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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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Der Assenat
gantze Egipten stehet euch offen. Laßt sie im besten
lande wohnen. Laßt sie wohnen im lande Gessen. Wan
auch leute unter ihnen zu finden/ die ihr wisset/ daß sie
tüchtig seind; so setzt sie über mein Vieh.

Endlich brachte Josef ebenmäßig seinen Vater hin-
ein/ und stellete ihn vor den König. Den seegnete Ja-
kob.
Der König aber/ welcher über sein hohes/ und
zugleich geruhiges alter verwundert war/ fragte ihn:
wie alt er sei? Der Ertzvater antwortete: der jahre mei-
ner walfahrt seind hundert und dreissig. Wenig und
böse ist die zeit meines lebens/ und langet nicht an die
zeit meiner Väter/ in ihrer walfahrt. Nach etlichen
wenigen reden mehr seegnete Jakob den König aber-
mahl/ und nahm seinen abtrit. Josef aber verschafte
seinen Brüdern wohnungen am besten orte des landes:
nähmlich üm Heliopel herüm; wie der König befoh-
len. Ja er versorgete seinen Vater/ und sein gantzes
Haus. Er versorgete seine Brüder/ nachdem ein ieder
kinder hatte.

Eben damahls ward die Teurung in allen ländern
rund herüm ie länger ie grösser. Nirgend war broht zu
finden. Egipten und Kanaan verschmachteten vor
hunger. Im ersten und itzt verflossenem zweiten mis-
jahre hatte Josef/ durch den verkauf des getreides/ al-
les gemüntzte gold und silber aus Egipten und Ka-
naan
zusammengebracht. Nun ging es an das silber-
werk. Nun brachte man dem Josef alle silberne und
güldene geschirre. Alle ringe/ alle edele steine/ alle schatz-
stükke musten herhalten: ja alles was seltzam und köst-
lich war. In der wohlfeilen zeit hatte der Schaltkönig/
zum einkauffe des getreides/ vier Einhörner aus der kö-
niglichen kunstkammer zu gelde gemacht. Aber ehe vier
hungers jahre verlieffen/ waren derer zwölfe vor han-
den. Ja er lösete vor Korn/ in den ersten drei teuren
jahren/ hundert mahl mehr wieder ein/ als er in den vo-

rigen

Der Aſſenat
gantze Egipten ſtehet euch offen. Laßt ſie im beſten
lande wohnen. Laßt ſie wohnen im lande Geſſen. Wan
auch leute unter ihnen zu finden/ die ihr wiſſet/ daß ſie
tuͤchtig ſeind; ſo ſetzt ſie uͤber mein Vieh.

Endlich brachte Joſef ebenmaͤßig ſeinen Vater hin-
ein/ und ſtellete ihn vor den Koͤnig. Den ſeegnete Ja-
kob.
Der Koͤnig aber/ welcher uͤber ſein hohes/ und
zugleich geruhiges alter verwundert war/ fragte ihn:
wie alt er ſei? Der Ertzvater antwortete: der jahre mei-
ner walfahrt ſeind hundert und dreiſſig. Wenig und
boͤſe iſt die zeit meines lebens/ und langet nicht an die
zeit meiner Vaͤter/ in ihrer walfahrt. Nach etlichen
wenigen reden mehr ſeegnete Jakob den Koͤnig aber-
mahl/ und nahm ſeinen abtrit. Joſef aber verſchafte
ſeinen Bruͤdern wohnungen am beſten orte des landes:
naͤhmlich uͤm Heliopel heruͤm; wie der Koͤnig befoh-
len. Ja er verſorgete ſeinen Vater/ und ſein gantzes
Haus. Er verſorgete ſeine Bruͤder/ nachdem ein ieder
kinder hatte.

Eben damahls ward die Teurung in allen laͤndern
rund heruͤm ie laͤnger ie groͤſſer. Nirgend war broht zu
finden. Egipten und Kanaan verſchmachteten vor
hunger. Im erſten und itzt verfloſſenem zweiten mis-
jahre hatte Joſef/ durch den verkauf des getreides/ al-
les gemuͤntzte gold und ſilber aus Egipten und Ka-
naan
zuſammengebracht. Nun ging es an das ſilber-
werk. Nun brachte man dem Joſef alle ſilberne und
guͤldene geſchirre. Alle ringe/ alle edele ſteine/ alle ſchatz-
ſtuͤkke muſten herhalten: ja alles was ſeltzam und koͤſt-
lich war. In der wohlfeilen zeit hatte der Schaltkoͤnig/
zum einkauffe des getreides/ vier Einhoͤrner aus der koͤ-
niglichen kunſtkammer zu gelde gemacht. Aber ehe vier
hungers jahre verlieffen/ waren derer zwoͤlfe vor han-
den. Ja er loͤſete vor Korn/ in den erſten drei teuren
jahren/ hundert mahl mehr wieder ein/ als er in den vo-

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[286/0310] Der Aſſenat gantze Egipten ſtehet euch offen. Laßt ſie im beſten lande wohnen. Laßt ſie wohnen im lande Geſſen. Wan auch leute unter ihnen zu finden/ die ihr wiſſet/ daß ſie tuͤchtig ſeind; ſo ſetzt ſie uͤber mein Vieh. Endlich brachte Joſef ebenmaͤßig ſeinen Vater hin- ein/ und ſtellete ihn vor den Koͤnig. Den ſeegnete Ja- kob. Der Koͤnig aber/ welcher uͤber ſein hohes/ und zugleich geruhiges alter verwundert war/ fragte ihn: wie alt er ſei? Der Ertzvater antwortete: der jahre mei- ner walfahrt ſeind hundert und dreiſſig. Wenig und boͤſe iſt die zeit meines lebens/ und langet nicht an die zeit meiner Vaͤter/ in ihrer walfahrt. Nach etlichen wenigen reden mehr ſeegnete Jakob den Koͤnig aber- mahl/ und nahm ſeinen abtrit. Joſef aber verſchafte ſeinen Bruͤdern wohnungen am beſten orte des landes: naͤhmlich uͤm Heliopel heruͤm; wie der Koͤnig befoh- len. Ja er verſorgete ſeinen Vater/ und ſein gantzes Haus. Er verſorgete ſeine Bruͤder/ nachdem ein ieder kinder hatte. Eben damahls ward die Teurung in allen laͤndern rund heruͤm ie laͤnger ie groͤſſer. Nirgend war broht zu finden. Egipten und Kanaan verſchmachteten vor hunger. Im erſten und itzt verfloſſenem zweiten mis- jahre hatte Joſef/ durch den verkauf des getreides/ al- les gemuͤntzte gold und ſilber aus Egipten und Ka- naan zuſammengebracht. Nun ging es an das ſilber- werk. Nun brachte man dem Joſef alle ſilberne und guͤldene geſchirre. Alle ringe/ alle edele ſteine/ alle ſchatz- ſtuͤkke muſten herhalten: ja alles was ſeltzam und koͤſt- lich war. In der wohlfeilen zeit hatte der Schaltkoͤnig/ zum einkauffe des getreides/ vier Einhoͤrner aus der koͤ- niglichen kunſtkammer zu gelde gemacht. Aber ehe vier hungers jahre verlieffen/ waren derer zwoͤlfe vor han- den. Ja er loͤſete vor Korn/ in den erſten drei teuren jahren/ hundert mahl mehr wieder ein/ als er in den vo- rigen

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/310>, abgerufen am 12.05.2024.