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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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Der Assenat
die kleinen kinder/ die noch nicht sprechen konten/ lal-
leten aus den fenstern. Ja das fröhliche zurufen hatte
alhier fast kein ende. Es währete noch/ als der Libi-
er
schon längst in der Burg war.

Dieser tag war der letzte des Schaltköniglichen Bei-
lagers. An diesem tage warden die Brautnahmen ver-
wechselt. Nun hörete Josef auf Breutigam genen-
net zu werden. Nun übergab er diesen Nahmen dem
Libier. Heute ward Assenat eine Fraue. Heute ward
Nitokris eine Braut. Also machte das ende des ei-
nen Beilagers den anfang zum andern. Die Königli-
che Fürst in ward dem Libier versprochen: das Ehver-
löbnüs geschlossen: der Trautag bestimmet; und den
neuen Breuten glükgewündschet. Und hiermit lief die-
ser tag mit vollen freuden zum ende.

Auf den Morgen entschlos sich der Schaltkönig
wieder eine reise zu tuhn. Er hatte vor seinem Beilager
zum bau etlicher Frucht- und Korn-heuser anordnung
getahn. Nun wolte er sehen/ wie das werk von statten
ginge. Etliche solten auf die weise der Feuer-spitzen ge-
bauet werden: andere nur schlechthin/ als gemeine ge-
beue. In diesen solte man das Korn von gegenwärti-
gem/ und den zwei nächstkünftigen reichen jahren auf-
schütten: in jenen die Früchte von den vier letzten; und
darbei das Futter vor das vieh zugleich auflegen. Am
dritten tage setzte er diese reise fort. Seine liebe Asse-
nat
war seine gefährtin. Wo er hin zog/ begleitete sie
ihn. Assenat konte ohne ihren Josef/ und Josef ohne
seine Assenat nicht sein: so lieb hatten sie einander.

Weil nun Josef sahe/ daß diese jahre sich so gar
überflüßig fruchtbar anliessen/ so nahm er nicht allein
den fünften teil aller früchte/ als des Königes teil/ vor-
weg; sondern er lies auch allen überflus vor bahres geld
einkauffen. Ja er geboht bei leibesstrafe/ daß nicht das
geringste/ was der Mensch geniessen könte/ vor das

Vieh

Der Aſſenat
die kleinen kinder/ die noch nicht ſprechen konten/ lal-
leten aus den fenſtern. Ja das froͤhliche zurufen hatte
alhier faſt kein ende. Es waͤhrete noch/ als der Libi-
er
ſchon laͤngſt in der Burg war.

Dieſer tag war der letzte des Schaltkoͤniglichen Bei-
lagers. An dieſem tage warden die Brautnahmen ver-
wechſelt. Nun hoͤrete Joſef auf Breutigam genen-
net zu werden. Nun uͤbergab er dieſen Nahmen dem
Libier. Heute ward Aſſenat eine Fraue. Heute ward
Nitokris eine Braut. Alſo machte das ende des ei-
nen Beilagers den anfang zum andern. Die Koͤnigli-
che Fuͤrſt in ward dem Libier verſprochen: das Ehver-
loͤbnuͤs geſchloſſen: der Trautag beſtimmet; und den
neuen Breuten gluͤkgewuͤndſchet. Und hiermit lief die-
ſer tag mit vollen freuden zum ende.

Auf den Morgen entſchlos ſich der Schaltkoͤnig
wieder eine reiſe zu tuhn. Er hatte vor ſeinem Beilager
zum bau etlicher Frucht- und Korn-heuſer anordnung
getahn. Nun wolte er ſehen/ wie das werk von ſtatten
ginge. Etliche ſolten auf die weiſe der Feuer-ſpitzen ge-
bauet werden: andere nur ſchlechthin/ als gemeine ge-
beue. In dieſen ſolte man das Korn von gegenwaͤrti-
gem/ und den zwei naͤchſtkuͤnftigen reichen jahren auf-
ſchuͤtten: in jenen die Fruͤchte von den vier letzten; und
darbei das Futter vor das vieh zugleich auflegen. Am
dritten tage ſetzte er dieſe reiſe fort. Seine liebe Aſſe-
nat
war ſeine gefaͤhrtin. Wo er hin zog/ begleitete ſie
ihn. Aſſenat konte ohne ihren Joſef/ und Joſef ohne
ſeine Aſſenat nicht ſein: ſo lieb hatten ſie einander.

Weil nun Joſef ſahe/ daß dieſe jahre ſich ſo gar
uͤberfluͤßig fruchtbar anlieſſen/ ſo nahm er nicht allein
den fuͤnften teil aller fruͤchte/ als des Koͤniges teil/ vor-
weg; ſondern er lies auch allen uͤberflus vor bahres geld
einkauffen. Ja er geboht bei leibesſtrafe/ daß nicht das
geringſte/ was der Menſch genieſſen koͤnte/ vor das

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[262/0286] Der Aſſenat die kleinen kinder/ die noch nicht ſprechen konten/ lal- leten aus den fenſtern. Ja das froͤhliche zurufen hatte alhier faſt kein ende. Es waͤhrete noch/ als der Libi- er ſchon laͤngſt in der Burg war. Dieſer tag war der letzte des Schaltkoͤniglichen Bei- lagers. An dieſem tage warden die Brautnahmen ver- wechſelt. Nun hoͤrete Joſef auf Breutigam genen- net zu werden. Nun uͤbergab er dieſen Nahmen dem Libier. Heute ward Aſſenat eine Fraue. Heute ward Nitokris eine Braut. Alſo machte das ende des ei- nen Beilagers den anfang zum andern. Die Koͤnigli- che Fuͤrſt in ward dem Libier verſprochen: das Ehver- loͤbnuͤs geſchloſſen: der Trautag beſtimmet; und den neuen Breuten gluͤkgewuͤndſchet. Und hiermit lief die- ſer tag mit vollen freuden zum ende. Auf den Morgen entſchlos ſich der Schaltkoͤnig wieder eine reiſe zu tuhn. Er hatte vor ſeinem Beilager zum bau etlicher Frucht- und Korn-heuſer anordnung getahn. Nun wolte er ſehen/ wie das werk von ſtatten ginge. Etliche ſolten auf die weiſe der Feuer-ſpitzen ge- bauet werden: andere nur ſchlechthin/ als gemeine ge- beue. In dieſen ſolte man das Korn von gegenwaͤrti- gem/ und den zwei naͤchſtkuͤnftigen reichen jahren auf- ſchuͤtten: in jenen die Fruͤchte von den vier letzten; und darbei das Futter vor das vieh zugleich auflegen. Am dritten tage ſetzte er dieſe reiſe fort. Seine liebe Aſſe- nat war ſeine gefaͤhrtin. Wo er hin zog/ begleitete ſie ihn. Aſſenat konte ohne ihren Joſef/ und Joſef ohne ſeine Aſſenat nicht ſein: ſo lieb hatten ſie einander. Weil nun Joſef ſahe/ daß dieſe jahre ſich ſo gar uͤberfluͤßig fruchtbar anlieſſen/ ſo nahm er nicht allein den fuͤnften teil aller fruͤchte/ als des Koͤniges teil/ vor- weg; ſondern er lies auch allen uͤberflus vor bahres geld einkauffen. Ja er geboht bei leibesſtrafe/ daß nicht das geringſte/ was der Menſch genieſſen koͤnte/ vor das Vieh

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/286>, abgerufen am 14.05.2024.