Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.Der Assenat sondern auch alle schönste schönheiten seiner Groß- undVorgroßmütter/ so wohl von der Mutter/ als des Va- ters seiten zusammengesamlet/ und dem einigen Josef mitgeteilet/ ein gantz volkommenes meisterstükke der al- lerschönsten schönheit herfür zu bringen. Fast eben auf diesen schlag verfuhr nach der zeit Apelles/ als er das Götzenbild der Schönheit und Liebe volkömlich schön zu mahlen gesonnen. Er erwehlete aus allen Krotonischen Jungfrauen die allerschönsten zu einem so fürtreflichen kunststükke. Von einer ieden nahm er die schönste schönheit/ die an ihr vor andern zu finden. Alle diese schönste schönheiten brachte er zusammen/ und bildete sie ab in dem einigen bilde. Und daher war die- ses bild oder gemälde so überaus schön/ daß es mehr durch eine göttliche/ als menschliche hand entworfen zu sein schien. Als nun der tag der nacht zu weichen/ und die Son- dem
Der Aſſenat ſondern auch alle ſchoͤnſte ſchoͤnheiten ſeiner Groß- undVorgroßmuͤtter/ ſo wohl von der Mutter/ als des Va- ters ſeiten zuſammengeſamlet/ und dem einigen Joſef mitgeteilet/ ein gantz volkommenes meiſterſtuͤkke der al- lerſchoͤnſten ſchoͤnheit herfuͤr zu bringen. Faſt eben auf dieſen ſchlag verfuhr nach der zeit Apelles/ als er das Goͤtzenbild der Schoͤnheit und Liebe volkoͤmlich ſchoͤn zu mahlen geſonnen. Er erwehlete aus allen Krotoniſchen Jungfrauen die allerſchoͤnſten zu einem ſo fuͤrtreflichen kunſtſtuͤkke. Von einer ieden nahm er die ſchoͤnſte ſchoͤnheit/ die an ihr vor andern zu finden. Alle dieſe ſchoͤnſte ſchoͤnheiten brachte er zuſammen/ und bildete ſie ab in dem einigen bilde. Und daher war die- ſes bild oder gemaͤlde ſo uͤberaus ſchoͤn/ daß es mehr durch eine goͤttliche/ als menſchliche hand entworfen zu ſein ſchien. Als nun der tag der nacht zu weichen/ und die Son- dem
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0032" n="8"/><fw place="top" type="header">Der Aſſenat</fw><lb/> ſondern auch alle ſchoͤnſte ſchoͤnheiten ſeiner Groß- und<lb/> Vorgroßmuͤtter/ ſo wohl von der Mutter/ als des Va-<lb/> ters ſeiten zuſammengeſamlet/ und dem einigen <hi rendition="#fr">Joſef</hi><lb/> mitgeteilet/ ein gantz volkommenes meiſterſtuͤkke der al-<lb/> lerſchoͤnſten ſchoͤnheit herfuͤr zu bringen. Faſt eben auf<lb/> dieſen ſchlag verfuhr nach der zeit <hi rendition="#fr">Apelles/</hi> als er das<lb/><hi rendition="#fr">Goͤtzenbild der Schoͤnheit und Liebe</hi> volkoͤmlich<lb/> ſchoͤn zu mahlen geſonnen. Er erwehlete aus allen<lb/> Krotoniſchen Jungfrauen die allerſchoͤnſten zu einem<lb/> ſo fuͤrtreflichen kunſtſtuͤkke. Von einer ieden nahm er<lb/> die ſchoͤnſte ſchoͤnheit/ die an ihr vor andern zu finden.<lb/> Alle dieſe ſchoͤnſte ſchoͤnheiten brachte er zuſammen/ und<lb/> bildete ſie ab in dem einigen bilde. <hi rendition="#fr">U</hi>nd daher war die-<lb/> ſes bild oder gemaͤlde ſo uͤberaus ſchoͤn/ daß es mehr<lb/> durch eine goͤttliche/ als menſchliche hand entworfen zu<lb/> ſein ſchien.</p><lb/> <p>Als nun der tag der nacht zu weichen/ und die Son-<lb/> ne dem Mohne das gebiet uͤber die oberſte helfte der erd-<lb/> kugel ein zu reumen begunte; da begab ſich <hi rendition="#fr">Joſef/</hi> mehr<lb/> vom ſchwermuhte/ als von der reiſe ermuͤdet/ ungegeſ-<lb/> ſen zur nachtruhe. Aber es war uͤmſonſt/ daß er zu ru-<lb/> hen gedachte. Es war vergebens/ daß er zu ſchlafen<lb/> vermeinte. Hier war weder ruhe/ noch ſchlaf zu finden.<lb/> Seine gedanken ſchweiften von einem orte zum an-<lb/> dern. Doch nirgend hielten ſie ſich laͤnger auf/ als bei<lb/> ſeinem Vater: deſſen bekuͤmmernuͤs ihn weit mehr be-<lb/> kuͤmmerte/ als ſein eigenes ungluͤk. Ach! ſprach er/<lb/> wan ich nur meinem Vater/ meinem lieben Vater die<lb/> unruhe ſeines hertzens benehmen koͤnte; ſo wolte ich al-<lb/> les meines elendes gern vergeſſen. Aber hier iſt kein<lb/> raht. Mein ungluͤk/ das uns beide voneinander geriſ-<lb/> ſen/ gehet ihn ſo wohl an/ als mich. Was ich leide/ das<lb/> fuͤhlet er. Was ich fuͤhle/ das druͤkket ihn/ das ſchmer-<lb/> tzet ihn/ das kraͤnket ihn. <hi rendition="#fr">U</hi>nd was noch das ſchlim-<lb/> meſte iſt/ ich ſehe deſſen kein ende. Morgen werde ich<lb/> <fw place="bottom" type="catch">dem</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [8/0032]
Der Aſſenat
ſondern auch alle ſchoͤnſte ſchoͤnheiten ſeiner Groß- und
Vorgroßmuͤtter/ ſo wohl von der Mutter/ als des Va-
ters ſeiten zuſammengeſamlet/ und dem einigen Joſef
mitgeteilet/ ein gantz volkommenes meiſterſtuͤkke der al-
lerſchoͤnſten ſchoͤnheit herfuͤr zu bringen. Faſt eben auf
dieſen ſchlag verfuhr nach der zeit Apelles/ als er das
Goͤtzenbild der Schoͤnheit und Liebe volkoͤmlich
ſchoͤn zu mahlen geſonnen. Er erwehlete aus allen
Krotoniſchen Jungfrauen die allerſchoͤnſten zu einem
ſo fuͤrtreflichen kunſtſtuͤkke. Von einer ieden nahm er
die ſchoͤnſte ſchoͤnheit/ die an ihr vor andern zu finden.
Alle dieſe ſchoͤnſte ſchoͤnheiten brachte er zuſammen/ und
bildete ſie ab in dem einigen bilde. Und daher war die-
ſes bild oder gemaͤlde ſo uͤberaus ſchoͤn/ daß es mehr
durch eine goͤttliche/ als menſchliche hand entworfen zu
ſein ſchien.
Als nun der tag der nacht zu weichen/ und die Son-
ne dem Mohne das gebiet uͤber die oberſte helfte der erd-
kugel ein zu reumen begunte; da begab ſich Joſef/ mehr
vom ſchwermuhte/ als von der reiſe ermuͤdet/ ungegeſ-
ſen zur nachtruhe. Aber es war uͤmſonſt/ daß er zu ru-
hen gedachte. Es war vergebens/ daß er zu ſchlafen
vermeinte. Hier war weder ruhe/ noch ſchlaf zu finden.
Seine gedanken ſchweiften von einem orte zum an-
dern. Doch nirgend hielten ſie ſich laͤnger auf/ als bei
ſeinem Vater: deſſen bekuͤmmernuͤs ihn weit mehr be-
kuͤmmerte/ als ſein eigenes ungluͤk. Ach! ſprach er/
wan ich nur meinem Vater/ meinem lieben Vater die
unruhe ſeines hertzens benehmen koͤnte; ſo wolte ich al-
les meines elendes gern vergeſſen. Aber hier iſt kein
raht. Mein ungluͤk/ das uns beide voneinander geriſ-
ſen/ gehet ihn ſo wohl an/ als mich. Was ich leide/ das
fuͤhlet er. Was ich fuͤhle/ das druͤkket ihn/ das ſchmer-
tzet ihn/ das kraͤnket ihn. Und was noch das ſchlim-
meſte iſt/ ich ſehe deſſen kein ende. Morgen werde ich
dem
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |