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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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vierdes Buch.
keit schien gantz verbannet: die unlust verwiesen: die
schweermühtigkeit verjaget.

Dieser algemeinen lust der Fürsten gab des Frauen-
zimmers fröhligkeit nichts zuvor. Die Fürstliche Ge-
mahlinnen schritten selbst über die schranken ihrer acht-
barkeit; welche sie sonsten so genau zu bewahren pflegen.
Die Freulein und Jungfrauen vergaßen ihrer strengen
eingezogenheit. Ihrer sonst angebohrnen blödigkeit/
und gewöhnlichen sitsamkeit/ gaben sie vor dieses mahl
uhrlaub. Das kind der zucht/ die edele Schaamhaftig-
keit/ milterten und mäßigten sie dermaßen/ daß sie so
übermäßig nicht züchteten/ so aus der weise nicht
prunkten/ so ohne schertzspiele nicht ernsteten; wie sie
sonsten zuweilen gewohnet. Die gemeinsamheit/ die
offenhertzigkeit/ die freimühtigkeit/ die sprachsamkeit/
die ausgelaßenheit zur lust und ergetzung hatten das
stöltzeln/ das prängeln/ samt dem alzuernsthaftigen
niedergeschlagenem wesen/ verdrungen. Ihre augen
liebelten. Ihre wangen lächelten. Ihre stirnen spiele-
ten. Ihr mund entschlos sich. Ihre zunge ward gelöset.
Und also lies sich das gantze antlitz aus in ein fröhli-
ches anmuhtiges wesen. Ja der gantze leib saß/ wo er
saß/ und stund/ wo er stund/ in einer freudigen unge-
zwungenen bewegung.

In solcher unterlich einpärigen lust und freude
kahm der achte und letzte tag des Königlichen Jahrfestes
herbei. Josef begunte der hofluft/ als nunmehr ein
hofman von sechs tagen/ alhand zu gewohnen. Bisher
war er noch zimlich eingezogen und stille gewesen. Er
hatte wenig geredet/ noch weniger geschertzet. Aber
itzund fing er an dreister zu werden. Itzund machte er
sich erst bekant. Itzund lies er so ein freudiges und so
munters wesen blikken/ daß er mehr/ als iemahls zuvor/
die augen dieser Fürstlichen versamlung auf sich zog.
Sobald er in den Saal traht/ redete er/ mit einer son-

der-

vierdes Buch.
keit ſchien gantz verbannet: die unluſt verwieſen: die
ſchweermuͤhtigkeit verjaget.

Dieſer algemeinen luſt der Fuͤrſten gab des Frauen-
zimmers froͤhligkeit nichts zuvor. Die Fuͤrſtliche Ge-
mahlinnen ſchritten ſelbſt uͤber die ſchranken ihrer acht-
barkeit; welche ſie ſonſten ſo genau zu bewahren pflegen.
Die Freulein und Jungfrauen vergaßen ihrer ſtrengen
eingezogenheit. Ihrer ſonſt angebohrnen bloͤdigkeit/
und gewoͤhnlichen ſitſamkeit/ gaben ſie vor dieſes mahl
uhrlaub. Das kind der zucht/ die edele Schaamhaftig-
keit/ milterten und maͤßigten ſie dermaßen/ daß ſie ſo
uͤbermaͤßig nicht zuͤchteten/ ſo aus der weiſe nicht
prunkten/ ſo ohne ſchertzſpiele nicht ernſteten; wie ſie
ſonſten zuweilen gewohnet. Die gemeinſamheit/ die
offenhertzigkeit/ die freimuͤhtigkeit/ die ſprachſamkeit/
die ausgelaßenheit zur luſt und ergetzung hatten das
ſtoͤltzeln/ das praͤngeln/ ſamt dem alzuernſthaftigen
niedergeſchlagenem weſen/ verdrungen. Ihre augen
liebelten. Ihre wangen laͤchelten. Ihre ſtirnen ſpiele-
ten. Ihr mund entſchlos ſich. Ihre zunge ward geloͤſet.
Und alſo lies ſich das gantze antlitz aus in ein froͤhli-
ches anmuhtiges weſen. Ja der gantze leib ſaß/ wo er
ſaß/ und ſtund/ wo er ſtund/ in einer freudigen unge-
zwungenen bewegung.

In ſolcher unterlich einpaͤrigen luſt und freude
kahm der achte und letzte tag des Koͤniglichen Jahrfeſtes
herbei. Joſef begunte der hofluft/ als nunmehr ein
hofman von ſechs tagen/ alhand zu gewohnen. Bisher
war er noch zimlich eingezogen und ſtille geweſen. Er
hatte wenig geredet/ noch weniger geſchertzet. Aber
itzund fing er an dreiſter zu werden. Itzund machte er
ſich erſt bekant. Itzund lies er ſo ein freudiges und ſo
munters weſen blikken/ daß er mehr/ als iemahls zuvor/
die augen dieſer Fuͤrſtlichen verſamlung auf ſich zog.
Sobald er in den Saal traht/ redete er/ mit einer ſon-

der-
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[191/0215] vierdes Buch. keit ſchien gantz verbannet: die unluſt verwieſen: die ſchweermuͤhtigkeit verjaget. Dieſer algemeinen luſt der Fuͤrſten gab des Frauen- zimmers froͤhligkeit nichts zuvor. Die Fuͤrſtliche Ge- mahlinnen ſchritten ſelbſt uͤber die ſchranken ihrer acht- barkeit; welche ſie ſonſten ſo genau zu bewahren pflegen. Die Freulein und Jungfrauen vergaßen ihrer ſtrengen eingezogenheit. Ihrer ſonſt angebohrnen bloͤdigkeit/ und gewoͤhnlichen ſitſamkeit/ gaben ſie vor dieſes mahl uhrlaub. Das kind der zucht/ die edele Schaamhaftig- keit/ milterten und maͤßigten ſie dermaßen/ daß ſie ſo uͤbermaͤßig nicht zuͤchteten/ ſo aus der weiſe nicht prunkten/ ſo ohne ſchertzſpiele nicht ernſteten; wie ſie ſonſten zuweilen gewohnet. Die gemeinſamheit/ die offenhertzigkeit/ die freimuͤhtigkeit/ die ſprachſamkeit/ die ausgelaßenheit zur luſt und ergetzung hatten das ſtoͤltzeln/ das praͤngeln/ ſamt dem alzuernſthaftigen niedergeſchlagenem weſen/ verdrungen. Ihre augen liebelten. Ihre wangen laͤchelten. Ihre ſtirnen ſpiele- ten. Ihr mund entſchlos ſich. Ihre zunge ward geloͤſet. Und alſo lies ſich das gantze antlitz aus in ein froͤhli- ches anmuhtiges weſen. Ja der gantze leib ſaß/ wo er ſaß/ und ſtund/ wo er ſtund/ in einer freudigen unge- zwungenen bewegung. In ſolcher unterlich einpaͤrigen luſt und freude kahm der achte und letzte tag des Koͤniglichen Jahrfeſtes herbei. Joſef begunte der hofluft/ als nunmehr ein hofman von ſechs tagen/ alhand zu gewohnen. Bisher war er noch zimlich eingezogen und ſtille geweſen. Er hatte wenig geredet/ noch weniger geſchertzet. Aber itzund fing er an dreiſter zu werden. Itzund machte er ſich erſt bekant. Itzund lies er ſo ein freudiges und ſo munters weſen blikken/ daß er mehr/ als iemahls zuvor/ die augen dieſer Fuͤrſtlichen verſamlung auf ſich zog. Sobald er in den Saal traht/ redete er/ mit einer ſon- der-

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/215>, abgerufen am 27.04.2024.