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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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Der Assenat
ihrer Mutter. Der Schaltkönig aber blikte zwar seiner
lieben Gemahlin mit überaus traurigen augen nach.
Gleichwohl wuste er seine traurigkeit dermaßen zu mäs-
sigen/ daß sich iederman darüber verwunderte. Er wu-
ste seine schmertzen dermaßen zu verbergen/ daß man
ihm euserlich kaum einige traurigkeit ansahe. Und
was wolte er auch viel trauren über eine so liebe Seele/
die der Himmel selbst liebete/ ja sie so liebete/ daß er sie
seiner freude teilhaftig gemacht. So wolte es Gott ha-
ben. Das war sein gnädiger wille. Wider den wolte
Josef/ durch eine alzuübermäßige trauer/ nicht mur-
ren. Vielmehr unterwarf er ihm seinen willen. Viel-
mehr war er zu frieden/ daß Gott seine Gemahlin aus
so vielen trübsaalen gerissen.

Sobald die trauerzeit vorbei war/ ward der Asse-
nat
Leiche/ durch die gewöhnlichen träger/ in das
Balsemhaus gebracht/ gebalsemet zu werden. Den
Balsemern befahl man ihren besten fleis zu tuhn. Kei-
ne kosten solten sie spahren. Darüm bedung man auch
keinen preis. Keine gemahlte Leichenbilder/ darnach
das balsemen sonsten geschahe/ warden gezeiget. Man
nahm es an auf das allerköstlichste zu balsemen. Und
das ward auch treulich verrichtet. Erstlich zogen sie mit
einem krummen eisen/ durch die naselöcher/ das Ge-
hirn aus dem heupte. Das legten sie in ihren zugerichte-
ten siedendheissen pechbalsam/ so lange/ bis er sich gantz
hinein gezogen. Dieser Pechbalsam war aus Jüdenlei-
me und todtenpeche/ mit mirren/ hartze vom balsam-
baume/ zimmet und andern dergleichen sachen vermän-
get/ gesotten. Darnach schnitten sie mit einem schar-
fen Mohrenländischem steine das weiche des leibes von-
einander. Das eingeweide nahmen sie heraus. Die-
ses reinigten sie zuerst/ und spühleten es mit Fönizi-
schem weine wohl ab. Darnach bestreueten sie es mit
gestoßenen gewürtzen/ mit mirren/ zimmet und andern

wohl-

Der Aſſenat
ihrer Mutter. Der Schaltkoͤnig aber blikte zwar ſeiner
lieben Gemahlin mit uͤberaus traurigen augen nach.
Gleichwohl wuſte er ſeine traurigkeit dermaßen zu maͤs-
ſigen/ daß ſich iederman daruͤber verwunderte. Er wu-
ſte ſeine ſchmertzen dermaßen zu verbergen/ daß man
ihm euſerlich kaum einige traurigkeit anſahe. Und
was wolte er auch viel trauren uͤber eine ſo liebe Seele/
die der Himmel ſelbſt liebete/ ja ſie ſo liebete/ daß er ſie
ſeiner freude teilhaftig gemacht. So wolte es Gott ha-
ben. Das war ſein gnaͤdiger wille. Wider den wolte
Joſef/ durch eine alzuuͤbermaͤßige trauer/ nicht mur-
ren. Vielmehr unterwarf er ihm ſeinen willen. Viel-
mehr war er zu frieden/ daß Gott ſeine Gemahlin aus
ſo vielen truͤbſaalen geriſſen.

Sobald die trauerzeit vorbei war/ ward der Aſſe-
nat
Leiche/ durch die gewoͤhnlichen traͤger/ in das
Balſemhaus gebracht/ gebalſemet zu werden. Den
Balſemern befahl man ihren beſten fleis zu tuhn. Kei-
ne koſten ſolten ſie ſpahren. Daruͤm bedung man auch
keinen preis. Keine gemahlte Leichenbilder/ darnach
das balſemen ſonſten geſchahe/ warden gezeiget. Man
nahm es an auf das allerkoͤſtlichſte zu balſemen. Und
das ward auch treulich verrichtet. Erſtlich zogen ſie mit
einem krummen eiſen/ durch die naſeloͤcher/ das Ge-
hirn aus dem heupte. Das legten ſie in ihren zugerichte-
ten ſiedendheiſſen pechbalſam/ ſo lange/ bis er ſich gantz
hinein gezogen. Dieſer Pechbalſam war aus Juͤdenlei-
me und todtenpeche/ mit mirren/ hartze vom balſam-
baume/ zimmet und andern dergleichen ſachen vermaͤn-
get/ geſotten. Darnach ſchnitten ſie mit einem ſchar-
fen Mohrenlaͤndiſchem ſteine das weiche des leibes von-
einander. Das eingeweide nahmen ſie heraus. Die-
ſes reinigten ſie zuerſt/ und ſpuͤhleten es mit Foͤnizi-
ſchem weine wohl ab. Darnach beſtreueten ſie es mit
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[306/0330] Der Aſſenat ihrer Mutter. Der Schaltkoͤnig aber blikte zwar ſeiner lieben Gemahlin mit uͤberaus traurigen augen nach. Gleichwohl wuſte er ſeine traurigkeit dermaßen zu maͤs- ſigen/ daß ſich iederman daruͤber verwunderte. Er wu- ſte ſeine ſchmertzen dermaßen zu verbergen/ daß man ihm euſerlich kaum einige traurigkeit anſahe. Und was wolte er auch viel trauren uͤber eine ſo liebe Seele/ die der Himmel ſelbſt liebete/ ja ſie ſo liebete/ daß er ſie ſeiner freude teilhaftig gemacht. So wolte es Gott ha- ben. Das war ſein gnaͤdiger wille. Wider den wolte Joſef/ durch eine alzuuͤbermaͤßige trauer/ nicht mur- ren. Vielmehr unterwarf er ihm ſeinen willen. Viel- mehr war er zu frieden/ daß Gott ſeine Gemahlin aus ſo vielen truͤbſaalen geriſſen. Sobald die trauerzeit vorbei war/ ward der Aſſe- nat Leiche/ durch die gewoͤhnlichen traͤger/ in das Balſemhaus gebracht/ gebalſemet zu werden. Den Balſemern befahl man ihren beſten fleis zu tuhn. Kei- ne koſten ſolten ſie ſpahren. Daruͤm bedung man auch keinen preis. Keine gemahlte Leichenbilder/ darnach das balſemen ſonſten geſchahe/ warden gezeiget. Man nahm es an auf das allerkoͤſtlichſte zu balſemen. Und das ward auch treulich verrichtet. Erſtlich zogen ſie mit einem krummen eiſen/ durch die naſeloͤcher/ das Ge- hirn aus dem heupte. Das legten ſie in ihren zugerichte- ten ſiedendheiſſen pechbalſam/ ſo lange/ bis er ſich gantz hinein gezogen. Dieſer Pechbalſam war aus Juͤdenlei- me und todtenpeche/ mit mirren/ hartze vom balſam- baume/ zimmet und andern dergleichen ſachen vermaͤn- get/ geſotten. Darnach ſchnitten ſie mit einem ſchar- fen Mohrenlaͤndiſchem ſteine das weiche des leibes von- einander. Das eingeweide nahmen ſie heraus. Die- ſes reinigten ſie zuerſt/ und ſpuͤhleten es mit Foͤnizi- ſchem weine wohl ab. Darnach beſtreueten ſie es mit geſtoßenen gewuͤrtzen/ mit mirren/ zimmet und andern wohl-

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/330>, abgerufen am 11.05.2024.