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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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Der Assenat
nes; gleichsam als wan er schon vorher wüste/ daß
ihm Josef was guhtes anzeigen würde. Nun be-
fahl er die tafeln zu dekken; und allen seinen gästen an-
zusagen/ daß sie sich eilend zu des Königes gastmahle
wieder einstelleten. Auch hatte er dem Obersten Mund-
schenken straks befohlen/ daß er selbsten geschwinde hin-
gehen solte/ den Josef zu hohlen. Diesem befehle ge-
horchte der Oberste Mundschenke zur stunde. Doch
schikte er seinen diener zuvor hin den Josef anzudeu-
ten/ daß er sich gefast machte/ wan er abgehohlet würde/
straks vor dem Könige zu erscheinen.

Niemand war froher/ als Josef/ da er diese fröh-
liche zeitung bekahm. Seine freude war nicht auszu-
sprechen. Keine feder konte sie beschreiben. Er machte
sich flugs färtig. Er wusch sich. Er reinigte sich. Er
badete sich. Auch lies er das erste mahl seinen bahrt bu-
tzen. Und solches täht er alles nach der Egipter gewohn-
heit/ wan sie vor ihren Königen erscheinen sollen. End-
lich zog er sein neues kleid an: darzu er den seidenen
zeug/ nicht wuste er von wem/ geschikt bekommen. Also
stund nun Josef bereit; und wartete mit schmertzli-
chem verlangen auf seine erlösung.

Indessen kahm der oberste Mundschenke selbst an/
ihn abzuhohlen. Er saß auf einer köstlichen Kutsche/
mit vielen dienern begleitet. Josef muste sich neben
ihn setzen. Und also fuhren sie beide nach der Königli-
chen Burg zu. So bald sie alda angelanget/ ward Jo-
sef
straks in den Königlichen saal geführet. Der König
stund eben mitten unter den Reichsfürsten/ als er hin-
eintraht. Diese verwunderten sich alle/ ja der König
selbsten über seine herliche schönheit. Sie verwunder-
ten sich über sein ansähnliches wesen. Alle sahen seine
edele gestalt gleich als bestürtzt an: sonderlich als er sich/
mit so höflichen und wohlanständigen gebährden/ zu
neugen wuste. Der Reichskantzler aber winkte ihm/

was

Der Aſſenat
nes; gleichſam als wan er ſchon vorher wuͤſte/ daß
ihm Joſef was guhtes anzeigen wuͤrde. Nun be-
fahl er die tafeln zu dekken; und allen ſeinen gaͤſten an-
zuſagen/ daß ſie ſich eilend zu des Koͤniges gaſtmahle
wieder einſtelleten. Auch hatte er dem Oberſten Mund-
ſchenken ſtraks befohlen/ daß er ſelbſten geſchwinde hin-
gehen ſolte/ den Joſef zu hohlen. Dieſem befehle ge-
horchte der Oberſte Mundſchenke zur ſtunde. Doch
ſchikte er ſeinen diener zuvor hin den Joſef anzudeu-
ten/ daß er ſich gefaſt machte/ wan er abgehohlet wuͤrde/
ſtraks vor dem Koͤnige zu erſcheinen.

Niemand war froher/ als Joſef/ da er dieſe froͤh-
liche zeitung bekahm. Seine freude war nicht auszu-
ſprechen. Keine feder konte ſie beſchreiben. Er machte
ſich flugs faͤrtig. Er wuſch ſich. Er reinigte ſich. Er
badete ſich. Auch lies er das erſte mahl ſeinen bahrt bu-
tzen. Und ſolches taͤht er alles nach der Egipter gewohn-
heit/ wan ſie vor ihren Koͤnigen erſcheinen ſollen. End-
lich zog er ſein neues kleid an: darzu er den ſeidenen
zeug/ nicht wuſte er von wem/ geſchikt bekommen. Alſo
ſtund nun Joſef bereit; und wartete mit ſchmertzli-
chem verlangen auf ſeine erloͤſung.

Indeſſen kahm der oberſte Mundſchenke ſelbſt an/
ihn abzuhohlen. Er ſaß auf einer koͤſtlichen Kutſche/
mit vielen dienern begleitet. Joſef muſte ſich neben
ihn ſetzen. Und alſo fuhren ſie beide nach der Koͤnigli-
chen Burg zu. So bald ſie alda angelanget/ ward Jo-
ſef
ſtraks in den Koͤniglichen ſaal gefuͤhret. Der Koͤnig
ſtund eben mitten unter den Reichsfuͤrſten/ als er hin-
eintraht. Dieſe verwunderten ſich alle/ ja der Koͤnig
ſelbſten uͤber ſeine herliche ſchoͤnheit. Sie verwunder-
ten ſich uͤber ſein anſaͤhnliches weſen. Alle ſahen ſeine
edele geſtalt gleich als beſtuͤrtzt an: ſonderlich als er ſich/
mit ſo hoͤflichen und wohlanſtaͤndigen gebaͤhrden/ zu
neugen wuſte. Der Reichskantzler aber winkte ihm/

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[168/0192] Der Aſſenat nes; gleichſam als wan er ſchon vorher wuͤſte/ daß ihm Joſef was guhtes anzeigen wuͤrde. Nun be- fahl er die tafeln zu dekken; und allen ſeinen gaͤſten an- zuſagen/ daß ſie ſich eilend zu des Koͤniges gaſtmahle wieder einſtelleten. Auch hatte er dem Oberſten Mund- ſchenken ſtraks befohlen/ daß er ſelbſten geſchwinde hin- gehen ſolte/ den Joſef zu hohlen. Dieſem befehle ge- horchte der Oberſte Mundſchenke zur ſtunde. Doch ſchikte er ſeinen diener zuvor hin den Joſef anzudeu- ten/ daß er ſich gefaſt machte/ wan er abgehohlet wuͤrde/ ſtraks vor dem Koͤnige zu erſcheinen. Niemand war froher/ als Joſef/ da er dieſe froͤh- liche zeitung bekahm. Seine freude war nicht auszu- ſprechen. Keine feder konte ſie beſchreiben. Er machte ſich flugs faͤrtig. Er wuſch ſich. Er reinigte ſich. Er badete ſich. Auch lies er das erſte mahl ſeinen bahrt bu- tzen. Und ſolches taͤht er alles nach der Egipter gewohn- heit/ wan ſie vor ihren Koͤnigen erſcheinen ſollen. End- lich zog er ſein neues kleid an: darzu er den ſeidenen zeug/ nicht wuſte er von wem/ geſchikt bekommen. Alſo ſtund nun Joſef bereit; und wartete mit ſchmertzli- chem verlangen auf ſeine erloͤſung. Indeſſen kahm der oberſte Mundſchenke ſelbſt an/ ihn abzuhohlen. Er ſaß auf einer koͤſtlichen Kutſche/ mit vielen dienern begleitet. Joſef muſte ſich neben ihn ſetzen. Und alſo fuhren ſie beide nach der Koͤnigli- chen Burg zu. So bald ſie alda angelanget/ ward Jo- ſef ſtraks in den Koͤniglichen ſaal gefuͤhret. Der Koͤnig ſtund eben mitten unter den Reichsfuͤrſten/ als er hin- eintraht. Dieſe verwunderten ſich alle/ ja der Koͤnig ſelbſten uͤber ſeine herliche ſchoͤnheit. Sie verwunder- ten ſich uͤber ſein anſaͤhnliches weſen. Alle ſahen ſeine edele geſtalt gleich als beſtuͤrtzt an: ſonderlich als er ſich/ mit ſo hoͤflichen und wohlanſtaͤndigen gebaͤhrden/ zu neugen wuſte. Der Reichskantzler aber winkte ihm/ was

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/192>, abgerufen am 03.05.2024.