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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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Der Assenat
eilete sie dem Josef entgegen. Er zog eben in den vor-
hof ein/ als sie ihn erblikte. Sie nahete sich hastig.
Sie traht vor den wagen/ und grüßete ihn mit tiefster
ehrerbietigkeit. Sie erzehlete ihm alles/ was sich bege-
ben. Sie sagte ihm alle worte des Engels. Nicht eines
ward verschwiegen. Und Josef erwog sie in seinem her-
tzen. Aber er lies sich nicht märken/ was er bei ihm be-
schlossen. Er schwieg stil. Doch ermahnte er sie in ih-
rer Gottesfurcht zu verharren.

Nach gehaltenem mittagsmahle brach Josef eilend
auf/ und zog wieder nach Memfis. Unterwegens
begegnete ihm die Königliche Fürstin Nitokris. Die-
se reisete nach Heliopel/ die Assenat zu besuchen. Bei-
de Stahtswagen hielten stil. Josef stieg ab/ und ging
nach der Fürstin zu/ seine schuldigkeit abzulegen. Nach
geschehenen grüssen/ fragte sie zur stunde: ob er die Für-
stin Assenat gesehen? und wie es ihr ginge? Eben diesen
morgen/ gab er zur antwort/ habe ich die ehre gehabt sie
zu sprechen: und ich weis nicht anders/ als daß es ihr
wohl gehet. Das hat er vor ein großes glük zu schätzen/
fing die Fürstin hierauf an: dan sie zu sprechen ist kei-
nem Herrn iemahls widerfahren. Es ist ein sehr guhtes
zeichen/ und ein vorspiel/ daß er derselbe Fremdling
sein wird/ der in ihren armen schlafen sol. Ja er ist es
selbsten/ auf den der Göttliche Ausspruch schon vor
zwanzig jahren gezielet. Nun sehe ich desselben erfül-
lung vor der tühre. Ja nun stehet es allein bei ihm/
daß er ihr bald die tühre eröfne. Bei ihm allein stehet
es/ uns einen fröhlichen tag zu machen. Darüm was
er tuhn wil/ daß tuhe er bald. Mich selbsten verlanget
darnach.

Ich märke wohl/ antwortete Josef/ daß die Kö-
nigliche Fürstin mit ihrem diener zu schertzen gesonnen.
Ich schertze keinesweges/ fiel ihm Nitokris in die re-
de. Es ist mein lauter ernst. Und schon vor zehen oder

zwölf

Der Aſſenat
eilete ſie dem Joſef entgegen. Er zog eben in den vor-
hof ein/ als ſie ihn erblikte. Sie nahete ſich haſtig.
Sie traht vor den wagen/ und gruͤßete ihn mit tiefſter
ehrerbietigkeit. Sie erzehlete ihm alles/ was ſich bege-
ben. Sie ſagte ihm alle worte des Engels. Nicht eines
ward verſchwiegen. Und Joſef erwog ſie in ſeinem her-
tzen. Aber er lies ſich nicht maͤrken/ was er bei ihm be-
ſchloſſen. Er ſchwieg ſtil. Doch ermahnte er ſie in ih-
rer Gottesfurcht zu verharren.

Nach gehaltenem mittagsmahle brach Joſef eilend
auf/ und zog wieder nach Memfis. Unterwegens
begegnete ihm die Koͤnigliche Fuͤrſtin Nitokris. Die-
ſe reiſete nach Heliopel/ die Aſſenat zu beſuchen. Bei-
de Stahtswagen hielten ſtil. Joſef ſtieg ab/ und ging
nach der Fuͤrſtin zu/ ſeine ſchuldigkeit abzulegen. Nach
geſchehenen gruͤſſen/ fragte ſie zur ſtunde: ob er die Fuͤr-
ſtin Aſſenat geſehen? und wie es ihr ginge? Eben dieſen
morgen/ gab er zur antwort/ habe ich die ehre gehabt ſie
zu ſprechen: und ich weis nicht anders/ als daß es ihr
wohl gehet. Das hat er vor ein großes gluͤk zu ſchaͤtzen/
fing die Fuͤrſtin hierauf an: dan ſie zu ſprechen iſt kei-
nem Herꝛn iemahls widerfahren. Es iſt ein ſehr guhtes
zeichen/ und ein vorſpiel/ daß er derſelbe Fremdling
ſein wird/ der in ihren armen ſchlafen ſol. Ja er iſt es
ſelbſten/ auf den der Goͤttliche Ausſpruch ſchon vor
zwanzig jahren gezielet. Nun ſehe ich deſſelben erfuͤl-
lung vor der tuͤhre. Ja nun ſtehet es allein bei ihm/
daß er ihr bald die tuͤhre eroͤfne. Bei ihm allein ſtehet
es/ uns einen froͤhlichen tag zu machen. Daruͤm was
er tuhn wil/ daß tuhe er bald. Mich ſelbſten verlanget
darnach.

Ich maͤrke wohl/ antwortete Joſef/ daß die Koͤ-
nigliche Fuͤrſtin mit ihrem diener zu ſchertzen geſonnen.
Ich ſchertze keinesweges/ fiel ihm Nitokris in die re-
de. Es iſt mein lauter ernſt. Und ſchon vor zehen oder

zwoͤlf
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[216/0240] Der Aſſenat eilete ſie dem Joſef entgegen. Er zog eben in den vor- hof ein/ als ſie ihn erblikte. Sie nahete ſich haſtig. Sie traht vor den wagen/ und gruͤßete ihn mit tiefſter ehrerbietigkeit. Sie erzehlete ihm alles/ was ſich bege- ben. Sie ſagte ihm alle worte des Engels. Nicht eines ward verſchwiegen. Und Joſef erwog ſie in ſeinem her- tzen. Aber er lies ſich nicht maͤrken/ was er bei ihm be- ſchloſſen. Er ſchwieg ſtil. Doch ermahnte er ſie in ih- rer Gottesfurcht zu verharren. Nach gehaltenem mittagsmahle brach Joſef eilend auf/ und zog wieder nach Memfis. Unterwegens begegnete ihm die Koͤnigliche Fuͤrſtin Nitokris. Die- ſe reiſete nach Heliopel/ die Aſſenat zu beſuchen. Bei- de Stahtswagen hielten ſtil. Joſef ſtieg ab/ und ging nach der Fuͤrſtin zu/ ſeine ſchuldigkeit abzulegen. Nach geſchehenen gruͤſſen/ fragte ſie zur ſtunde: ob er die Fuͤr- ſtin Aſſenat geſehen? und wie es ihr ginge? Eben dieſen morgen/ gab er zur antwort/ habe ich die ehre gehabt ſie zu ſprechen: und ich weis nicht anders/ als daß es ihr wohl gehet. Das hat er vor ein großes gluͤk zu ſchaͤtzen/ fing die Fuͤrſtin hierauf an: dan ſie zu ſprechen iſt kei- nem Herꝛn iemahls widerfahren. Es iſt ein ſehr guhtes zeichen/ und ein vorſpiel/ daß er derſelbe Fremdling ſein wird/ der in ihren armen ſchlafen ſol. Ja er iſt es ſelbſten/ auf den der Goͤttliche Ausſpruch ſchon vor zwanzig jahren gezielet. Nun ſehe ich deſſelben erfuͤl- lung vor der tuͤhre. Ja nun ſtehet es allein bei ihm/ daß er ihr bald die tuͤhre eroͤfne. Bei ihm allein ſtehet es/ uns einen froͤhlichen tag zu machen. Daruͤm was er tuhn wil/ daß tuhe er bald. Mich ſelbſten verlanget darnach. Ich maͤrke wohl/ antwortete Joſef/ daß die Koͤ- nigliche Fuͤrſtin mit ihrem diener zu ſchertzen geſonnen. Ich ſchertze keinesweges/ fiel ihm Nitokris in die re- de. Es iſt mein lauter ernſt. Und ſchon vor zehen oder zwoͤlf

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/240>, abgerufen am 29.11.2024.