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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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sechstes Buch.
selben betrügen/ der den geist der unsterblichen Götter
besitzet? Dürft ihr wol so kühne sein/ mich zu überzeu-
gen/ daß ich irre? Dürft ihr wohl leugnen/ was euch so
deutlich vor euren stirnen stehet? Ich sage noch/ und
darbei bleibt es/ daß ihr ein greßes schelmenstükke ent-
weder schon begangen/ oder zu begehen im sinne habet.

Hierauf gab ihnen der Tahl metscher auch vor sich zu
verstehen: daß der Schaltkönig die wahrheit redete.
Dan/ sagte er/ wisset ihr nicht mehr/ daß ihr vor zwan-
zig jahren einer Arabischen Gespanschaft einen schönen
Jüngling verkauftet? Ich selbst war mit bei dem kauf-
fe. Ich weis es alles noch sehr wohl. Auch seind mir
eure gesichter nicht unbekant. Hieraus allein mus ich
gleuben/ daß ihr Verrähter/ oder zum wenigsten Men-
schendiebe seid. Darüm hat man sich freilich vor euch
wohl zu hühten. Ja darüm kan ich nicht vorbei/ sol-
ches meinem Herrn anzuzeigen. Dieser Tahlmetscher
war eben derselbe Musai/ dessen wir droben gedacht.
Er war derselbe/ der gemelter Gespanschaft hauptman
gewesen. Er war derselbe/ der den Josef kauffen/ und
wieder verkauffen helfen. Und durch einen sonderlichen
glüksfal war er schon vor etlichen jahren zum Schalt-
könige gelanget. Dem dienete er nicht allein als ein
Haushalter/ sondern auch als ein Tahlmetscher; weil
er vielerhand sprachen kündig.

Auf diese reden erblasseten sie alle. Kein glied befand
sich an ihrem leibe/ das nicht zitterte. Die taht war da.
Sie konten es nicht leugnen: wiewohl Ruben mit ei-
nem schwuhre beteuerte/ daß er weder den Musai/
noch die Gespanschaft iemahls gesehen. Josef aber re-
dete weiter: wolt ihr leben/ sagte er/ so tuht/ was ich
euch befehle. Seid ihr redlich/ so laßt einen von euch in
eurem gefängnüsse liegen. Die andern können hinzie-
hen/ und heimführen/ was man euch verkauffen wird.
Aber euren jüngsten Bruder bringet zu mir. Dan wil

ich

ſechſtes Buch.
ſelben betruͤgen/ der den geiſt der unſterblichen Goͤtter
beſitzet? Duͤrft ihr wol ſo kuͤhne ſein/ mich zu uͤberzeu-
gen/ daß ich irre? Duͤrft ihr wohl leugnen/ was euch ſo
deutlich vor euren ſtirnen ſtehet? Ich ſage noch/ und
darbei bleibt es/ daß ihr ein greßes ſchelmenſtuͤkke ent-
weder ſchon begangen/ oder zu begehen im ſinne habet.

Hierauf gab ihnen der Tahl metſcher auch vor ſich zu
verſtehen: daß der Schaltkoͤnig die wahrheit redete.
Dan/ ſagte er/ wiſſet ihr nicht mehr/ daß ihr vor zwan-
zig jahren einer Arabiſchen Geſpanſchaft einen ſchoͤnen
Juͤngling verkauftet? Ich ſelbſt war mit bei dem kauf-
fe. Ich weis es alles noch ſehr wohl. Auch ſeind mir
eure geſichter nicht unbekant. Hieraus allein mus ich
gleuben/ daß ihr Verraͤhter/ oder zum wenigſten Men-
ſchendiebe ſeid. Daruͤm hat man ſich freilich vor euch
wohl zu huͤhten. Ja daruͤm kan ich nicht vorbei/ ſol-
ches meinem Herꝛn anzuzeigen. Dieſer Tahlmetſcher
war eben derſelbe Muſai/ deſſen wir droben gedacht.
Er war derſelbe/ der gemelter Geſpanſchaft hauptman
geweſen. Er war derſelbe/ der den Joſef kauffen/ und
wieder verkauffen helfen. Und durch einen ſonderlichen
gluͤksfal war er ſchon vor etlichen jahren zum Schalt-
koͤnige gelanget. Dem dienete er nicht allein als ein
Haushalter/ ſondern auch als ein Tahlmetſcher; weil
er vielerhand ſprachen kuͤndig.

Auf dieſe reden erblaſſeten ſie alle. Kein glied befand
ſich an ihrem leibe/ das nicht zitterte. Die taht war da.
Sie konten es nicht leugnen: wiewohl Ruben mit ei-
nem ſchwuhre beteuerte/ daß er weder den Muſai/
noch die Geſpanſchaft iemahls geſehen. Joſef aber re-
dete weiter: wolt ihr leben/ ſagte er/ ſo tuht/ was ich
euch befehle. Seid ihr redlich/ ſo laßt einen von euch in
eurem gefaͤngnuͤſſe liegen. Die andern koͤnnen hinzie-
hen/ und heimfuͤhren/ was man euch verkauffen wird.
Aber euren juͤngſten Bruder bringet zu mir. Dan wil

ich
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[269/0293] ſechſtes Buch. ſelben betruͤgen/ der den geiſt der unſterblichen Goͤtter beſitzet? Duͤrft ihr wol ſo kuͤhne ſein/ mich zu uͤberzeu- gen/ daß ich irre? Duͤrft ihr wohl leugnen/ was euch ſo deutlich vor euren ſtirnen ſtehet? Ich ſage noch/ und darbei bleibt es/ daß ihr ein greßes ſchelmenſtuͤkke ent- weder ſchon begangen/ oder zu begehen im ſinne habet. Hierauf gab ihnen der Tahl metſcher auch vor ſich zu verſtehen: daß der Schaltkoͤnig die wahrheit redete. Dan/ ſagte er/ wiſſet ihr nicht mehr/ daß ihr vor zwan- zig jahren einer Arabiſchen Geſpanſchaft einen ſchoͤnen Juͤngling verkauftet? Ich ſelbſt war mit bei dem kauf- fe. Ich weis es alles noch ſehr wohl. Auch ſeind mir eure geſichter nicht unbekant. Hieraus allein mus ich gleuben/ daß ihr Verraͤhter/ oder zum wenigſten Men- ſchendiebe ſeid. Daruͤm hat man ſich freilich vor euch wohl zu huͤhten. Ja daruͤm kan ich nicht vorbei/ ſol- ches meinem Herꝛn anzuzeigen. Dieſer Tahlmetſcher war eben derſelbe Muſai/ deſſen wir droben gedacht. Er war derſelbe/ der gemelter Geſpanſchaft hauptman geweſen. Er war derſelbe/ der den Joſef kauffen/ und wieder verkauffen helfen. Und durch einen ſonderlichen gluͤksfal war er ſchon vor etlichen jahren zum Schalt- koͤnige gelanget. Dem dienete er nicht allein als ein Haushalter/ ſondern auch als ein Tahlmetſcher; weil er vielerhand ſprachen kuͤndig. Auf dieſe reden erblaſſeten ſie alle. Kein glied befand ſich an ihrem leibe/ das nicht zitterte. Die taht war da. Sie konten es nicht leugnen: wiewohl Ruben mit ei- nem ſchwuhre beteuerte/ daß er weder den Muſai/ noch die Geſpanſchaft iemahls geſehen. Joſef aber re- dete weiter: wolt ihr leben/ ſagte er/ ſo tuht/ was ich euch befehle. Seid ihr redlich/ ſo laßt einen von euch in eurem gefaͤngnuͤſſe liegen. Die andern koͤnnen hinzie- hen/ und heimfuͤhren/ was man euch verkauffen wird. Aber euren juͤngſten Bruder bringet zu mir. Dan wil ich

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/293>, abgerufen am 30.12.2024.