen ſie auch nicht ihre eigene ehre
ſelbſt ſuchen. Und ſolches werden ſie gleichmaͤßig aus
dieſem Spiegel ſehen. Joſef ſuchte keinen ruhm/ kei-
ne ehre vor ſich. Er trachtete allein treulich/ redlich und
aufrichtig ſeinem Naͤchſten zu dienen. Gleichwohl fiel
ihm ein uͤberſchwaͤnglich großer ruhm/ und eine unver-
gaͤngliche ehre zu. Hette er in befoͤrderung der algemei-
nen wohlfahrt ſeine eigene ehre geſucht; hette er ſolches
nur daruͤm getahn/ damit er geruͤhmet wuͤrde: ſo we-

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[328/0352] Der Aſſenat wuſt. Er wolte ſein amt treulich verwalten. Und das taͤht er auch redlich. Er war ein ſolcher getreuer Stahtsman/ daß ich zweifle/ ob ſeines gleichen in der gantzen Welt zu finden. Und eben daruͤm ſeegnete ihn Gott ſo uͤberfluͤßig. Er ſuchte keinen reichtuhm: gleich- wohl kahm er ihm von ſich ſelbſt ſo reichlich in den ſchoß. Selbſt im ſchlafe fiel er ihm zu. Wan er ſaß/ und ſich uͤm die algemeine wohlfahrt bekuͤmmerte; da truͤpfte/ da flos/ da ſchos ein guͤldener regen vom Himmel. In- deſſen er vor andere ſorgete/ ſorgete der Himmel vor ihn: und belohnete ihm ſeine treue mit uͤberſchwaͤng- lichen guͤhtern. Wir wollen mehr ſagen? Joſef war ein rechter Lehrſpiegel vor alle Stahtsleute. Er gab ein lehrbild allen Beamten der Koͤnige und Fuͤrſten. Vor dieſen edlen Spiegel moͤchten alle Stahtsleute/ alle Amtsleu- te/ alle Befehlshaber traͤhten/ und ſich beſpiegeln. Hier moͤchten ſie lernen/ wie man/ durch liebe zur algemei- nen wohlfahrt/ ſeine eigene befoͤrdert; wie man durch treue reich wird/ und aus vermeidung ſeines eigennu- tzes gleichwohl einen großen nutzen ziehet. Dan wan ſie dieſem Spiegel folgen/ ſo wird ihre eigene wohlfahrt/ ihr eigener reichtuhm/ ihr eigener nutz von ſich ſelbſten bluͤhen. So wird er gruͤhnen/ und nicht verwelken. So wird er wachſen/ und nicht verſchwinden. So wird er beſtehen/ und nicht vergehen. Aber darbei muͤſſen ſie auch nicht ihre eigene ehre ſelbſt ſuchen. Und ſolches werden ſie gleichmaͤßig aus dieſem Spiegel ſehen. Joſef ſuchte keinen ruhm/ kei- ne ehre vor ſich. Er trachtete allein treulich/ redlich und aufrichtig ſeinem Naͤchſten zu dienen. Gleichwohl fiel ihm ein uͤberſchwaͤnglich großer ruhm/ und eine unver- gaͤngliche ehre zu. Hette er in befoͤrderung der algemei- nen wohlfahrt ſeine eigene ehre geſucht; hette er ſolches nur daruͤm getahn/ damit er geruͤhmet wuͤrde: ſo we- ren

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/352>, abgerufen am 13.05.2024.