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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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Der Assenat
ich/ noch er konten dazumahl errahten/ von wem solche
überschwänglich große wohltaht kähme. Und nun bin
ich begierig zu wissen/ was doch Meine allergnädigste
Fürstin bewogen/ mir unverdientem so gar große gnade
zu erweisen? Vor mich selbst/ antwortete Nitokris/
habe ichs nicht getahn. Eine Fürstin/ die er noch nie
gesehen/ aber ausser allem zweifel bald wird sehen/ und
mehr als mich kennen lernen/ hat mich hierzu bewo-
gen. Was von mir geschehen ist/ ist alles ihr zu liebe ge-
schehen. Darüm ist er gantz nicht verbunden mir zu
danken. Der dank gebühret ihr. Ihr allein ist er ver-
pflichtet zu danken.

Eben als die Königliche Fürstin diese worte redete/
höreten sie zur tafel blasen. Und darüm nahm sie straks
ihren abschied. Josef aber blieb noch eine kleine weile
im garten. Darnach begab er sich auch in sein zimmer.
Alhier verzog er so lange/ bis ihm angesagt ward zum
Könige zu kommen. Mit großer ehrerbietigkeit begeg-
neten ihm alle Fürsten. Sobald sie ihn erblikten/ mach-
ten sie raum. Sie trahten eilend voneinander in zwo
reihen; damit er ungehindert hindurch könte. Nach ge-
schehenen ehrenbezeugungen zu beiden seiten/ setzte man
sich straks zur tafel. Einieder Fürst nahm seine stelle/ da
er des vorigen tages gesässen. Und Josef lies sich neben
dem Könige nieder. Die lust/ die freude/ die ergetzligkeit
schienen täglich zuzunehmen. Auch wuchs die unterli-
che liebe der Fürsten mehr und mehr an. Die hertzliche
vertrauligkeit ward immer grösser und grösser/ so lange
dieses Freudenmahl währete. Die vergnügung/ die
der König hieraus schöpfte/ kan keine feder beschreiben.
Keine zunge vermag sie auszusprechen. Ja keine ge-
danken können sie fassen. Er selbsten war so fröh-
lich. Er erzeigte sich so lustig/ daß sich iederman ver-
wunderte. Und diesem vorgänger folgeten alle seine
gäste. Nicht einer verderbete das spiel. Die traurig-

keit

Der Aſſenat
ich/ noch er konten dazumahl errahten/ von wem ſolche
uͤberſchwaͤnglich große wohltaht kaͤhme. Und nun bin
ich begierig zu wiſſen/ was doch Meine allergnaͤdigſte
Fuͤrſtin bewogen/ mir unverdientem ſo gar große gnade
zu erweiſen? Vor mich ſelbſt/ antwortete Nitokris/
habe ichs nicht getahn. Eine Fuͤrſtin/ die er noch nie
geſehen/ aber auſſer allem zweifel bald wird ſehen/ und
mehr als mich kennen lernen/ hat mich hierzu bewo-
gen. Was von mir geſchehen iſt/ iſt alles ihr zu liebe ge-
ſchehen. Daruͤm iſt er gantz nicht verbunden mir zu
danken. Der dank gebuͤhret ihr. Ihr allein iſt er ver-
pflichtet zu danken.

Eben als die Koͤnigliche Fuͤrſtin dieſe worte redete/
hoͤreten ſie zur tafel blaſen. Und daruͤm nahm ſie ſtraks
ihren abſchied. Joſef aber blieb noch eine kleine weile
im garten. Darnach begab er ſich auch in ſein zimmer.
Alhier verzog er ſo lange/ bis ihm angeſagt ward zum
Koͤnige zu kommen. Mit großer ehrerbietigkeit begeg-
neten ihm alle Fuͤrſten. Sobald ſie ihn erblikten/ mach-
ten ſie raum. Sie trahten eilend voneinander in zwo
reihen; damit er ungehindert hindurch koͤnte. Nach ge-
ſchehenen ehrenbezeugungen zu beiden ſeiten/ ſetzte man
ſich ſtraks zur tafel. Einieder Fuͤrſt nahm ſeine ſtelle/ da
er des vorigen tages geſaͤſſen. Und Joſef lies ſich neben
dem Koͤnige nieder. Die luſt/ die freude/ die ergetzligkeit
ſchienen taͤglich zuzunehmen. Auch wuchs die unterli-
che liebe der Fuͤrſten mehr und mehr an. Die hertzliche
vertrauligkeit ward immer groͤſſer und groͤſſer/ ſo lange
dieſes Freudenmahl waͤhrete. Die vergnuͤgung/ die
der Koͤnig hieraus ſchoͤpfte/ kan keine feder beſchreiben.
Keine zunge vermag ſie auszuſprechen. Ja keine ge-
danken koͤnnen ſie faſſen. Er ſelbſten war ſo froͤh-
lich. Er erzeigte ſich ſo luſtig/ daß ſich iederman ver-
wunderte. Und dieſem vorgaͤnger folgeten alle ſeine
gaͤſte. Nicht einer verderbete das ſpiel. Die traurig-

keit
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[190/0214] Der Aſſenat ich/ noch er konten dazumahl errahten/ von wem ſolche uͤberſchwaͤnglich große wohltaht kaͤhme. Und nun bin ich begierig zu wiſſen/ was doch Meine allergnaͤdigſte Fuͤrſtin bewogen/ mir unverdientem ſo gar große gnade zu erweiſen? Vor mich ſelbſt/ antwortete Nitokris/ habe ichs nicht getahn. Eine Fuͤrſtin/ die er noch nie geſehen/ aber auſſer allem zweifel bald wird ſehen/ und mehr als mich kennen lernen/ hat mich hierzu bewo- gen. Was von mir geſchehen iſt/ iſt alles ihr zu liebe ge- ſchehen. Daruͤm iſt er gantz nicht verbunden mir zu danken. Der dank gebuͤhret ihr. Ihr allein iſt er ver- pflichtet zu danken. Eben als die Koͤnigliche Fuͤrſtin dieſe worte redete/ hoͤreten ſie zur tafel blaſen. Und daruͤm nahm ſie ſtraks ihren abſchied. Joſef aber blieb noch eine kleine weile im garten. Darnach begab er ſich auch in ſein zimmer. Alhier verzog er ſo lange/ bis ihm angeſagt ward zum Koͤnige zu kommen. Mit großer ehrerbietigkeit begeg- neten ihm alle Fuͤrſten. Sobald ſie ihn erblikten/ mach- ten ſie raum. Sie trahten eilend voneinander in zwo reihen; damit er ungehindert hindurch koͤnte. Nach ge- ſchehenen ehrenbezeugungen zu beiden ſeiten/ ſetzte man ſich ſtraks zur tafel. Einieder Fuͤrſt nahm ſeine ſtelle/ da er des vorigen tages geſaͤſſen. Und Joſef lies ſich neben dem Koͤnige nieder. Die luſt/ die freude/ die ergetzligkeit ſchienen taͤglich zuzunehmen. Auch wuchs die unterli- che liebe der Fuͤrſten mehr und mehr an. Die hertzliche vertrauligkeit ward immer groͤſſer und groͤſſer/ ſo lange dieſes Freudenmahl waͤhrete. Die vergnuͤgung/ die der Koͤnig hieraus ſchoͤpfte/ kan keine feder beſchreiben. Keine zunge vermag ſie auszuſprechen. Ja keine ge- danken koͤnnen ſie faſſen. Er ſelbſten war ſo froͤh- lich. Er erzeigte ſich ſo luſtig/ daß ſich iederman ver- wunderte. Und dieſem vorgaͤnger folgeten alle ſeine gaͤſte. Nicht einer verderbete das ſpiel. Die traurig- keit

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/214>, abgerufen am 27.04.2024.