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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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sechstes Buch.
königlichen Vater. Dem erzehlete man die gantze be-
gäbnüs. Der König strafte die sache nicht. Er dankte
ihnen vielmehr/ daß sie seines Sohnes geschohnet/ und
ihn nicht gar todt geschlagen. Gleichwohl starb er auf
den dritten tag darnach.

Dieser tod des Königlichen Fürstens ging dem Kö-
niglichen Vater so zu hertzen/ daß er ihm in kurtzer zeit
folgete. Neun und neuntzig jahr alt war er/ da er starb.
Sein Reich befahl er dem Josef: welcher eben zwölf
jahr Schaltkönig gewesen. Dan sein zweiter Königli-
cher Sohn und künftiger Nachsas/ den ihm Gott in sei-
nem hohen alter gegeben/ lag itzund noch an seiner Mut-
ter brust. An dessen stat solte Josef so lange herschen/
bis er die jahre erreichet gekröhnet zu werden. Dieses
verrichtete er auch so treulich/ daß man ihn/ durch das
gantze Egipten/ anders nicht nennete/ als den Vater
des jungen Königes. Ja er wolte rechtschaffen dank-
bar sein/ vor die überschwängliche gunst/ die ihm der
alte König Nefrem erwiesen. Darüm lies er ihm auch
vor der stadt Memfis/ eine prächtige Grabspitze bauen.
Kaum war Nefrem verblichen/ als er hierzu schon
anstalt machte. Straks warden die steine gehauen/ und
herzu geführet. Fast das gantze Egipten muste helfen.
Auch war iederman willig. Keinen antreiber hatte
man nöhtig. Niemand wolte der letzte sein/ mit eigener
hand seinem Könige die letzte schuldigkeit abzustatten.
Frisch ging der bau fort. Noch zwei jahre währete der
hunger: und fast so lange der stilstand des akkerbaues.
Darüm ward solcher bau in so kurtzer zeit weiter ge-
bracht/ als man sonst in zwölf jahren tuhn können.
Dan als der miswachs aufhörete/ stund er meist in sei-
nem vollen wesen.

Nunmehr besänftigte sich der zorn des Himmels.
Seine ruhte verschwand. Die misjahre lieffen zum en-
de. Seine vorige ahrt nahm der Niel wieder an. Bis-

her
T iiij

ſechſtes Buch.
koͤniglichen Vater. Dem erzehlete man die gantze be-
gaͤbnuͤs. Der Koͤnig ſtrafte die ſache nicht. Er dankte
ihnen vielmehr/ daß ſie ſeines Sohnes geſchohnet/ und
ihn nicht gar todt geſchlagen. Gleichwohl ſtarb er auf
den dritten tag darnach.

Dieſer tod des Koͤniglichen Fuͤrſtens ging dem Koͤ-
niglichen Vater ſo zu hertzen/ daß er ihm in kurtzer zeit
folgete. Neun und neuntzig jahr alt war er/ da er ſtarb.
Sein Reich befahl er dem Joſef: welcher eben zwoͤlf
jahr Schaltkoͤnig geweſen. Dan ſein zweiter Koͤnigli-
cher Sohn und kuͤnftiger Nachſas/ den ihm Gott in ſei-
nem hohen alter gegeben/ lag itzund noch an ſeiner Mut-
ter bruſt. An deſſen ſtat ſolte Joſef ſo lange herſchen/
bis er die jahre erreichet gekroͤhnet zu werden. Dieſes
verrichtete er auch ſo treulich/ daß man ihn/ durch das
gantze Egipten/ anders nicht nennete/ als den Vater
des jungen Koͤniges. Ja er wolte rechtſchaffen dank-
bar ſein/ vor die uͤberſchwaͤngliche gunſt/ die ihm der
alte Koͤnig Nefrem erwieſen. Daruͤm lies er ihm auch
vor der ſtadt Memfis/ eine praͤchtige Grabſpitze bauen.
Kaum war Nefrem verblichen/ als er hierzu ſchon
anſtalt machte. Straks warden die ſteine gehauen/ und
herzu gefuͤhret. Faſt das gantze Egipten muſte helfen.
Auch war iederman willig. Keinen antreiber hatte
man noͤhtig. Niemand wolte der letzte ſein/ mit eigener
hand ſeinem Koͤnige die letzte ſchuldigkeit abzuſtatten.
Friſch ging der bau fort. Noch zwei jahre waͤhrete der
hunger: und faſt ſo lange der ſtilſtand des akkerbaues.
Daruͤm ward ſolcher bau in ſo kurtzer zeit weiter ge-
bracht/ als man ſonſt in zwoͤlf jahren tuhn koͤnnen.
Dan als der miswachs aufhoͤrete/ ſtund er meiſt in ſei-
nem vollen weſen.

Nunmehr beſaͤnftigte ſich der zorn des Himmels.
Seine ruhte verſchwand. Die misjahre lieffen zum en-
de. Seine vorige ahrt nahm der Niel wieder an. Bis-

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[295/0319] ſechſtes Buch. koͤniglichen Vater. Dem erzehlete man die gantze be- gaͤbnuͤs. Der Koͤnig ſtrafte die ſache nicht. Er dankte ihnen vielmehr/ daß ſie ſeines Sohnes geſchohnet/ und ihn nicht gar todt geſchlagen. Gleichwohl ſtarb er auf den dritten tag darnach. Dieſer tod des Koͤniglichen Fuͤrſtens ging dem Koͤ- niglichen Vater ſo zu hertzen/ daß er ihm in kurtzer zeit folgete. Neun und neuntzig jahr alt war er/ da er ſtarb. Sein Reich befahl er dem Joſef: welcher eben zwoͤlf jahr Schaltkoͤnig geweſen. Dan ſein zweiter Koͤnigli- cher Sohn und kuͤnftiger Nachſas/ den ihm Gott in ſei- nem hohen alter gegeben/ lag itzund noch an ſeiner Mut- ter bruſt. An deſſen ſtat ſolte Joſef ſo lange herſchen/ bis er die jahre erreichet gekroͤhnet zu werden. Dieſes verrichtete er auch ſo treulich/ daß man ihn/ durch das gantze Egipten/ anders nicht nennete/ als den Vater des jungen Koͤniges. Ja er wolte rechtſchaffen dank- bar ſein/ vor die uͤberſchwaͤngliche gunſt/ die ihm der alte Koͤnig Nefrem erwieſen. Daruͤm lies er ihm auch vor der ſtadt Memfis/ eine praͤchtige Grabſpitze bauen. Kaum war Nefrem verblichen/ als er hierzu ſchon anſtalt machte. Straks warden die ſteine gehauen/ und herzu gefuͤhret. Faſt das gantze Egipten muſte helfen. Auch war iederman willig. Keinen antreiber hatte man noͤhtig. Niemand wolte der letzte ſein/ mit eigener hand ſeinem Koͤnige die letzte ſchuldigkeit abzuſtatten. Friſch ging der bau fort. Noch zwei jahre waͤhrete der hunger: und faſt ſo lange der ſtilſtand des akkerbaues. Daruͤm ward ſolcher bau in ſo kurtzer zeit weiter ge- bracht/ als man ſonſt in zwoͤlf jahren tuhn koͤnnen. Dan als der miswachs aufhoͤrete/ ſtund er meiſt in ſei- nem vollen weſen. Nunmehr beſaͤnftigte ſich der zorn des Himmels. Seine ruhte verſchwand. Die misjahre lieffen zum en- de. Seine vorige ahrt nahm der Niel wieder an. Bis- her T iiij

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/319>, abgerufen am 11.05.2024.