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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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Der Assenat
Israels im lande Gessen wohnen. Und sie wuchsen
in Egipten und vermehreten sich über die maße. Jo-
sef
aber lebete nach seines Vaters absterben noch vier-
undfunfzig jahr: und als er das neunzigste erreichet/
und nunmehr/ nach dem letzten willen des verstorbenen
Königs Nefrems/ an des jungen königlichen Für-
stens stat/ achtund vierzig geherschet; da setzte er ihn auf
den königlichen Reichsstuhl/ und übergab ihm die Vä-
terliche Krohne.

Mitler zeit hatte sich Josef der herschaft so getreu-
lich angenommen/ daß er des Königreichs wohlstand
immer höher und höher gebracht/ ja die königliche
macht dermaßen erhoben/ daß kein König in der Welt
war/ der so freimächtig herschete/ als der Egiptische.
Auch sahe er nunmehr seine lieben Söhne/ den Ma-
nasse
und Benjamin/ nach hertzens wundsche ver-
mählet. Ja er sahe Efraims kinder/ bis in das drit-
te glied. Er sahe Machirs/ des Sohnes erstgebohr-
nen Manasses/ kinder; welche wieder kinder zeu-
geten auf seinem Schosse.

Aber als Josef nunmehr das hunderte jahr seines-
alters erreichet; da begunten ihn so wohl/ als alle kin-
der Israels/ etliche Rähte des Königes anzufein-
den. Der große anwachs der Ebreer war ihnen ein
dorn in den augen. Sie konten nicht vertragen/ daß
ein fremdes Volk in Egipten so mächtig ward. Mit
neidischen augen sahen sie ihre wohlfahrt an. Mit al-
lerhand tükkischen anschlägen suchten sie dieselbe zu fäl-
len. Zwei jahre nacheinander rieben sie dem Könige
die ohren. Ohn unterlaß trachteten sie ihn wider dis
unschuldige Volk aufzureitzen. Josef/ sagten sie/ ist
alt. Er ist ausgemärgelt und unvermögend. Seinen
verstand hat er verlohren. Seine weisheit ist ihm ent-
gangen. Ja er ist gantz kindisch worden. Nun ist es
zeit sein Volk unterzuträhten. Nun hat der König die

beste

Der Aſſenat
Israels im lande Geſſen wohnen. Und ſie wuchſen
in Egipten und vermehreten ſich uͤber die maße. Jo-
ſef
aber lebete nach ſeines Vaters abſterben noch vier-
undfunfzig jahr: und als er das neunzigſte erreichet/
und nunmehr/ nach dem letzten willen des verſtorbenen
Koͤnigs Nefrems/ an des jungen koͤniglichen Fuͤr-
ſtens ſtat/ achtund vierzig geherſchet; da ſetzte er ihn auf
den koͤniglichen Reichsſtuhl/ und uͤbergab ihm die Vaͤ-
terliche Krohne.

Mitler zeit hatte ſich Joſef der herſchaft ſo getreu-
lich angenommen/ daß er des Koͤnigreichs wohlſtand
immer hoͤher und hoͤher gebracht/ ja die koͤnigliche
macht dermaßen erhoben/ daß kein Koͤnig in der Welt
war/ der ſo freimaͤchtig herſchete/ als der Egiptiſche.
Auch ſahe er nunmehr ſeine lieben Soͤhne/ den Ma-
naſſe
und Benjamin/ nach hertzens wundſche ver-
maͤhlet. Ja er ſahe Efraims kinder/ bis in das drit-
te glied. Er ſahe Machirs/ des Sohnes erſtgebohr-
nen Manaſſes/ kinder; welche wieder kinder zeu-
geten auf ſeinem Schoſſe.

Aber als Joſef nunmehr das hunderte jahr ſeines-
alters erreichet; da begunten ihn ſo wohl/ als alle kin-
der Israels/ etliche Raͤhte des Koͤniges anzufein-
den. Der große anwachs der Ebreer war ihnen ein
dorn in den augen. Sie konten nicht vertragen/ daß
ein fremdes Volk in Egipten ſo maͤchtig ward. Mit
neidiſchen augen ſahen ſie ihre wohlfahrt an. Mit al-
lerhand tuͤkkiſchen anſchlaͤgen ſuchten ſie dieſelbe zu faͤl-
len. Zwei jahre nacheinander rieben ſie dem Koͤnige
die ohren. Ohn unterlaß trachteten ſie ihn wider dis
unſchuldige Volk aufzureitzen. Joſef/ ſagten ſie/ iſt
alt. Er iſt ausgemaͤrgelt und unvermoͤgend. Seinen
verſtand hat er verlohren. Seine weisheit iſt ihm ent-
gangen. Ja er iſt gantz kindiſch worden. Nun iſt es
zeit ſein Volk unterzutraͤhten. Nun hat der Koͤnig die

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[324/0348] Der Aſſenat Israels im lande Geſſen wohnen. Und ſie wuchſen in Egipten und vermehreten ſich uͤber die maße. Jo- ſef aber lebete nach ſeines Vaters abſterben noch vier- undfunfzig jahr: und als er das neunzigſte erreichet/ und nunmehr/ nach dem letzten willen des verſtorbenen Koͤnigs Nefrems/ an des jungen koͤniglichen Fuͤr- ſtens ſtat/ achtund vierzig geherſchet; da ſetzte er ihn auf den koͤniglichen Reichsſtuhl/ und uͤbergab ihm die Vaͤ- terliche Krohne. Mitler zeit hatte ſich Joſef der herſchaft ſo getreu- lich angenommen/ daß er des Koͤnigreichs wohlſtand immer hoͤher und hoͤher gebracht/ ja die koͤnigliche macht dermaßen erhoben/ daß kein Koͤnig in der Welt war/ der ſo freimaͤchtig herſchete/ als der Egiptiſche. Auch ſahe er nunmehr ſeine lieben Soͤhne/ den Ma- naſſe und Benjamin/ nach hertzens wundſche ver- maͤhlet. Ja er ſahe Efraims kinder/ bis in das drit- te glied. Er ſahe Machirs/ des Sohnes erſtgebohr- nen Manaſſes/ kinder; welche wieder kinder zeu- geten auf ſeinem Schoſſe. Aber als Joſef nunmehr das hunderte jahr ſeines- alters erreichet; da begunten ihn ſo wohl/ als alle kin- der Israels/ etliche Raͤhte des Koͤniges anzufein- den. Der große anwachs der Ebreer war ihnen ein dorn in den augen. Sie konten nicht vertragen/ daß ein fremdes Volk in Egipten ſo maͤchtig ward. Mit neidiſchen augen ſahen ſie ihre wohlfahrt an. Mit al- lerhand tuͤkkiſchen anſchlaͤgen ſuchten ſie dieſelbe zu faͤl- len. Zwei jahre nacheinander rieben ſie dem Koͤnige die ohren. Ohn unterlaß trachteten ſie ihn wider dis unſchuldige Volk aufzureitzen. Joſef/ ſagten ſie/ iſt alt. Er iſt ausgemaͤrgelt und unvermoͤgend. Seinen verſtand hat er verlohren. Seine weisheit iſt ihm ent- gangen. Ja er iſt gantz kindiſch worden. Nun iſt es zeit ſein Volk unterzutraͤhten. Nun hat der Koͤnig die beſte

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/348>, abgerufen am 12.05.2024.