Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

Bild:
<< vorherige Seite

siebendes Buch.
sie als eine Aertztin/ als eine Heilandin. Mit eigner
hand richtete sie die genäßmittel zu. Auch musten ihre
Stahtsjungfrauen täglich wasser brennen aus aller-
hand kreutern. Zu gewissen zeiten/ da sie am kräftig-
sten waren/ lies sie dieselben samlen. Hierzu hatte sie
ihre sonderliche Kreuterweiber. Die brachten ihr tag-
lich/ was sie begehrete. Und also begab sich Assenat/
üm der armen kranken willen/ auf die Artzneikunst.
Darinnen kahm sie in kurtzer zeit zu so hohen verstande/
daß sie fast alle krankheiten glüklich genäsete. Dadurch
erlangte sie einen großen ruhm durch das gantze Egip-
ten.
Ihre Weisheit lobeten alle. Ihren verstand in
der Heilkunst erhub man bis an den himmel. Ja es
kahm endlich so weit/ daß sie der gemeine man/ auch
schon vor ihrem tode heimlich/ und nach demselben öf-
fendlich/ vergöttlichte. Man machte sie zu einer Göt-
tin der Weisheit. Man ehrete sie als eine Göttin der
Artzneikunst. Man schrieb ihr derselben erfindung zu.
Und weil sie zugleich die armen mit brohte versorget/
bahtete man sie auch an als eine Frucht- und Zehr-göt-
tin. Alle diese ehre geschahe ihr unter den nahmen
Isis.

Mitlerweile hatte der Ertzvater Jakob erfahren/
wie seine söhne Dan/ und Gad sich an seiner Schwie-
gertochter verbrochen. Er hatte vernommen/ daß sie
uhrsache waren an ihrer unbäsligkeit. Er hatte ver-
standen/ daß sie dem Königlichen Fürsten/ in seinem
bösen anschlage/ die hand gebohten: ohne welche zu ei-
ner so frefelhaften unterwindung er nie würde gekom-
men sein. Daher war er über sie zornig. Daher durf-
ten sie vor sein angesicht eine lange weile nicht kommen.
Er wolte sie vor seine Kinder nicht mehr erkennen. Ja
sie solten kein anteil an seiner verlaßenschaft haben.
Gantz solten sie ausgestoßen und enterbet sein. Asse-
nat
aber besänftigte seinen zorn. Ihre langmühtigkeit

war

ſiebendes Buch.
ſie als eine Aertztin/ als eine Heilandin. Mit eigner
hand richtete ſie die genaͤßmittel zu. Auch muſten ihre
Stahtsjungfrauen taͤglich waſſer brennen aus aller-
hand kreutern. Zu gewiſſen zeiten/ da ſie am kraͤftig-
ſten waren/ lies ſie dieſelben ſamlen. Hierzu hatte ſie
ihre ſonderliche Kreuterweiber. Die brachten ihr tåg-
lich/ was ſie begehrete. Und alſo begab ſich Aſſenat/
uͤm der armen kranken willen/ auf die Artzneikunſt.
Darinnen kahm ſie in kurtzer zeit zu ſo hohen verſtande/
daß ſie faſt alle krankheiten gluͤklich genaͤſete. Dadurch
erlangte ſie einen großen ruhm durch das gantze Egip-
ten.
Ihre Weisheit lobeten alle. Ihren verſtand in
der Heilkunſt erhub man bis an den himmel. Ja es
kahm endlich ſo weit/ daß ſie der gemeine man/ auch
ſchon vor ihrem tode heimlich/ und nach demſelben oͤf-
fendlich/ vergoͤttlichte. Man machte ſie zu einer Goͤt-
tin der Weisheit. Man ehrete ſie als eine Goͤttin der
Artzneikunſt. Man ſchrieb ihr derſelben erfindung zu.
Und weil ſie zugleich die armen mit brohte verſorget/
båhtete man ſie auch an als eine Frucht- und Zehr-goͤt-
tin. Alle dieſe ehre geſchahe ihr unter den nahmen
Iſis.

Mitlerweile hatte der Ertzvater Jakob erfahren/
wie ſeine ſoͤhne Dan/ und Gad ſich an ſeiner Schwie-
gertochter verbrochen. Er hatte vernommen/ daß ſie
uhrſache waren an ihrer unbaͤsligkeit. Er hatte ver-
ſtanden/ daß ſie dem Koͤniglichen Fuͤrſten/ in ſeinem
boͤſen anſchlage/ die hand gebohten: ohne welche zu ei-
ner ſo frefelhaften unterwindung er nie wuͤrde gekom-
men ſein. Daher war er uͤber ſie zornig. Daher durf-
ten ſie vor ſein angeſicht eine lange weile nicht kommen.
Er wolte ſie vor ſeine Kinder nicht mehr erkennen. Ja
ſie ſolten kein anteil an ſeiner verlaßenſchaft haben.
Gantz ſolten ſie ausgeſtoßen und enterbet ſein. Aſſe-
nat
aber beſaͤnftigte ſeinen zorn. Ihre langmuͤhtigkeit

war
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0327" n="303"/><fw place="top" type="header">&#x017F;iebendes Buch.</fw><lb/>
&#x017F;ie als eine Aertztin/ als eine Heilandin. Mit eigner<lb/>
hand richtete &#x017F;ie die gena&#x0364;ßmittel zu. Auch mu&#x017F;ten ihre<lb/>
Stahtsjungfrauen ta&#x0364;glich wa&#x017F;&#x017F;er brennen aus aller-<lb/>
hand kreutern. Zu gewi&#x017F;&#x017F;en zeiten/ da &#x017F;ie am kra&#x0364;ftig-<lb/>
&#x017F;ten waren/ lies &#x017F;ie die&#x017F;elben &#x017F;amlen. Hierzu hatte &#x017F;ie<lb/>
ihre &#x017F;onderliche Kreuterweiber. Die brachten ihr tåg-<lb/>
lich/ was &#x017F;ie begehrete. Und al&#x017F;o begab &#x017F;ich <hi rendition="#fr">A&#x017F;&#x017F;enat/</hi><lb/>
u&#x0364;m der armen kranken willen/ auf die Artzneikun&#x017F;t.<lb/>
Darinnen kahm &#x017F;ie in kurtzer zeit zu &#x017F;o hohen ver&#x017F;tande/<lb/>
daß &#x017F;ie fa&#x017F;t alle krankheiten glu&#x0364;klich gena&#x0364;&#x017F;ete. Dadurch<lb/>
erlangte &#x017F;ie einen großen ruhm durch das gantze <hi rendition="#fr">Egip-<lb/>
ten.</hi> Ihre Weisheit lobeten alle. Ihren ver&#x017F;tand in<lb/>
der Heilkun&#x017F;t erhub man bis an den himmel. Ja es<lb/>
kahm endlich &#x017F;o weit/ daß &#x017F;ie der gemeine man/ auch<lb/>
&#x017F;chon vor ihrem tode heimlich/ und nach dem&#x017F;elben o&#x0364;f-<lb/>
fendlich/ vergo&#x0364;ttlichte. Man machte &#x017F;ie zu einer Go&#x0364;t-<lb/>
tin der Weisheit. Man ehrete &#x017F;ie als eine Go&#x0364;ttin der<lb/>
Artzneikun&#x017F;t. Man &#x017F;chrieb ihr der&#x017F;elben erfindung zu.<lb/>
Und weil &#x017F;ie zugleich die armen mit brohte ver&#x017F;orget/<lb/>
båhtete man &#x017F;ie auch an als eine Frucht- und Zehr-go&#x0364;t-<lb/>
tin. Alle die&#x017F;e ehre ge&#x017F;chahe ihr unter den nahmen<lb/><hi rendition="#fr">I&#x017F;is.</hi></p><lb/>
        <p>Mitlerweile hatte der Ertzvater <hi rendition="#fr">Jakob</hi> erfahren/<lb/>
wie &#x017F;eine &#x017F;o&#x0364;hne <hi rendition="#fr">Dan/</hi> und <hi rendition="#fr">Gad</hi> &#x017F;ich an &#x017F;einer Schwie-<lb/>
gertochter verbrochen. Er hatte vernommen/ daß &#x017F;ie<lb/>
uhr&#x017F;ache waren an ihrer unba&#x0364;sligkeit. Er hatte ver-<lb/>
&#x017F;tanden/ daß &#x017F;ie dem Ko&#x0364;niglichen Fu&#x0364;r&#x017F;ten/ in &#x017F;einem<lb/>
bo&#x0364;&#x017F;en an&#x017F;chlage/ die hand gebohten: ohne welche zu ei-<lb/>
ner &#x017F;o frefelhaften unterwindung er nie wu&#x0364;rde gekom-<lb/>
men &#x017F;ein. Daher war er u&#x0364;ber &#x017F;ie zornig. Daher durf-<lb/>
ten &#x017F;ie vor &#x017F;ein ange&#x017F;icht eine lange weile nicht kommen.<lb/>
Er wolte &#x017F;ie vor &#x017F;eine Kinder nicht mehr erkennen. Ja<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;olten kein anteil an &#x017F;einer verlaßen&#x017F;chaft haben.<lb/>
Gantz &#x017F;olten &#x017F;ie ausge&#x017F;toßen und enterbet &#x017F;ein. <hi rendition="#fr">A&#x017F;&#x017F;e-<lb/>
nat</hi> aber be&#x017F;a&#x0364;nftigte &#x017F;einen zorn. Ihre langmu&#x0364;htigkeit<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">war</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[303/0327] ſiebendes Buch. ſie als eine Aertztin/ als eine Heilandin. Mit eigner hand richtete ſie die genaͤßmittel zu. Auch muſten ihre Stahtsjungfrauen taͤglich waſſer brennen aus aller- hand kreutern. Zu gewiſſen zeiten/ da ſie am kraͤftig- ſten waren/ lies ſie dieſelben ſamlen. Hierzu hatte ſie ihre ſonderliche Kreuterweiber. Die brachten ihr tåg- lich/ was ſie begehrete. Und alſo begab ſich Aſſenat/ uͤm der armen kranken willen/ auf die Artzneikunſt. Darinnen kahm ſie in kurtzer zeit zu ſo hohen verſtande/ daß ſie faſt alle krankheiten gluͤklich genaͤſete. Dadurch erlangte ſie einen großen ruhm durch das gantze Egip- ten. Ihre Weisheit lobeten alle. Ihren verſtand in der Heilkunſt erhub man bis an den himmel. Ja es kahm endlich ſo weit/ daß ſie der gemeine man/ auch ſchon vor ihrem tode heimlich/ und nach demſelben oͤf- fendlich/ vergoͤttlichte. Man machte ſie zu einer Goͤt- tin der Weisheit. Man ehrete ſie als eine Goͤttin der Artzneikunſt. Man ſchrieb ihr derſelben erfindung zu. Und weil ſie zugleich die armen mit brohte verſorget/ båhtete man ſie auch an als eine Frucht- und Zehr-goͤt- tin. Alle dieſe ehre geſchahe ihr unter den nahmen Iſis. Mitlerweile hatte der Ertzvater Jakob erfahren/ wie ſeine ſoͤhne Dan/ und Gad ſich an ſeiner Schwie- gertochter verbrochen. Er hatte vernommen/ daß ſie uhrſache waren an ihrer unbaͤsligkeit. Er hatte ver- ſtanden/ daß ſie dem Koͤniglichen Fuͤrſten/ in ſeinem boͤſen anſchlage/ die hand gebohten: ohne welche zu ei- ner ſo frefelhaften unterwindung er nie wuͤrde gekom- men ſein. Daher war er uͤber ſie zornig. Daher durf- ten ſie vor ſein angeſicht eine lange weile nicht kommen. Er wolte ſie vor ſeine Kinder nicht mehr erkennen. Ja ſie ſolten kein anteil an ſeiner verlaßenſchaft haben. Gantz ſolten ſie ausgeſtoßen und enterbet ſein. Aſſe- nat aber beſaͤnftigte ſeinen zorn. Ihre langmuͤhtigkeit war

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/327
Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/327>, abgerufen am 11.05.2024.