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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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Der Assenat

In zwischen trunk man dem Libischen Königlichem
Fürsten die gesundheit der Neugetrauten zu. Und hier-
mit ward alles rege. Die kunstsänger hatten bisher ge-
schwiegen; aber nun erhuben sie ihre stimmen. Die seiten-
spiele klungen darunter: und wan diese nachliessen/ er-
schalleten die trompeten. Hierdurch ward die freude
gleichsam wakker/ der geist zur lust ermuntert/ und die
gantze geselschaft fröhlich. Der Schaltkönig selbsten
war ihr vorgänger. Seine liebe Assenat half ihm ge-
treulich. Beide waren an diesem tage so lustig/ als sie
noch niemahls gewesen. Und hiermit zogen sie aller au-
gen auf sich. Jederman sahe dieses liebe/ dieses schö-
ne/ dieses fröhliche paar an: doch niemand mehr/ als
der Libische Fürst. Dieser konte sich über die Fürstliche
Braut nicht genug verwundern. Seine sonderliche lust
hatte er an ihren blikken/ die ihrem Breutigam so gar
lieblich begegneten. Ihr so gar holdseeliges wesen/ ihre
so gar anmuhtige gebährden/ ja ihre gantze so schöne
leibesgestalt betrachtete er mit sonderlicher aufmär-
kung. Er betrachtete alle ihre reden/ alle ihre worte;
davon nicht eines ohne sonderlichen nachdruk ausge-
sprochen ward. Aber nichts gefiel ihm an unserer Braut
so wohl/ als daß sie ihrem Breutigam so liebseelig zu
begegnen wuste. Und dadurch machte sie ihm den mund
wässericht. Dadurch mehrete sie sein verlangen/ der-
gleichen teilhaftig zu werden. Auch entschlos er sich
diesen augenblik/ straks auf den folgenden morgen sein
vorhaben zu volziehen. Und zu dem ende ersuchte er den
König/ im scheiden/ daß er ihm gegen künftigen tag ei-
ne stunde zu bestimmen belieben liesse; da er ihm in ge-
heim aufzuwarten gesonnen.

Weil nun der König hierzu den folgenden gantzen
vormittag benennet/ so befahl er auf den morgen sehr
früh alles färtig zu machen/ den Königlichen Fürsten
zu hohlen. Alle Herren/ und alle Höflinge/ die des vo-

ri-
Der Aſſenat

In zwiſchen trunk man dem Libiſchen Koͤniglichem
Fuͤrſten die geſundheit der Neugetrauten zu. Und hier-
mit ward alles rege. Die kunſtſaͤnger hatten bisher ge-
ſchwiegen; aber nun erhuben ſie ihre ſtimmen. Die ſeiten-
ſpiele klungen darunter: und wan dieſe nachlieſſen/ er-
ſchalleten die trompeten. Hierdurch ward die freude
gleichſam wakker/ der geiſt zur luſt ermuntert/ und die
gantze geſelſchaft froͤhlich. Der Schaltkoͤnig ſelbſten
war ihr vorgaͤnger. Seine liebe Aſſenat half ihm ge-
treulich. Beide waren an dieſem tage ſo luſtig/ als ſie
noch niemahls geweſen. Und hiermit zogen ſie aller au-
gen auf ſich. Jederman ſahe dieſes liebe/ dieſes ſchoͤ-
ne/ dieſes froͤhliche paar an: doch niemand mehr/ als
der Libiſche Fuͤrſt. Dieſer konte ſich uͤber die Fuͤrſtliche
Braut nicht genug verwundern. Seine ſonderliche luſt
hatte er an ihren blikken/ die ihrem Breutigam ſo gar
lieblich begegneten. Ihr ſo gar holdſeeliges weſen/ ihre
ſo gar anmuhtige gebaͤhrden/ ja ihre gantze ſo ſchoͤne
leibesgeſtalt betrachtete er mit ſonderlicher aufmaͤr-
kung. Er betrachtete alle ihre reden/ alle ihre worte;
davon nicht eines ohne ſonderlichen nachdruk ausge-
ſprochen ward. Aber nichts gefiel ihm an unſerer Braut
ſo wohl/ als daß ſie ihrem Breutigam ſo liebſeelig zu
begegnen wuſte. Und dadurch machte ſie ihm den mund
waͤſſericht. Dadurch mehrete ſie ſein verlangen/ der-
gleichen teilhaftig zu werden. Auch entſchlos er ſich
dieſen augenblik/ ſtraks auf den folgenden morgen ſein
vorhaben zu volziehen. Und zu dem ende erſuchte er den
Koͤnig/ im ſcheiden/ daß er ihm gegen kuͤnftigen tag ei-
ne ſtunde zu beſtimmen belieben lieſſe; da er ihm in ge-
heim aufzuwarten geſonnen.

Weil nun der Koͤnig hierzu den folgenden gantzen
vormittag benennet/ ſo befahl er auf den morgen ſehr
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zu hohlen. Alle Herren/ und alle Hoͤflinge/ die des vo-

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[254/0278] Der Aſſenat In zwiſchen trunk man dem Libiſchen Koͤniglichem Fuͤrſten die geſundheit der Neugetrauten zu. Und hier- mit ward alles rege. Die kunſtſaͤnger hatten bisher ge- ſchwiegen; aber nun erhuben ſie ihre ſtimmen. Die ſeiten- ſpiele klungen darunter: und wan dieſe nachlieſſen/ er- ſchalleten die trompeten. Hierdurch ward die freude gleichſam wakker/ der geiſt zur luſt ermuntert/ und die gantze geſelſchaft froͤhlich. Der Schaltkoͤnig ſelbſten war ihr vorgaͤnger. Seine liebe Aſſenat half ihm ge- treulich. Beide waren an dieſem tage ſo luſtig/ als ſie noch niemahls geweſen. Und hiermit zogen ſie aller au- gen auf ſich. Jederman ſahe dieſes liebe/ dieſes ſchoͤ- ne/ dieſes froͤhliche paar an: doch niemand mehr/ als der Libiſche Fuͤrſt. Dieſer konte ſich uͤber die Fuͤrſtliche Braut nicht genug verwundern. Seine ſonderliche luſt hatte er an ihren blikken/ die ihrem Breutigam ſo gar lieblich begegneten. Ihr ſo gar holdſeeliges weſen/ ihre ſo gar anmuhtige gebaͤhrden/ ja ihre gantze ſo ſchoͤne leibesgeſtalt betrachtete er mit ſonderlicher aufmaͤr- kung. Er betrachtete alle ihre reden/ alle ihre worte; davon nicht eines ohne ſonderlichen nachdruk ausge- ſprochen ward. Aber nichts gefiel ihm an unſerer Braut ſo wohl/ als daß ſie ihrem Breutigam ſo liebſeelig zu begegnen wuſte. Und dadurch machte ſie ihm den mund waͤſſericht. Dadurch mehrete ſie ſein verlangen/ der- gleichen teilhaftig zu werden. Auch entſchlos er ſich dieſen augenblik/ ſtraks auf den folgenden morgen ſein vorhaben zu volziehen. Und zu dem ende erſuchte er den Koͤnig/ im ſcheiden/ daß er ihm gegen kuͤnftigen tag ei- ne ſtunde zu beſtimmen belieben lieſſe; da er ihm in ge- heim aufzuwarten geſonnen. Weil nun der Koͤnig hierzu den folgenden gantzen vormittag benennet/ ſo befahl er auf den morgen ſehr fruͤh alles faͤrtig zu machen/ den Koͤniglichen Fuͤrſten zu hohlen. Alle Herren/ und alle Hoͤflinge/ die des vo- ri-

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/278>, abgerufen am 14.05.2024.