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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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Der Assenat
ten gesetzet. Nein/ nein! rief sie überlaut: ich wil kei-
nem Gefangenem oder Leibeigenem/ aber wohl einem
Königlichen Fürsten vermählet sein. Und indem sie
also redeten/ kahm einer von den tohrwächtern dem
Ertzbischoffe anzumelden/ daß der Schaltkönig schon in
der schlosgasse sei. Als Assenat diese zeitung hörete/
da eilete sie geschwinde nach ihrer Burg zu. Gleichwohl
trieb sie ihre neugierigkeit so weit/ daß sie lüstern ward
den Josef zu sehen. Und darüm blieb sie oben über dem
Burgtohre/ in einem fenster/ stehen.

Unterdessen ging der Ertzbischof/ mit seiner Gemah-
lin Toote/ dem Josef entgegen/ bis vor das Schlos-
tohr. Da empfingen sie ihn mit der allertiefsten ehrer-
bietigkeit. Und er begab sich/ samt seinem gantzen ge-
folge/ in den vorhof: dessen tohre zur stunde wieder ge-
schlossen/ und mit einer stärkeren wache versehen war-
den. Josef saß auf dem zweiten Stahtswagen des
Königes/ welcher mit golde gantz überzogen/ und mit
überaus künstlichem bildwerke gezieret. Vier schnee-
weisse Pferde/ derer zeume/ gebis und schnallen von dich-
tem golde/ mit edelen steinen ausgesetzt/ zogen diesen wa-
gen. Er selbsten war gekleidet in reine weisse seide; und
darüber trug er einen sammeten Rok mit golde sehr
zierlich gestikt. Auf seinem heupte stund eine güldene
Krohne/ mit zwölf köstlichen steinen/ darüber zwölf
sterne zu sehen/ versetzet. In der hand hielt er einen
güldenen Reichsstab/ und einen Oehlzweig/ samt der
frucht. Vier Edelknaben gingen auf ieder seite des
wagens. Ihre langen über die schultern fliegende haar-
lokken waren zierlich vergüldet/ und eben so zierlich ge-
krüllet. Ihre kleider waren von schneeweisser seide/ mit
güldenen bohrten verbrähmet. In der rechten hand tru-
gen sie einen wurfspies/ und in der linken einen schild/
überzogen mit golde. Der vor- und nach-trab war
nicht weniger köstlich und prächtig.

In

Der Aſſenat
ten geſetzet. Nein/ nein! rief ſie uͤberlaut: ich wil kei-
nem Gefangenem oder Leibeigenem/ aber wohl einem
Koͤniglichen Fuͤrſten vermaͤhlet ſein. Und indem ſie
alſo redeten/ kahm einer von den tohrwaͤchtern dem
Ertzbiſchoffe anzumelden/ daß der Schaltkoͤnig ſchon in
der ſchlosgaſſe ſei. Als Aſſenat dieſe zeitung hoͤrete/
da eilete ſie geſchwinde nach ihrer Burg zu. Gleichwohl
trieb ſie ihre neugierigkeit ſo weit/ daß ſie luͤſtern ward
den Joſef zu ſehen. Und daruͤm blieb ſie oben uͤber dem
Burgtohre/ in einem fenſter/ ſtehen.

Unterdeſſen ging der Ertzbiſchof/ mit ſeiner Gemah-
lin Toote/ dem Joſef entgegen/ bis vor das Schlos-
tohr. Da empfingen ſie ihn mit der allertiefſten ehrer-
bietigkeit. Und er begab ſich/ ſamt ſeinem gantzen ge-
folge/ in den vorhof: deſſen tohre zur ſtunde wieder ge-
ſchloſſen/ und mit einer ſtaͤrkeren wache verſehen war-
den. Joſef ſaß auf dem zweiten Stahtswagen des
Koͤniges/ welcher mit golde gantz uͤberzogen/ und mit
uͤberaus kuͤnſtlichem bildwerke gezieret. Vier ſchnee-
weiſſe Pferde/ derer zeume/ gebis und ſchnallen von dich-
tem golde/ mit edelen ſteinen ausgeſetzt/ zogen dieſen wa-
gen. Er ſelbſten war gekleidet in reine weiſſe ſeide; und
daruͤber trug er einen ſammeten Rok mit golde ſehr
zierlich geſtikt. Auf ſeinem heupte ſtund eine guͤldene
Krohne/ mit zwoͤlf koͤſtlichen ſteinen/ daruͤber zwoͤlf
ſterne zu ſehen/ verſetzet. In der hand hielt er einen
guͤldenen Reichsſtab/ und einen Oehlzweig/ ſamt der
frucht. Vier Edelknaben gingen auf ieder ſeite des
wagens. Ihre langen uͤber die ſchultern fliegende haar-
lokken waren zierlich verguͤldet/ und eben ſo zierlich ge-
kruͤllet. Ihre kleider waren von ſchneeweiſſer ſeide/ mit
guͤldenen bohrten verbraͤhmet. In der rechten hand tru-
gen ſie einen wurfſpies/ und in der linken einen ſchild/
uͤberzogen mit golde. Der vor- und nach-trab war
nicht weniger koͤſtlich und praͤchtig.

In
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[204/0228] Der Aſſenat ten geſetzet. Nein/ nein! rief ſie uͤberlaut: ich wil kei- nem Gefangenem oder Leibeigenem/ aber wohl einem Koͤniglichen Fuͤrſten vermaͤhlet ſein. Und indem ſie alſo redeten/ kahm einer von den tohrwaͤchtern dem Ertzbiſchoffe anzumelden/ daß der Schaltkoͤnig ſchon in der ſchlosgaſſe ſei. Als Aſſenat dieſe zeitung hoͤrete/ da eilete ſie geſchwinde nach ihrer Burg zu. Gleichwohl trieb ſie ihre neugierigkeit ſo weit/ daß ſie luͤſtern ward den Joſef zu ſehen. Und daruͤm blieb ſie oben uͤber dem Burgtohre/ in einem fenſter/ ſtehen. Unterdeſſen ging der Ertzbiſchof/ mit ſeiner Gemah- lin Toote/ dem Joſef entgegen/ bis vor das Schlos- tohr. Da empfingen ſie ihn mit der allertiefſten ehrer- bietigkeit. Und er begab ſich/ ſamt ſeinem gantzen ge- folge/ in den vorhof: deſſen tohre zur ſtunde wieder ge- ſchloſſen/ und mit einer ſtaͤrkeren wache verſehen war- den. Joſef ſaß auf dem zweiten Stahtswagen des Koͤniges/ welcher mit golde gantz uͤberzogen/ und mit uͤberaus kuͤnſtlichem bildwerke gezieret. Vier ſchnee- weiſſe Pferde/ derer zeume/ gebis und ſchnallen von dich- tem golde/ mit edelen ſteinen ausgeſetzt/ zogen dieſen wa- gen. Er ſelbſten war gekleidet in reine weiſſe ſeide; und daruͤber trug er einen ſammeten Rok mit golde ſehr zierlich geſtikt. Auf ſeinem heupte ſtund eine guͤldene Krohne/ mit zwoͤlf koͤſtlichen ſteinen/ daruͤber zwoͤlf ſterne zu ſehen/ verſetzet. In der hand hielt er einen guͤldenen Reichsſtab/ und einen Oehlzweig/ ſamt der frucht. Vier Edelknaben gingen auf ieder ſeite des wagens. Ihre langen uͤber die ſchultern fliegende haar- lokken waren zierlich verguͤldet/ und eben ſo zierlich ge- kruͤllet. Ihre kleider waren von ſchneeweiſſer ſeide/ mit guͤldenen bohrten verbraͤhmet. In der rechten hand tru- gen ſie einen wurfſpies/ und in der linken einen ſchild/ uͤberzogen mit golde. Der vor- und nach-trab war nicht weniger koͤſtlich und praͤchtig. In

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/228>, abgerufen am 21.12.2024.