Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.Der Assenat dem lebendigen Gotte/ wolte sie hören In keinen an-dern/ als in Göttlichen dingen/ schöpfte sie freude. Schwatzte schon iemand von der Welt/ und weltli- chen sachen; so gingen doch unterdessen alle ihre gedan- ken nach dem Himmel und den himlischen dingen zu. Da war ihr gantzes hertz. Dieses ging ihr/ mit den ohren/ zugleich auf/ wan ihr liebster Josef davon zu sprachen begunte. Immerfort reitzte sie ihn darzu an. Fort und fort fragte sie dis und das/ bald vom Göttlichen wesen/ bald vom zustande der Engel/ bald von der freude der Menschen/ die sie in jenem leben zu gewarten. Und wan der Schaltkönig seiner reichsgeschäfte wegen ver- reisen muste; so lies sie ihr unterdessen allezeit etwas aus dem Buche Enochs/ welches ihr Jakob vereh- ret/ durch ihren Sohn Manasse/ vorlesen/ und in die Egiptische sprache übersetzen. Ja dieses Buch hat- te sie so lieb/ daß sie es nachmahls/ als es gantz überge- setzt war/ selbsten allezeit lase. Und konte sie eine und andere dunkele rede nicht verstehen/ so suchte sie bei ih- rem Gemahle derselben erklährung. Zu dieser der Assenat Gottesfurcht/ kahm auch ei- sie
Der Aſſenat dem lebendigen Gotte/ wolte ſie hoͤren In keinen an-dern/ als in Goͤttlichen dingen/ ſchoͤpfte ſie freude. Schwatzte ſchon iemand von der Welt/ und weltli- chen ſachen; ſo gingen doch unterdeſſen alle ihre gedan- ken nach dem Himmel und den himliſchen dingen zu. Da war ihr gantzes hertz. Dieſes ging ihr/ mit den ohren/ zugleich auf/ wan ihr liebſter Joſef davon zu ſprachen begunte. Immerfort reitzte ſie ihn darzu an. Fort und fort fragte ſie dis und das/ bald vom Goͤttlichen weſen/ bald vom zuſtande der Engel/ bald von der freude der Menſchen/ die ſie in jenem leben zu gewarten. Und wan der Schaltkoͤnig ſeiner reichsgeſchaͤfte wegen ver- reiſen muſte; ſo lies ſie ihr unterdeſſen allezeit etwas aus dem Buche Enochs/ welches ihr Jakob vereh- ret/ durch ihren Sohn Manaſſe/ vorleſen/ und in die Egiptiſche ſprache uͤberſetzen. Ja dieſes Buch hat- te ſie ſo lieb/ daß ſie es nachmahls/ als es gantz uͤberge- ſetzt war/ ſelbſten allezeit laſe. Und konte ſie eine und andere dunkele rede nicht verſtehen/ ſo ſuchte ſie bei ih- rem Gemahle derſelben erklaͤhrung. Zu dieſer der Aſſenat Gottesfurcht/ kahm auch ei- ſie
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0326" n="302"/><fw place="top" type="header">Der Aſſenat</fw><lb/> dem lebendigen Gotte/ wolte ſie hoͤren In keinen an-<lb/> dern/ als in Goͤttlichen dingen/ ſchoͤpfte ſie freude.<lb/> Schwatzte ſchon iemand von der Welt/ und weltli-<lb/> chen ſachen; ſo gingen doch unterdeſſen alle ihre gedan-<lb/> ken nach dem Himmel und den himliſchen dingen zu. Da<lb/> war ihr gantzes hertz. Dieſes ging ihr/ mit den ohren/<lb/> zugleich auf/ wan ihr liebſter <hi rendition="#fr">Joſef</hi> davon zu ſprachen<lb/> begunte. Immerfort reitzte ſie ihn darzu an. Fort und<lb/> fort fragte ſie dis und das/ bald vom Goͤttlichen weſen/<lb/> bald vom zuſtande der Engel/ bald von der freude der<lb/> Menſchen/ die ſie in jenem leben zu gewarten. Und<lb/> wan der Schaltkoͤnig ſeiner reichsgeſchaͤfte wegen ver-<lb/> reiſen muſte; ſo lies ſie ihr unterdeſſen allezeit etwas<lb/> aus dem Buche <hi rendition="#fr">Enochs/</hi> welches ihr <hi rendition="#fr">Jakob</hi> vereh-<lb/> ret/ durch ihren Sohn <hi rendition="#fr">Manaſſe/</hi> vorleſen/ und in<lb/> die Egiptiſche ſprache uͤberſetzen. Ja dieſes Buch hat-<lb/> te ſie ſo lieb/ daß ſie es nachmahls/ als es gantz uͤberge-<lb/> ſetzt war/ ſelbſten allezeit laſe. Und konte ſie eine und<lb/> andere dunkele rede nicht verſtehen/ ſo ſuchte ſie bei ih-<lb/> rem Gemahle derſelben erklaͤhrung.</p><lb/> <p>Zu dieſer der <hi rendition="#fr">Aſſenat</hi> Gottesfurcht/ kahm auch ei-<lb/> ne ſonderliche Barmhertzigkeit gegen die nohtduͤrftigen.<lb/> Eine große Liebe gegen ihren bedraͤngten und nohtleiden-<lb/> den naͤchſten lies ſie leuchten. Die hungrigen ſpeiſete ſie.<lb/> Die durſtigen traͤnkte ſie. Den kranken verſchafte ſie<lb/> artzneien. In den ſieben hungersjahren ermahnete<lb/> ſie ihren Ehherꝛn taͤglich/ der armen nicht zu vergeſſen.<lb/> Auch warden ſie/ auf ihr ſtaͤhtiges anhalten/ ſo wohl<lb/> verſorget/ daß kein einiger noht litte. Und noch itzund<lb/> er hielt ſie ihrer viele. Ihre milde hand ſtund gegen ſie<lb/> allezeit offen. Des Morgens/ wan ſie aus ihrem bette<lb/> ſich erhoben/ fand ſich ſchon eine große maͤnge vor ihrer<lb/> tuͤhre. Die pflegte ſie ihre gaͤſte zu nennen. Denen tei-<lb/> lete ſie reichlich mit. Sehr freundlich ſprach ſie ihnen zu.<lb/> War iemand von dieſen ihren gaͤſten krank/ dem erſchien<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ſie</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [302/0326]
Der Aſſenat
dem lebendigen Gotte/ wolte ſie hoͤren In keinen an-
dern/ als in Goͤttlichen dingen/ ſchoͤpfte ſie freude.
Schwatzte ſchon iemand von der Welt/ und weltli-
chen ſachen; ſo gingen doch unterdeſſen alle ihre gedan-
ken nach dem Himmel und den himliſchen dingen zu. Da
war ihr gantzes hertz. Dieſes ging ihr/ mit den ohren/
zugleich auf/ wan ihr liebſter Joſef davon zu ſprachen
begunte. Immerfort reitzte ſie ihn darzu an. Fort und
fort fragte ſie dis und das/ bald vom Goͤttlichen weſen/
bald vom zuſtande der Engel/ bald von der freude der
Menſchen/ die ſie in jenem leben zu gewarten. Und
wan der Schaltkoͤnig ſeiner reichsgeſchaͤfte wegen ver-
reiſen muſte; ſo lies ſie ihr unterdeſſen allezeit etwas
aus dem Buche Enochs/ welches ihr Jakob vereh-
ret/ durch ihren Sohn Manaſſe/ vorleſen/ und in
die Egiptiſche ſprache uͤberſetzen. Ja dieſes Buch hat-
te ſie ſo lieb/ daß ſie es nachmahls/ als es gantz uͤberge-
ſetzt war/ ſelbſten allezeit laſe. Und konte ſie eine und
andere dunkele rede nicht verſtehen/ ſo ſuchte ſie bei ih-
rem Gemahle derſelben erklaͤhrung.
Zu dieſer der Aſſenat Gottesfurcht/ kahm auch ei-
ne ſonderliche Barmhertzigkeit gegen die nohtduͤrftigen.
Eine große Liebe gegen ihren bedraͤngten und nohtleiden-
den naͤchſten lies ſie leuchten. Die hungrigen ſpeiſete ſie.
Die durſtigen traͤnkte ſie. Den kranken verſchafte ſie
artzneien. In den ſieben hungersjahren ermahnete
ſie ihren Ehherꝛn taͤglich/ der armen nicht zu vergeſſen.
Auch warden ſie/ auf ihr ſtaͤhtiges anhalten/ ſo wohl
verſorget/ daß kein einiger noht litte. Und noch itzund
er hielt ſie ihrer viele. Ihre milde hand ſtund gegen ſie
allezeit offen. Des Morgens/ wan ſie aus ihrem bette
ſich erhoben/ fand ſich ſchon eine große maͤnge vor ihrer
tuͤhre. Die pflegte ſie ihre gaͤſte zu nennen. Denen tei-
lete ſie reichlich mit. Sehr freundlich ſprach ſie ihnen zu.
War iemand von dieſen ihren gaͤſten krank/ dem erſchien
ſie
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |