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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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siebendes Buch.
erfreuet; da ward/ durch einen jähligen überfal/ sol-
che freude schon gestöhret. Plötzlich fiel sie in eine hefti-
ge krankheit. Die hielt so hart an/ daß sie innerhalb
neun tagen gesund und todt war.

Als nun die Schaltkönigin vermärkte/ daß ihr ende
herzunahete; da ermahnte sie ihre zween Söhne/ ihr
vertrauen auf den wahren lebendigen Gott/ den Gott
ihres Vaters Josefs/ zu setzen. Dem solten sie an-
hangen. Den solten sie lieben und ehren. Der würde
ihr schirm und schild sein; und ihnen geben/ was ih-
nen ersprieslich. Auch baht sie ihren lieben Ehherrn/
ihre stelle zu verträhten/ und nicht nur als ein Vater/
sondern auch als eine Mutter/ vor ihre Ehpflantzen
sorge zu tragen. Endlich nahm sie abscheid von allen/
und befahl ihre Seele dem Schöpfer aller dinge. Und
also starb die fromme Assenat im einundvierzigsten
jahre ihres alters/ und im zwanzigsten ihrer ehe; als
Josef das funfzigste/ Manasse das neunzehende/ und
Efraim das achtzehende lebensjahr erreichet.

Dieser so frühzeitige hintrit einer so tugendvolkom-
menen und alles ruhmes würdigen Fürstin veruhrsach-
te eine große trauer durch das gantze Egipten. Je-
derman war betrübt. Das gantze Volk vergaß aller
seiner freude. Die Armen beweineten ihre Ernährerin.
Die Kranken beklagten ihre Aertztin. Die Bedräng-
ten bejammerten ihre Erretterin. Die Angefochtenen
betrauerten ihre Beschirmerin. Wo man sich hinwen-
dete/ da hörete man ein klägliches kärmen/ ein erbärm-
liches jammern; zuvoraus im Schaltköniglichen Ho-
fe. Da konte man nicht aufhören zu kärmen. Die
Stahtsjungfrauen wolten sich kaum trösten laßen; so
gar hatte sie der schmertz besessen. Die Höflinge waren
als vor den kopf geschlagen. Das gantze Hofgesinde
ging und wimmerleichte. Ja die zween hinterlaßene jun-
ge Herren waren fast aus ihnen selbst über den verlust

ihrer
V

ſiebendes Buch.
erfreuet; da ward/ durch einen jaͤhligen uͤberfal/ ſol-
che freude ſchon geſtoͤhret. Ploͤtzlich fiel ſie in eine hefti-
ge krankheit. Die hielt ſo hart an/ daß ſie innerhalb
neun tagen geſund und todt war.

Als nun die Schaltkoͤnigin vermaͤrkte/ daß ihr ende
herzunahete; da ermahnte ſie ihre zween Soͤhne/ ihr
vertrauen auf den wahren lebendigen Gott/ den Gott
ihres Vaters Joſefs/ zu ſetzen. Dem ſolten ſie an-
hangen. Den ſolten ſie lieben und ehren. Der wuͤrde
ihr ſchirm und ſchild ſein; und ihnen geben/ was ih-
nen erſprieslich. Auch baht ſie ihren lieben Ehherꝛn/
ihre ſtelle zu vertraͤhten/ und nicht nur als ein Vater/
ſondern auch als eine Mutter/ vor ihre Ehpflantzen
ſorge zu tragen. Endlich nahm ſie abſcheid von allen/
und befahl ihre Seele dem Schoͤpfer aller dinge. Und
alſo ſtarb die fromme Aſſenat im einundvierzigſten
jahre ihres alters/ und im zwanzigſten ihrer ehe; als
Joſef das funfzigſte/ Manaſſe das neunzehende/ und
Efraim das achtzehende lebensjahr erreichet.

Dieſer ſo fruͤhzeitige hintrit einer ſo tugendvolkom-
menen und alles ruhmes wuͤrdigen Fuͤrſtin veruhrſach-
te eine große trauer durch das gantze Egipten. Je-
derman war betruͤbt. Das gantze Volk vergaß aller
ſeiner freude. Die Armen beweineten ihre Ernaͤhrerin.
Die Kranken beklagten ihre Aertztin. Die Bedraͤng-
ten bejammerten ihre Erretterin. Die Angefochtenen
betrauerten ihre Beſchirmerin. Wo man ſich hinwen-
dete/ da hoͤrete man ein klaͤgliches kaͤrmen/ ein erbaͤrm-
liches jammern; zuvoraus im Schaltkoͤniglichen Ho-
fe. Da konte man nicht aufhoͤren zu kaͤrmen. Die
Stahtsjungfrauen wolten ſich kaum troͤſten laßen; ſo
gar hatte ſie der ſchmertz beſeſſen. Die Hoͤflinge waren
als vor den kopf geſchlagen. Das gantze Hofgeſinde
ging und wimmerleichte. Ja die zween hinterlaßene jun-
ge Herren waren faſt aus ihnen ſelbſt uͤber den verluſt

ihrer
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[305/0329] ſiebendes Buch. erfreuet; da ward/ durch einen jaͤhligen uͤberfal/ ſol- che freude ſchon geſtoͤhret. Ploͤtzlich fiel ſie in eine hefti- ge krankheit. Die hielt ſo hart an/ daß ſie innerhalb neun tagen geſund und todt war. Als nun die Schaltkoͤnigin vermaͤrkte/ daß ihr ende herzunahete; da ermahnte ſie ihre zween Soͤhne/ ihr vertrauen auf den wahren lebendigen Gott/ den Gott ihres Vaters Joſefs/ zu ſetzen. Dem ſolten ſie an- hangen. Den ſolten ſie lieben und ehren. Der wuͤrde ihr ſchirm und ſchild ſein; und ihnen geben/ was ih- nen erſprieslich. Auch baht ſie ihren lieben Ehherꝛn/ ihre ſtelle zu vertraͤhten/ und nicht nur als ein Vater/ ſondern auch als eine Mutter/ vor ihre Ehpflantzen ſorge zu tragen. Endlich nahm ſie abſcheid von allen/ und befahl ihre Seele dem Schoͤpfer aller dinge. Und alſo ſtarb die fromme Aſſenat im einundvierzigſten jahre ihres alters/ und im zwanzigſten ihrer ehe; als Joſef das funfzigſte/ Manaſſe das neunzehende/ und Efraim das achtzehende lebensjahr erreichet. Dieſer ſo fruͤhzeitige hintrit einer ſo tugendvolkom- menen und alles ruhmes wuͤrdigen Fuͤrſtin veruhrſach- te eine große trauer durch das gantze Egipten. Je- derman war betruͤbt. Das gantze Volk vergaß aller ſeiner freude. Die Armen beweineten ihre Ernaͤhrerin. Die Kranken beklagten ihre Aertztin. Die Bedraͤng- ten bejammerten ihre Erretterin. Die Angefochtenen betrauerten ihre Beſchirmerin. Wo man ſich hinwen- dete/ da hoͤrete man ein klaͤgliches kaͤrmen/ ein erbaͤrm- liches jammern; zuvoraus im Schaltkoͤniglichen Ho- fe. Da konte man nicht aufhoͤren zu kaͤrmen. Die Stahtsjungfrauen wolten ſich kaum troͤſten laßen; ſo gar hatte ſie der ſchmertz beſeſſen. Die Hoͤflinge waren als vor den kopf geſchlagen. Das gantze Hofgeſinde ging und wimmerleichte. Ja die zween hinterlaßene jun- ge Herren waren faſt aus ihnen ſelbſt uͤber den verluſt ihrer V

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/329>, abgerufen am 11.05.2024.