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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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sechstes Buch.
Korn zu hohlen/ nach Egipten. Und also verkaufte
Josef iederman getreide. Niemand zog leer weg. Al-
len fremdlingen ward geholfen. Man sahe niemand
an. Der Ausländer galt hier eben so viel/ als der
Egipter.

Auf einen morgen ward dem Schaltkönige/ da er
eben mit seinen Söhnen schertzte/ angedienet; daß ze-
hen Ebreer ihn zu sprechen begehrten. Das hertz pukte
dem Josef straks. Es sagte ihm von stunden an/ daß
es seine Brüder weren. Eilend täht er sein köstliches
stahtskleid an. In solchem königlichen schmukke traht
er in den Verhörsaal: da alles von golde/ perlen und
edelen steinen flinkerte. Eine große mänge diener beglei-
tete ihn. Einieder zog überaus prächtig auf. Und die-
ses alles geschahe darüm/ damit ihn seine Brüder nicht
kenneten. Hierauf befahl er sie einzuhohlen. Einer sei-
ner diener verrichtete diesen befehl. Ihre schuhe musten
sie ablösen. Und also brachte man sie baarfüßig vor den
Schaltkönig. Da ward ihnen gebohten/ auf das ant-
litz nieder zu fallen/ und ihn königlich zu ehren. Josef
sahe sie rund herüm an. Seine Treume fielen ihm ein.
Er kante sie straks. Aber er stellete sich gantz fremde.
Ja er redete sie sehr hart an. Woher komt ihr? fragte
er durch einen Kaldeischen Tahlmetscher. Sie antwor-
teten auf Kaldeisch: aus dem Lande Kanaan/ speise
zu kauffen. Ihr seid Kundschaffer/ fuhr er fort. Ihr
komt zu sehen/ wo das Reich offen ist. Nein/ mein
Herr/ antworteten sie abermahl. Seine knechte seind
kommen speise zu kauffen. Wir seind alle eines ehrli-
chen Mannes söhne. Wir seind redlich: und seine knech-
te seind nie Kundschaffer gewesen. Ihr seid freilich
Kundschaffer/ wiederhohlte er seine vorigen worte: ja
ihr kommet zu sehen/ wo das Reich offen stehet. Wir
seine knechte/ fuhren sie in ihrer antwort ferner fort/
seind zwölf brüder/ eines Mannes söhne im lande Ka-

naan:

ſechſtes Buch.
Korn zu hohlen/ nach Egipten. Und alſo verkaufte
Joſef iederman getreide. Niemand zog leer weg. Al-
len fremdlingen ward geholfen. Man ſahe niemand
an. Der Auslaͤnder galt hier eben ſo viel/ als der
Egipter.

Auf einen morgen ward dem Schaltkoͤnige/ da er
eben mit ſeinen Soͤhnen ſchertzte/ angedienet; daß ze-
hen Ebreer ihn zu ſprechen begehrten. Das hertz pukte
dem Joſef ſtraks. Es ſagte ihm von ſtunden an/ daß
es ſeine Bruͤder weren. Eilend taͤht er ſein koͤſtliches
ſtahtskleid an. In ſolchem koͤniglichen ſchmukke traht
er in den Verhoͤrſaal: da alles von golde/ perlen und
edelen ſteinen flinkerte. Eine große maͤnge diener beglei-
tete ihn. Einieder zog uͤberaus praͤchtig auf. Und die-
ſes alles geſchahe daruͤm/ damit ihn ſeine Bruͤder nicht
kenneten. Hierauf befahl er ſie einzuhohlen. Einer ſei-
ner diener verrichtete dieſen befehl. Ihre ſchuhe muſten
ſie abloͤſen. Und alſo brachte man ſie baarfuͤßig vor den
Schaltkoͤnig. Da ward ihnen gebohten/ auf das ant-
litz nieder zu fallen/ und ihn koͤniglich zu ehren. Joſef
ſahe ſie rund heruͤm an. Seine Treume fielen ihm ein.
Er kante ſie ſtraks. Aber er ſtellete ſich gantz fremde.
Ja er redete ſie ſehr hart an. Woher komt ihr? fragte
er durch einen Kaldeiſchen Tahlmetſcher. Sie antwor-
teten auf Kaldeiſch: aus dem Lande Kanaan/ ſpeiſe
zu kauffen. Ihr ſeid Kundſchaffer/ fuhr er fort. Ihr
komt zu ſehen/ wo das Reich offen iſt. Nein/ mein
Herꝛ/ antworteten ſie abermahl. Seine knechte ſeind
kommen ſpeiſe zu kauffen. Wir ſeind alle eines ehrli-
chen Mannes ſoͤhne. Wir ſeind redlich: und ſeine knech-
te ſeind nie Kundſchaffer geweſen. Ihr ſeid freilich
Kundſchaffer/ wiederhohlte er ſeine vorigen worte: ja
ihr kommet zu ſehen/ wo das Reich offen ſtehet. Wir
ſeine knechte/ fuhren ſie in ihrer antwort ferner fort/
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[267/0291] ſechſtes Buch. Korn zu hohlen/ nach Egipten. Und alſo verkaufte Joſef iederman getreide. Niemand zog leer weg. Al- len fremdlingen ward geholfen. Man ſahe niemand an. Der Auslaͤnder galt hier eben ſo viel/ als der Egipter. Auf einen morgen ward dem Schaltkoͤnige/ da er eben mit ſeinen Soͤhnen ſchertzte/ angedienet; daß ze- hen Ebreer ihn zu ſprechen begehrten. Das hertz pukte dem Joſef ſtraks. Es ſagte ihm von ſtunden an/ daß es ſeine Bruͤder weren. Eilend taͤht er ſein koͤſtliches ſtahtskleid an. In ſolchem koͤniglichen ſchmukke traht er in den Verhoͤrſaal: da alles von golde/ perlen und edelen ſteinen flinkerte. Eine große maͤnge diener beglei- tete ihn. Einieder zog uͤberaus praͤchtig auf. Und die- ſes alles geſchahe daruͤm/ damit ihn ſeine Bruͤder nicht kenneten. Hierauf befahl er ſie einzuhohlen. Einer ſei- ner diener verrichtete dieſen befehl. Ihre ſchuhe muſten ſie abloͤſen. Und alſo brachte man ſie baarfuͤßig vor den Schaltkoͤnig. Da ward ihnen gebohten/ auf das ant- litz nieder zu fallen/ und ihn koͤniglich zu ehren. Joſef ſahe ſie rund heruͤm an. Seine Treume fielen ihm ein. Er kante ſie ſtraks. Aber er ſtellete ſich gantz fremde. Ja er redete ſie ſehr hart an. Woher komt ihr? fragte er durch einen Kaldeiſchen Tahlmetſcher. Sie antwor- teten auf Kaldeiſch: aus dem Lande Kanaan/ ſpeiſe zu kauffen. Ihr ſeid Kundſchaffer/ fuhr er fort. Ihr komt zu ſehen/ wo das Reich offen iſt. Nein/ mein Herꝛ/ antworteten ſie abermahl. Seine knechte ſeind kommen ſpeiſe zu kauffen. Wir ſeind alle eines ehrli- chen Mannes ſoͤhne. Wir ſeind redlich: und ſeine knech- te ſeind nie Kundſchaffer geweſen. Ihr ſeid freilich Kundſchaffer/ wiederhohlte er ſeine vorigen worte: ja ihr kommet zu ſehen/ wo das Reich offen ſtehet. Wir ſeine knechte/ fuhren ſie in ihrer antwort ferner fort/ ſeind zwoͤlf bruͤder/ eines Mannes ſoͤhne im lande Ka- naan:

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/291>, abgerufen am 14.05.2024.