Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

Bild:
<< vorherige Seite

siebendes Buch.
betahm/ daß sie gehen und stehen konte. Aber sich in die
luft zu wagen/ weil es eben winterte/ wolten sie ihr
nicht rahten. Darüm blieb sie noch acht tage bei dem
Schwiegervater/ sich was mehr zu erhohlen. Auch er-
hohlte sie sich/ und bekahm ihre kräfte zimlich wieder:
aber ihre vorige blühende farbe nicht. Die blieb aussen/
so lange sie lebete.

Nach verflossenen acht tagen begab sie sich wieder auf
ihre Sonnenburg. Alda trug sie belieben die meiste
zeit ihres übrigen lebens zu verschliessen. Josef be-
mühete sich unterdessen sie zu ergetzen/ so viel als er kon-
te. Auch besuchte sie der Ertzbischof/ ihr Vater/ fast al-
le tage. Mit dem führete Josef viel reden/ die den
wahren Gottesdienst betrafen. Unter andern eröfnete
er ihm auch den Nahmen Gottes/ Jehovah: welchen
Er selbst seinem Obergroßvater dem Abraham zum
allerersten geoffenbahret. Darneben erklährete er des-
selben sin und eigendlichen verstand. Dieses gefiel dem
Ertzbischoffe so wohl/ daß er in das Heliopelsche Gö-
tzenhaus der Sonne von stunden an diese worte mit
güldenen buchstaben/ in Egiptischer sprache/ schreiben
lies: Ich bin/ der da war/ der da ist/ und der da
sein wird: meine dekke hat niemand iemahls
aufgedekt.
Auch warden sie nachmahls in die mei-
sten Egiptischen Götzenheuser gleichesfals geschrieben.
Ja selbst über der Weisheit Götzenbilde/ welches an-
ders nicht/ als die Isis oder Assenat selbsten/ sein sol-
te/ lase man/ in ihrem Götzenbaue zu Sais/ folgende
überschrift: Ich bin das algemeine Alles/ das ge-
wesen ist/ das noch ist/ und das zukünftig sein
wird: meine strahldekke hat kein sterblicher ie-
mahls aufgedekt.

Assenat selbsten/ welche nunmehr der Welt schon
abgestorben zu sein schien/ hatte ihre sonderliche lust in
dergleichen gesprachen. Fast von nichts anders/ als

dem

ſiebendes Buch.
betahm/ daß ſie gehen und ſtehen konte. Aber ſich in die
luft zu wagen/ weil es eben winterte/ wolten ſie ihr
nicht rahten. Daruͤm blieb ſie noch acht tage bei dem
Schwiegervater/ ſich was mehr zu erhohlen. Auch er-
hohlte ſie ſich/ und bekahm ihre kraͤfte zimlich wieder:
aber ihre vorige bluͤhende farbe nicht. Die blieb auſſen/
ſo lange ſie lebete.

Nach verfloſſenen acht tagen begab ſie ſich wieder auf
ihre Sonnenburg. Alda trug ſie belieben die meiſte
zeit ihres uͤbrigen lebens zu verſchlieſſen. Joſef be-
muͤhete ſich unterdeſſen ſie zu ergetzen/ ſo viel als er kon-
te. Auch beſuchte ſie der Ertzbiſchof/ ihr Vater/ faſt al-
le tage. Mit dem fuͤhrete Joſef viel reden/ die den
wahren Gottesdienſt betrafen. Unter andern eroͤfnete
er ihm auch den Nahmen Gottes/ Jehovah: welchen
Er ſelbſt ſeinem Obergroßvater dem Abraham zum
allererſten geoffenbahret. Darneben erklaͤhrete er deſ-
ſelben ſin und eigendlichen verſtand. Dieſes gefiel dem
Ertzbiſchoffe ſo wohl/ daß er in das Heliopelſche Goͤ-
tzenhaus der Sonne von ſtunden an dieſe worte mit
guͤldenen buchſtaben/ in Egiptiſcher ſprache/ ſchreiben
lies: Ich bin/ der da war/ der da iſt/ und der da
ſein wird: meine dekke hat niemand iemahls
aufgedekt.
Auch warden ſie nachmahls in die mei-
ſten Egiptiſchen Goͤtzenheuſer gleichesfals geſchrieben.
Ja ſelbſt uͤber der Weisheit Goͤtzenbilde/ welches an-
ders nicht/ als die Iſis oder Aſſenat ſelbſten/ ſein ſol-
te/ laſe man/ in ihrem Goͤtzenbaue zu Sais/ folgende
uͤberſchrift: Ich bin das algemeine Alles/ das ge-
weſen iſt/ das noch iſt/ und das zukuͤnftig ſein
wird: meine ſtrahldekke hat kein ſterblicher ie-
mahls aufgedekt.

Aſſenat ſelbſten/ welche nunmehr der Welt ſchon
abgeſtorben zu ſein ſchien/ hatte ihre ſonderliche luſt in
dergleichen geſpråchen. Faſt von nichts anders/ als

dem
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0325" n="301"/><fw place="top" type="header">&#x017F;iebendes Buch.</fw><lb/>
betahm/ daß &#x017F;ie gehen und &#x017F;tehen konte. Aber &#x017F;ich in die<lb/>
luft zu wagen/ weil es eben winterte/ wolten &#x017F;ie ihr<lb/>
nicht rahten. Daru&#x0364;m blieb &#x017F;ie noch acht tage bei dem<lb/>
Schwiegervater/ &#x017F;ich was mehr zu erhohlen. Auch er-<lb/>
hohlte &#x017F;ie &#x017F;ich/ und bekahm ihre kra&#x0364;fte zimlich wieder:<lb/>
aber ihre vorige blu&#x0364;hende farbe nicht. Die blieb au&#x017F;&#x017F;en/<lb/>
&#x017F;o lange &#x017F;ie lebete.</p><lb/>
        <p>Nach verflo&#x017F;&#x017F;enen acht tagen begab &#x017F;ie &#x017F;ich wieder auf<lb/>
ihre <hi rendition="#fr">Sonnenburg.</hi> Alda trug &#x017F;ie belieben die mei&#x017F;te<lb/>
zeit ihres u&#x0364;brigen lebens zu ver&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en. <hi rendition="#fr">Jo&#x017F;ef</hi> be-<lb/>
mu&#x0364;hete &#x017F;ich unterde&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie zu ergetzen/ &#x017F;o viel als er kon-<lb/>
te. Auch be&#x017F;uchte &#x017F;ie der Ertzbi&#x017F;chof/ ihr Vater/ fa&#x017F;t al-<lb/>
le tage. Mit dem fu&#x0364;hrete <hi rendition="#fr">Jo&#x017F;ef</hi> viel reden/ die den<lb/>
wahren Gottesdien&#x017F;t betrafen. Unter andern ero&#x0364;fnete<lb/>
er ihm auch den Nahmen Gottes/ <hi rendition="#fr">Jehovah:</hi> welchen<lb/>
Er &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;einem Obergroßvater dem <hi rendition="#fr">Abraham</hi> zum<lb/>
allerer&#x017F;ten geoffenbahret. Darneben erkla&#x0364;hrete er de&#x017F;-<lb/>
&#x017F;elben &#x017F;in und eigendlichen ver&#x017F;tand. Die&#x017F;es gefiel dem<lb/>
Ertzbi&#x017F;choffe &#x017F;o wohl/ daß er in das Heliopel&#x017F;che Go&#x0364;-<lb/>
tzenhaus der Sonne von &#x017F;tunden an die&#x017F;e worte mit<lb/>
gu&#x0364;ldenen buch&#x017F;taben/ in Egipti&#x017F;cher &#x017F;prache/ &#x017F;chreiben<lb/>
lies: <hi rendition="#fr">Ich bin/ der da war/ der da i&#x017F;t/ und der da<lb/>
&#x017F;ein wird: meine dekke hat niemand iemahls<lb/>
aufgedekt.</hi> Auch warden &#x017F;ie nachmahls in die mei-<lb/>
&#x017F;ten Egipti&#x017F;chen Go&#x0364;tzenheu&#x017F;er gleichesfals ge&#x017F;chrieben.<lb/>
Ja &#x017F;elb&#x017F;t u&#x0364;ber der Weisheit Go&#x0364;tzenbilde/ welches an-<lb/>
ders nicht/ als die <hi rendition="#fr">I&#x017F;is</hi> oder <hi rendition="#fr">A&#x017F;&#x017F;enat</hi> &#x017F;elb&#x017F;ten/ &#x017F;ein &#x017F;ol-<lb/>
te/ la&#x017F;e man/ in ihrem Go&#x0364;tzenbaue zu <hi rendition="#fr">Sais/</hi> folgende<lb/>
u&#x0364;ber&#x017F;chrift: <hi rendition="#fr">Ich bin das algemeine Alles/ das ge-<lb/>
we&#x017F;en i&#x017F;t/ das noch i&#x017F;t/ und das zuku&#x0364;nftig &#x017F;ein<lb/>
wird: meine &#x017F;trahldekke hat kein &#x017F;terblicher ie-<lb/>
mahls aufgedekt.</hi></p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">A&#x017F;&#x017F;enat</hi> &#x017F;elb&#x017F;ten/ welche nunmehr der Welt &#x017F;chon<lb/>
abge&#x017F;torben zu &#x017F;ein &#x017F;chien/ hatte ihre &#x017F;onderliche lu&#x017F;t in<lb/>
dergleichen ge&#x017F;pråchen. Fa&#x017F;t von nichts anders/ als<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">dem</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[301/0325] ſiebendes Buch. betahm/ daß ſie gehen und ſtehen konte. Aber ſich in die luft zu wagen/ weil es eben winterte/ wolten ſie ihr nicht rahten. Daruͤm blieb ſie noch acht tage bei dem Schwiegervater/ ſich was mehr zu erhohlen. Auch er- hohlte ſie ſich/ und bekahm ihre kraͤfte zimlich wieder: aber ihre vorige bluͤhende farbe nicht. Die blieb auſſen/ ſo lange ſie lebete. Nach verfloſſenen acht tagen begab ſie ſich wieder auf ihre Sonnenburg. Alda trug ſie belieben die meiſte zeit ihres uͤbrigen lebens zu verſchlieſſen. Joſef be- muͤhete ſich unterdeſſen ſie zu ergetzen/ ſo viel als er kon- te. Auch beſuchte ſie der Ertzbiſchof/ ihr Vater/ faſt al- le tage. Mit dem fuͤhrete Joſef viel reden/ die den wahren Gottesdienſt betrafen. Unter andern eroͤfnete er ihm auch den Nahmen Gottes/ Jehovah: welchen Er ſelbſt ſeinem Obergroßvater dem Abraham zum allererſten geoffenbahret. Darneben erklaͤhrete er deſ- ſelben ſin und eigendlichen verſtand. Dieſes gefiel dem Ertzbiſchoffe ſo wohl/ daß er in das Heliopelſche Goͤ- tzenhaus der Sonne von ſtunden an dieſe worte mit guͤldenen buchſtaben/ in Egiptiſcher ſprache/ ſchreiben lies: Ich bin/ der da war/ der da iſt/ und der da ſein wird: meine dekke hat niemand iemahls aufgedekt. Auch warden ſie nachmahls in die mei- ſten Egiptiſchen Goͤtzenheuſer gleichesfals geſchrieben. Ja ſelbſt uͤber der Weisheit Goͤtzenbilde/ welches an- ders nicht/ als die Iſis oder Aſſenat ſelbſten/ ſein ſol- te/ laſe man/ in ihrem Goͤtzenbaue zu Sais/ folgende uͤberſchrift: Ich bin das algemeine Alles/ das ge- weſen iſt/ das noch iſt/ und das zukuͤnftig ſein wird: meine ſtrahldekke hat kein ſterblicher ie- mahls aufgedekt. Aſſenat ſelbſten/ welche nunmehr der Welt ſchon abgeſtorben zu ſein ſchien/ hatte ihre ſonderliche luſt in dergleichen geſpråchen. Faſt von nichts anders/ als dem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/325
Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/325>, abgerufen am 21.12.2024.