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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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fünftes Buch.

In dieser pracht und herligkeit erblikte die junge Für-
stin Assenat den Josef. Sie sahe seine himlische
schönheit: und war betrübt über die worte/ welche sie
kurtz zuvor gesprochen. Ach! sagte sie/ sehet! die Son-
ne vom himmel ist auf ihrem wagen zu uns kommen.
Ich wuste nicht/ daß Josef Gottes Sohn were. Dan
keiner unter allen Menschen hat eine solche schönheit
können zeugen. Keiner Frauen leib hat ein solches Licht
können gebähren. Mit kläglicher stimme sprach sie die-
se worte. Mit bereuenden seufzern klagte sie ihre vorige
unbefonnenheit an. Mit traurigem wesen ging sie nach
ihrem zimmer zu. Nicht ein wort kahm mehr aus ih-
rem munde. Sie war gleich als entzükt: und in sol-
cher entzükkung setzte sie sich auf ihr bette.

Unterdessen begab sich Josef von dem wagen/ und
ging/ mit dem Ertzbischoffe Potifar/ in sein schlos.
Straks wusch man ihm/ nach der Egiptischen weise/
die füße. Und er fragte mit gebietender stimme: was ist
das vor ein Weibesbild/ das über dem burgtohre im
fenster lag? daß man sie straks aus diesem Schlosse
schaffe. Dan er befahrete/ sie möchte ihm auch/ wie
viel andere getahn/ mit geschenken verdrüßlich fallen:
die er doch mit unwillen von sich warf. Aber der Ertz-
bischof gab ihm zur antwort: Mein Herr/ sagte er/ es
ist meine Tochter/ die alle Mansbilder fliehet. Auch
hat sie zuvor niemahls einiges Mansbild gesehen/ als
uns an diesem heutigen tage. Doch wan es Meinem
Herrn beliebt/ so sol sie kommen ihn zu grüßen. Josef
gedachte bei sich selbst/ wan sie alles mansvolk fliehet/ so
wird sie mich auch wohl zu frieden laßen. Und darüm
sagte er zum Ertzbischoffe: wan eure Tochter ein solches
Freulein ist/ so habe ich sie lieb/ als were sie meine Ge-
mahlin. Sobald die Mutter dieses vernahm/ lief sie ei-
lend auf die Burg ihre Tochter zu hohlen. Und sie brach-
te sie in den saal/ und stellete sie vor Josefs angesicht.

Da
fuͤnftes Buch.

In dieſer pracht und herligkeit erblikte die junge Fuͤr-
ſtin Aſſenat den Joſef. Sie ſahe ſeine himliſche
ſchoͤnheit: und war betruͤbt uͤber die worte/ welche ſie
kurtz zuvor geſprochen. Ach! ſagte ſie/ ſehet! die Son-
ne vom himmel iſt auf ihrem wagen zu uns kommen.
Ich wuſte nicht/ daß Joſef Gottes Sohn were. Dan
keiner unter allen Menſchen hat eine ſolche ſchoͤnheit
koͤnnen zeugen. Keiner Frauen leib hat ein ſolches Licht
koͤnnen gebaͤhren. Mit klaͤglicher ſtimme ſprach ſie die-
ſe worte. Mit bereuenden ſeufzern klagte ſie ihre vorige
unbefonnenheit an. Mit traurigem weſen ging ſie nach
ihrem zimmer zu. Nicht ein wort kahm mehr aus ih-
rem munde. Sie war gleich als entzuͤkt: und in ſol-
cher entzuͤkkung ſetzte ſie ſich auf ihr bette.

Unterdeſſen begab ſich Joſef von dem wagen/ und
ging/ mit dem Ertzbiſchoffe Potifar/ in ſein ſchlos.
Straks wuſch man ihm/ nach der Egiptiſchen weiſe/
die fuͤße. Und er fragte mit gebietender ſtimme: was iſt
das vor ein Weibesbild/ das uͤber dem burgtohre im
fenſter lag? daß man ſie ſtraks aus dieſem Schloſſe
ſchaffe. Dan er befahrete/ ſie moͤchte ihm auch/ wie
viel andere getahn/ mit geſchenken verdruͤßlich fallen:
die er doch mit unwillen von ſich warf. Aber der Ertz-
biſchof gab ihm zur antwort: Mein Herꝛ/ ſagte er/ es
iſt meine Tochter/ die alle Mansbilder fliehet. Auch
hat ſie zuvor niemahls einiges Mansbild geſehen/ als
uns an dieſem heutigen tage. Doch wan es Meinem
Herꝛn beliebt/ ſo ſol ſie kommen ihn zu gruͤßen. Joſef
gedachte bei ſich ſelbſt/ wan ſie alles mansvolk fliehet/ ſo
wird ſie mich auch wohl zu frieden laßen. Und daruͤm
ſagte er zum Ertzbiſchoffe: wan eure Tochter ein ſolches
Freulein iſt/ ſo habe ich ſie lieb/ als were ſie meine Ge-
mahlin. Sobald die Mutter dieſes vernahm/ lief ſie ei-
lend auf die Burg ihre Tochter zu hohlen. Und ſie brach-
te ſie in den ſaal/ und ſtellete ſie vor Joſefs angeſicht.

Da
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[205/0229] fuͤnftes Buch. In dieſer pracht und herligkeit erblikte die junge Fuͤr- ſtin Aſſenat den Joſef. Sie ſahe ſeine himliſche ſchoͤnheit: und war betruͤbt uͤber die worte/ welche ſie kurtz zuvor geſprochen. Ach! ſagte ſie/ ſehet! die Son- ne vom himmel iſt auf ihrem wagen zu uns kommen. Ich wuſte nicht/ daß Joſef Gottes Sohn were. Dan keiner unter allen Menſchen hat eine ſolche ſchoͤnheit koͤnnen zeugen. Keiner Frauen leib hat ein ſolches Licht koͤnnen gebaͤhren. Mit klaͤglicher ſtimme ſprach ſie die- ſe worte. Mit bereuenden ſeufzern klagte ſie ihre vorige unbefonnenheit an. Mit traurigem weſen ging ſie nach ihrem zimmer zu. Nicht ein wort kahm mehr aus ih- rem munde. Sie war gleich als entzuͤkt: und in ſol- cher entzuͤkkung ſetzte ſie ſich auf ihr bette. Unterdeſſen begab ſich Joſef von dem wagen/ und ging/ mit dem Ertzbiſchoffe Potifar/ in ſein ſchlos. Straks wuſch man ihm/ nach der Egiptiſchen weiſe/ die fuͤße. Und er fragte mit gebietender ſtimme: was iſt das vor ein Weibesbild/ das uͤber dem burgtohre im fenſter lag? daß man ſie ſtraks aus dieſem Schloſſe ſchaffe. Dan er befahrete/ ſie moͤchte ihm auch/ wie viel andere getahn/ mit geſchenken verdruͤßlich fallen: die er doch mit unwillen von ſich warf. Aber der Ertz- biſchof gab ihm zur antwort: Mein Herꝛ/ ſagte er/ es iſt meine Tochter/ die alle Mansbilder fliehet. Auch hat ſie zuvor niemahls einiges Mansbild geſehen/ als uns an dieſem heutigen tage. Doch wan es Meinem Herꝛn beliebt/ ſo ſol ſie kommen ihn zu gruͤßen. Joſef gedachte bei ſich ſelbſt/ wan ſie alles mansvolk fliehet/ ſo wird ſie mich auch wohl zu frieden laßen. Und daruͤm ſagte er zum Ertzbiſchoffe: wan eure Tochter ein ſolches Freulein iſt/ ſo habe ich ſie lieb/ als were ſie meine Ge- mahlin. Sobald die Mutter dieſes vernahm/ lief ſie ei- lend auf die Burg ihre Tochter zu hohlen. Und ſie brach- te ſie in den ſaal/ und ſtellete ſie vor Joſefs angeſicht. Da

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/229>, abgerufen am 27.04.2024.